[887] Schon seit lange hatte Franz viel von einem wunderbaren Manne sprechen hören, der sich in den benachbarten Bergen aufhielt, der halb wahnsinnig in der Einsamkeit lebte und seinen öden Aufenthalt niemals verließ. Was Franz besonders anzog, war, daß dieser abenteuerliche Eremit ein Maler sein sollte, der gewöhnlich denen, die ihn besuchten, Bildnisse um einen billigen Preis verkaufte. Sternbald konnte der Begier nicht länger widerstehn, ihn aufzusuchen, und da Florestan immer noch nicht zurückkam, und die Gräfin wieder eine Jagd, ihre Lieblingsergötzung angeordnet hatte, so machte er sich an einem schönen Morgen auf den Weg, um den bezeichneten Aufenthalt zu suchen.
Er stand bald oben auf dem Hügel und sah im Tale die versammelte Jagd, die vom Schlosse ausritt, und sich durch die Ebene verbreitete. Es klangen wieder die musikalischen Töne zu ihm hinauf, die durch den frischen Morgen in den Bergen widerschallten. Bald verlor er die Jagd aus dem Gesicht, die Musik der Hörner verscholl, und er wandte sich tiefer in das Gebirge hinein, wo die Gegend plötzlich ihren anmutigen Charakter verließ, und wilder und verworrener ward; die Aussicht in das ebene Land schloß sich, man verlor den vollen herrlichen Strom aus dem Gesichte, und die Berge und Felsen wurden kahl und unfreundlich.
Der Weg wand sich enge und schmal zwischen Felsen hindurch, Tannengebüsch wechselte auf dem nackten Boden, und nach einer Stunde stand Franz auf dem höheren Gipfel des Gebirges.
Nun war es wieder wie ein Vorhang niedergefallen, seinen Blicken öffnete sich die Ebene von neuem, die kahlen Felsen unter ihm verloren sich lieblich in dem grünen Gemisch der[887] Wälder und Wiesen, die unfreundliche Natur war verschwunden, sie war mit der lieblichen Aussicht eins, von dem übrigen verschönert diente sie selbst die andern Gegenstände zu verschönern. Da lag die Herrlichkeit der Ströme, der Berge, der Wälder vor ihm ausgebreitet, er glaubte vor dem plötzlichen Anblick der weiten, unendlichen, mannigfaltigen Natur zu vergehn, denn es war, als wenn sie mit herzdurchdringender Stimme zu ihm hinaufsprach, als wenn sie mit feurigen Augen vom Himmel und aus dem glänzenden Strom heraus nach ihm blickte, und mit ihren Riesengliedern nach ihm hindeutete. Franz streckte die Arme aus, als wenn er etwas Unsichtbares an sein ungeduldiges Herz drücken wollte, als möchte er nun erfassen und festhalten, wonach ihn die Sehnsucht so lange gedrängt. Die Wolken zogen unten am Horizont durch den blauen Himmel, die Widerscheine und die Schatten streckten sich auf den Wiesen aus und wechselten mit ihren Farben, fremde Wundertöne gingen den Berg hinab, und Franz fühlte sich wie ein Gebannter festgehalten, den die zaubernde Gewalt stehen heißt, und der sich dem unsichtbaren Kreise, trotz allen Bestrebens, nicht entreißen kann.
»O unmächtige Kunst!« rief er aus und setzte sich auf eine grüne Felsenbank nieder: »wie lallend und kindisch sind deine Töne gegen den vollen harmonischen Orgelgesang, der aus den innersten Tiefen, aus Berg und Tal und Wald und Stromesglanz in schwellenden, steigenden Akkorden heraufquillt! Ich höre, ich vernehme, wie der ewige Weltgeist mit meisterndem Finger die furchtbare Harfe mit allen ihren Klängen greift, wie die mannigfaltigsten Gebilde sich seinem Spiel erzeugen, und über die ganze Natur mit geistigen Flügeln ausbreiten. Die Begeisterung meines kleinen Menschenherzens will hineingreifen, und ringt sich müde und matt im Kampfe mit dem Hohen, der die Natur leise lieblich regiert, und mein Händeringen nach ihm, mein Winken nach Hülfe in dieser Allmacht der Schönheit still belächelt. Die unsterbliche Melodie jauchzt, jubelt und stürmt über mich hinweg, zu Boden geworfen schwindelt mein Blick und starren meine Sinnen. O ihr Törichten! die ihr der Meinung seid, die allgewaltige Natur lasse sich verschönen, wenn ihr mit Kunstgriffen und kleinlicher Hinterlist eurer Ohnmacht zu Hülfe eilt! Was könnt ihr anders, als uns die Natur nur ahnden lassen, wenn uns die Natur die Ahndung der Gottheit gibt? Nicht Ahndung, nicht Vorgefühl, urkräftige Empfindung selbst, sichtbar wandelt hier auf Höhen und Tiefen die Religion, empfängt und trägt mir[888] gütigem Erbarmen auch meine Anbetung. Die Hieroglyphe, die das Höchste, die Gott bezeichnet, liegt da vor mir in tätiger Wirksamkeit, in Arbeit, sich selber aufzulösen und auszusprechen, ich fühle die Bewegung, das Rätsel im Begriff zu schwinden – und fühle meine Menschheit. – Die höchste Kunst kann sich nur selbst erklären, sie ist ein Gesang, deren Inhalt nur sie selbst zu sein vermag.«
Ungern verließ Sternbald seine Begeisterung, und die Gegend, die ihn entzückt hatte, ja er trauerte über diese Worte, über diese Gedanken, die er ausgesprochen, daß er sie nicht immer in frischer Kraft aufbewahren könne, daß neue Eindrücke und neue Gedanken diese Empfindungen vertilgen oder überschütten würden.
Ein dichter Wald empfing ihn auf der Höhe, er warf oft den Blick zurück und schied ungern, als wenn er das Leben verließe. Der einsame Schatten erregte ihm gegen die freie Landschaft eine beklemmende Empfindung. Als er kaum eine halbe Stunde gegangen war, stand er vor einer kleinen Hütte, die offen war, in der er aber niemand traf. Ermüdet warf er sich unter einen Baum, und betrachtete die beschränkte Wohnung, das dürftige Gerät, mit vieler Rührung eine alte Laute, die an der Wand hing, und auf der eine Saite fehlte. Paletten und Farben lagen und standen umher, so wie einige Kleidungsstücke; Sternbald war wie in die uralte Zeit versetzt, von der wir so gern erzählen hören, wo die Tür noch keinen Riegel kennt, wo noch kein Frevler des andern Gut betastet hat.
Nach einiger Zeit kam der alte Maler zurück; er wunderte sich gar nicht, einen Fremdling vor seiner Schwelle anzutreffen, sondern ging in seine Hütte, räumte auf, und spielte dann auf der Zither, als wenn niemand zugegen wäre. Franz betrachtete den Alten mit Verwunderung, der indessen wie ein Kind in seinem Hause saß, und zu erkennen gab, wie wohl ihm in seiner kleinen Heimat sei, unter den befreundeten, wohlbekannten Tönen seines Instrumentes. Als er sein Spiel geendigt, packte er Kräuter, Moos und Steine aus seinen Taschen, und legte sie sorgfältig in kleine Schachteln zurecht, indem er jedes aufmerksam betrachtete. Über manches lächelte er, anderes schien er mit einiger Verwunderung anzuschauen, indem er die Hände zusammenschlug, oder ernsthaft den Kopf schüttelte. Immer noch sah er nach Sternbald nicht hin, bis dieser endlich in das kleine Haus trat, und ihm seinen Gruß anbot. Der alte Mann gab ihm die Hand, und nötigte ihn schweigend, sich niederzusetzen,[889] indem er sich weder verwunderte, noch ihn als einen Fremden genauer beachtete.
Die Hütte war mit mannigfaltigen Steinen aufgeputzt, Muscheln standen umher, durchmengt von seltsamen Kräutern, ausgestopften Tieren und Fischen, so daß das Ganze ein höchst abenteuerliches Ansehn erhielt. Stillschweigend holte der Alte unserm Freunde einige Früchte, die er ihm ebenfalls mit stummer Gebärde vorsetzte. Als Franz einige davon gegessen hatte, indem er immer den sonderbaren Menschen beobachtete, fing er mit diesen Worten das Gespräch an: »Ich habe mich schon seit lange darauf gefreut, Euch zu sehn, ich hoffe, Ihr zeigt mir auch einige von Euren Malereien, denn auf diese bin ich vorzüglich begierig, da ich mich selbst zur edlen Kunst bekenne.«
»Seid Ihr ein Maler?« rief der Alte aus, »nun wahrlich, so freut es mich, Euch hier zu sehn, seit lange ist mir keiner begegnet. Aber Ihr seid noch sehr jung, Ihr habt wohl schwerlich schon den rechten Sinn für die große Kunst.«
»Ich tue mein Mögliches«, antwortete Franz, »und will immer das Beste, aber ich fühle freilich wohl, daß das nicht zureicht.«
»Es ist immer schon genug«, rief jener aus; »freilich ist es nur wenigen gegeben, das Wahrste und Höchste auszudrücken, eigentlich können wir alle uns ihm nur nähern, aber wir haben unsern Zweck gewißlich schon erreicht, wenn wir das wollen und erkennen, was der Allmächtige in uns hineingelegt hat. Wir können in dieser Welt nur wollen, nur in Vorsätzen leben, das eigentliche Handeln liegt jenseits, und besteht gewiß aus den eigentlichsten, wirklichsten Gedanken, da in dieser bunten Welt alles in allem liegt. So hat sich der großmächtige Schöpfer heimlicher- und kindlicherweise durch seine Natur unsern schwachen Sinnen offenbart, er ist es nicht selbst, der zu uns spricht weil wir dermalen zu schwach sind, ihn zu verstehn; aber er winkt uns zu sich, und in jedem Moose, in jeglichem Gestein ist eine geheime Ziffer verborgen, die sich nie hinschreiben, nie völlig erraten läßt, die wir aber beständig wahrzunehmen glauben. Fast ebenso macht es der Künstler: wunderliche, fremde, unbekannte Lichter scheinen aus ihm heraus, und er läßt die zauberischen Strahlen durch die Kristalle der Kunst den übrigen Menschen entgegenspielen, damit sie nicht vor ihm erschrecken, sondern ihn auf ihre Weise verstehn und begreifen. Nun vollendet sich das Werk, und dem es offenbart ist liegt ein weites Land, eine unabsehliche Aussicht da, mit allem Menschenleben, mit himmlischem Glanz überleuchtet, und heimlich sind Blumen[890] hineingewachsen, von denen der Künstler selber nicht weiß, die Gottes Finger hineinwirkte, und die uns mit ätherischem Zauber anduften und uns still den Künstler als einen Liebling Gottes verkündigen. Seht, so denke ich über die Natur und über die Kunst.«
Franz erschrak vor sich selber, daß er aus dem Munde eines Mannes, den die übrigen Leute wahnsinnig nannten, seine eigensten Gedanken deutlich ausgesprochen hörte, so daß seine Ahndungen in anschaulichen Bildern vor ihm schwebten.
»Wie willkommen ist mir dieser Ton!« rief er aus, »so habe ich mich denn nicht geirrt, wenn ich mit dem stillen Glauben hier anlangte, daß Ihr mir behülflich sein würdet, mich aus der Irre zurechtzufinden.«
»Wir irren alle«, sagte der Alte, »wir müssen irren, und jenseit dem Irrtume liegt auch gewiß keine Wahrheit, beide stehn sich auch gewiß nicht entgegen, sondern sind nur Worte, die der Mensch in seiner Unbehülflichkeit dichtete, um etwas zu bezeichnen, was er gar nicht meinte. Versteht Ihr mich?«
»Nicht so ganz«, sagte Sternbald.
Der Alte fuhr fort: »Wenn ich nur malen, singen oder sprechen könnte, was mein eigentlichstes Selbst bewegt, dann wäre mir und auch den übrigen geholfen; aber mein Geist verschmäht die Worte und Zeichen, die sich ihm aufdrängen, und da er mit ihnen nicht hantieren kann, gebraucht er sie nur zum Spiel. So entsteht die Kunst, so ist das eigentliche Denken beschaffen.«
Franz erinnerte sich, daß Dürer einst diesen Gedanken mit fast den nämlichen Worten ausgedrückt habe. Er fragte: »Was haltet Ihr denn nun für das Höchste, wohin der Mensch gelangen könne?«
»Mit sich zufrieden sein«, rief der Alte, »mit allen Dingen zufrieden sein, denn alsdann verwandelt er sich und alles um sich her in ein himmlisches Kunstwerk, er läutert sich selbst mit dem Feuer der Gottheit.«
»Können wir es dahin bringen?« fragte Franz.
»Wir sollen es wollen«, fuhr jener fort, »und wir wollen es auch alle, nur daß vielen, ja den meisten, ihr eigner Geist auf dieser seltsamen Welt zu sehr verkümmert wird. Daraus entsteht, daß man so selten den andern, noch seltner sich selber innewird.«
»Ich suche nach Euren Gemälden«, sagte Sternbald, »aber ich finde sie nicht; nach Euren Gesprächen über die Kunst darf ich etwas Großes erwarten.«[891]
»Das dürft Ihr nicht«, sagte der Alte mit einigem Verdruß, »denn ich bin nicht für die Kunst geboren, ich bin ein verunglückter Künstler, der seinen eigentlichen Beruf nicht angetroffen hat. Es ergreift manchen das Gelüste, und er macht sein Leben elend. Von Kindheit auf war es mein Bestreben, nur für die Kunst zu leben, aber sie hat sich unwillig von mir abgewendet, sie hat mich niemals für ihren Sohn erkannt, und wenn ich dennoch arbeitete, so geschah es gleichsam hinter ihrem Rücken.«
Er öffnete eine Tür, und führte den Maler in eine andere kleine Stube, die voller Gemälde hing. Die meisten waren Köpfe, einige Landschaften, die wenigsten Historien. Franz betrachtete sie mit vieler Aufmerksamkeit, indes der alte Mann schweigend einen alten Vogelbauer ausbesserte. In allen Bildern spiegelte sich ein ernstes, strenges Gemüt, die Züge waren bestimmt, die Zeichnung scharf, auf Nebendinge gar kein Fleiß gewendet, aber auf den Gesichtern schwebte ein Etwas, das den Blick zugleich anzog und zurückstieß, bei vielen sprach aus den Augen eine Heiterkeit, die man wohl grausam hätte nennen können, andre waren seltsamlich entzückt, und erschreckten durch ihre furchtbare Miene; Franz fühlte sich unbeschreiblich einsam, vollends wenn er aus dem kleinen Fenster über die Berge und Wälder hinübersah, wo er auf der fernen Ebene keinen Menschen, kein Haus unterscheiden konnte.
Als Franz seine Betrachtung geendigt hatte, sagte der Alte: »Ich glaube, daß Ihr etwas Besondres an meinen Bildern finden mögt, denn ich habe sie alle in einer seltsamen Stimmung verfertigt. Ich mag nicht malen, wenn ich nicht deutlich und bestimmt vor mir sehe, was ich darstellen will. Wenn ich nun manchmal im Schein der Abendsonne vor meiner Hütte sitze, oder im frischen Morgen, der die Berge hinab, über die Fluren geht, dann rauschen oft die Bildnisse der Apostel, der heiligen Märtyrer hoch oben in den Bäumen, sie sehen mich mit allen ihren Mienen an, wenn ich zu ihnen bete, und fordern mich auf, sie abzuzeichnen. Dann greife ich nach den Farben, und mein bewegtes Gemüt, von der Inbrunst zu den hohen Männern, von der Liebe zur verflossenen Zeit ergriffen, schattet die Trefflichkeiten mit irdischen Farben hin, die in meinem Sinn, vor meinen Augen erglänzen.«
»So seid Ihr ein glücklicher Mann«, sagte Franz, der über diese Rede erstaunte.
»Der Künstler«, sagte der Alte, »sollte nach meinem Urteile niemals anders arbeiten; und was ist seine Begeisterung denn[892] anders? Dem Maler muß alles wirklich sein; denn was ist es sonst, das er darstellen will? Sein Gemüt muß wie ein Strom bewegt sein, so daß sich seine innere Welt bis auf den tiefsten Grund erschüttert, dann ordnen sich aus der bunten Verwirrung die großen Gestalten, die er seinen Brüdern offenbart. Glaube mir, noch nie ist ein Künstler auf eine andre Art begeistert gewesen; man spricht von dieser Begeisterung so oft, als von einem natürlichen Dinge, aber sie ist durchaus unerklärlich, sie kömmt, sie geht, gleich dem ersten Frühlingslichte, das unvermutet aus den Wolken niederkömmt, und oft, ehe du es genießest, zurückgeflohen ist.«
Franz sah den Alten verlegen an, er war ungewiß, ob Wahnsinn oder die Sprache der Begeisterung aus ihm rede.
»Zuweilen«, fuhr der Alte fort, »erregt mich auch die umgebende Natur, daß ich mich in der Kunst üben muß. Es ist mir aber bei allen meinen Versuchen niemals um die Natur zu tun, sondern ich suche den Charakter oder die Physiognomie herauszufühlen, und irgendeinen frommen Gedanken hineinzulegen, der das Bild dadurch in eine schöne Historie verwandelt.«
Er machte hierauf den jungen Maler auf eine Landschaft aufmerksam, die etwas abseits hing. Es war eine Nachtszene, Wald, Berg und Tal lag in fast unkenntlichen Massen durcheinander, schwarze Wolken tief vom Himmel herunter. Ein Pilgrim ging durch die Nacht, an seinem Stabe, an seinen Muscheln am Hute kennbar: um ihn zog sich das dichteste Dunkel, er selber nur von verstohlenen Mondstrahlen erschimmert; ein finsterer Hohlweg deutete sich an, oben auf einem Hügel von fernher glänzte ein Kruzifix, um das sich die Wolken teilten; ein Strahlenregen vom Monde ergoß sich, und spielte um das heilige Zeichen.
»Seht«, rief der Alte, »hier habe ich das zeitliche Leben, und die überirdische, himmlische Hoffnung malen wollen; seht den Fingerzeig, der uns aus dem finstern Tal herauf zur mondglänzenden Anhöhe ruft. Sind wir etwas weiter, als wandernde, verirrte Pilgrime? Kann etwas unsern Weg erhellen, als das Licht von oben? Vom Kreuze her dringt mit lieblicher Gewalt der Strahl in die Welt hinein, der uns belebt, der unsere Kräfte aufrechthält. Hier habe ich gesucht, die Natur wieder zu verwandeln, und das auf meine menschliche künstlerische Weise zu sagen, was die Natur selber zu uns redet; ich habe hier ein sanftes Rätsel niedergelegt, das sich nicht jedem entfesselt, das aber doch leichter zu erraten steht, als jenes erhabene, das die Natur als Bedeckung um sich schlägt.«[893]
»Man könnte«, antwortete Franz, »dieses Gemälde ein allegorisches nennen.«
»Alle Kunst ist allegorisch«, sagte der Maler. »Was kann der Mensch darstellen, einzig und für sich bestehend, abgesondert und ewig geschieden von der übrigen Welt, wie wir die Gegenstände vor uns sehn? Die Kunst soll es auch nicht: wir fügen zusammen, wir suchen dem einzelnen einen allgemeinen Sinn aufzuheften, und so entsteht die Allegorie. Das Wort bezeichnet nichts anders als die wahrhafte Poesie, die das Hohe und Edle sucht, und es nur auf diesem Wege finden kann.«
Unter diesen Gesprächen war ein Hänfling unvermerkt aus seinem Käfige entwischt, denn der Alte hatte die Tür in der Zerstreuung offen gelassen. Er schrie erschreckend auf, als er seinen Verlust bemerkte, er suchte umher, er öffnete das Fenster, und lockte pfeifend und liebkosend den Flüchtigen, der nicht wiederkam. Er konnte sich auf keine Weise zufriedengeben, und hörte auf Sternbalds Worte nicht, der ihn zu trösten suchte.
Sternbald sagte, um ihn zu zerstreuen: »Ich glaube es einzusehn, wie Ihr über diese Landschaft denkt, und mir scheint, Ihr habt recht. Ich will nicht Bäume und Berge abschreiben, sondern mein Gemüt, meine Stimmung, die mich in dieser Stunde regiert, diese will ich mir selber festhalten, und den übrigen Verständigen mitteilen.«
»Ganz gut«, rief der Alte aus, »aber was kümmert mich das jetzt, da mein Hänfling auf und davon ist?«
»War er Euch denn so lieb?« fragte Franz.
Der Alte sagte verdrießlich: »So lieb, wie mir alles ist, was ich liebe; ich mache da eben nicht sonderliche Unterschiede. Ich denke an seinen schönen Gesang, an seine Freundschaft, die er mir immer bewies, warum ich mir auch diese Treulosigkeit um so weniger vermutete. Nun ist sein Gesang nicht mehr für mich, sondern er durchfliegt den Wald, und dieser einzelne, mir so bekannte Vogel vermischt sich mit den übrigen seines Geschlechts. Ich gehe vielleicht einmal aus und höre ihn, und sehe ihn, und kenne ihn doch nicht wieder, sondern halte ihn für eine ganz fremde Person. So haben mich schon so viele Freunde verlassen. Ein Freund, der stirbt, tut auch nichts weiter, als daß er sich wieder mit der großen allmächtigen Erde vermischt, und mir unkenntlich wird. So sind sie auch in den Wald hineingeflogen, die ich sonst wohl kannte, so daß ich sie nun nicht wieder herausfinden kann. Wir sind Toren, wenn wir sie verloren wähnen, Kinder, die schreien und jammern, wenn die Eltern mit[894] ihnen Versteckens spielen, denn das tun die Gestorbenen nur mit uns, der kurze Augenblick zwischen Jetzt und dem Wiederfinden ist nicht zu rechnen. Und daß ich das Gleichnis vollende: so ist Freundschaft auch wohl einem Käfige gleich, ich trenne den Vogel von den übrigen, um ihn zu kennen und zu lieben, ich umgebe ihn mit einem Gefängnisse, um ihn mir so recht eigentlich abzusondern. Der Freund sondert den Freund von der ganzen übrigen Welt, und hält ihn in seinen ängstlichen Armen eingeschlossen; er läßt ihn nicht zurück, er soll nur für ihn so gut, so zärtlich, so liebevoll sein, die Eifersucht bewacht ihn vor jeder fremden Liebe, verlöre jener sich im Strudel der allgemeinen Welt, so wäre er auch dem Freunde verloren und abgestorben. – Sieh her, mein Sohn, er hat sein Futter nicht einmal verzehrt, so lieb ist es ihm gewesen, mich zu verlassen. Ich habe ihn so sorgfältig gepflegt, und doch ist ihm die Freiheit lieber.«
»Ihr habt die Menschen gewißlich recht von Herzen geliebt!« rief Sternbald aus.
»Nicht immer«, sagte jener, »die Tiere stehen uns näher, denn sie sind wie kindische Kinder, deren Liebe unterhalten sein will, weil sie ungewiß und unbegreiflich ist, mit den Menschen rechnen wir gern, und wenn wir Bezahlung wahrnehmen, vermissen wir schon die Liebe; gegen Tiere sind wir duldend, weil sie unsre Trefflichkeiten nicht bemerken können, und wir ihnen dadurch immer wieder gleichstehn; indem wir aber ihre dumpfe Existenz fühlen und einsehen, entsteht eine magische Freundschaft, aus Mitleiden, Zuneigung, ja, ich möchte sagen, aus Furcht gemischt, die sich durchaus nicht erklären läßt. Wollt Ihr mir folgen, junger Mensch, so will ich Euch kürzlich etwas von mir erzählen, damit Ihr begreift, wie ich hiehergeraten bin.«
Sie verließen die Hütte und setzten sich in den Schatten eines alten Baumes, und der Maler fing darauf mit folgenden Worten an:
»Ich bin in Italien geboren und heiße Anselm. Weiter kann ich Euch eben von meiner Jugend nichts sagen. Meine Eltern starben früh, und hinterließen mir ein kleines Vermögen, das mir zufiel, als ich mündig war. Meine Jugend war wie ein leichter Traum verflogen, keine Erinnerung war in meinem Gedächtnisse gehaftet, ich hatte nicht eine Erfahrung gemacht. Aber ich hatte die entflohene Zeit auf meine Art genossen, ich war immer zufrieden und vergnügt gewesen.
Jetzt nahm ich mir vor, in das Leben einzutreten, und auch, wie andere, einen Platz auszufüllen, damit von mir die Rede sei,[895] daß ich geachtet würde. Schon von meiner Kindheit hatte ich in mir einen großen Trieb zur Kunst gespürt, die Malerei war es, die meine Seele angezogen hatte, der Ruhm der damaligen Künstler begeisterte mich. Ich ging nach Perugia, weil dort Pietro in besonderem Rufe stand, und seine Bilder in ganz Italien gesucht wurden, ihm wollte ich mich in die Lehre geben. Aber bald ermüdete meine Geduld, ich lernte junge Leute kennen, deren ähnliche Gemütsart mich zu ihrem vertrauten Freunde machte. Wir waren lustig miteinander, wir sangen, wir tanzten und scherzten, an die Kunst ward wenig gedacht.«
Franz fiel ihm in die Rede, indem er fragte: »Könnt Ihr Euch vielleicht erinnern, ob damals bei diesem Meister Pietro auch Raffael in der Lehre stand? Raffael Sanzio?«
»Mir dünkt«, sagte der Alte, »es kam in der letzten Zeit, als ich dort war, ein unbedeutender Knabe dieses Namens zu ihm, und ich verwundre mich, daß Ihr den Namen so eigentlich wißt.«
»Und ich erstaune über Eure Worte«, rief Sternbald aus. »So wißt Ihr es denn gar nicht, daß dieser Knabe seitdem der erste von allen Malern geworden ist? daß jedermann seinen Namen im Munde führt? Er ist seit einem Jahre gestorben, und alle Künstler in Europa trauern über seinen Verlust; wo Menschen wohnen, die die Kunst kennen, da ist auch er gekannt, denn noch keiner hat die Göttlichkeit der Malerei so tief ergründet.«
Anselm war eine Weile in sich gekehrt, dann brach er aus: »O wunderbare Vergangenheit! Wo ist all mein Bestreben geblieben, wie ist es gekommen, daß dieser mir Unbekannte meine innigsten Wünsche ergriffen und zu seinem Eigentume gemacht hat? Ja, ich habe wahrlich umsonst gelebt. Doch, es sei, weil es ist, ich will fortfahren, von mir zu sprechen.
Damals schien die ganze Welt glänzend in mein junges Leben hinein, ich erblickte auf allen Wegen Freundschaft und Liebe. Unter den Mädchen, die ich kennenlernte, zog eine besonders meine ganze Aufmerksamkeit an sich, ich liebte sie innig, nach einigen Wochen war sie meine Gattin. Ich hemmte meine Freude und Entzückungen durch nichts, ein blendender, ungestörter Strom war mein Lebenslauf. In der Gesellschaft der Freunde und der Liebe, vom Wein erhitzt, war es mir oft, als wenn sich wunderbare Kräfte in meinem Innersten entwickelten, als beginne mit mir die Welt eine neue Epoche. In den Stunden, die mir die Freude übrigließ, legte ich mich wieder auf die Kunst, und es war zuweilen, als wenn vom Himmel herab goldene Strahlen in mein Herz hineinschienen, und alle meine Lebensgeister erläuterten[896] und erfrischten. Dann drohte ich mir gleichsam mit ungebornen und unsterblichen Werken, die meine Hand noch ausführen sollte, ich sah auf die übrige Kunst, wie auf etwas Gemeines und Alltägliches hinab, ich wartete selber mit Sehnsucht auf die Malereien, durch die sich mein hoher Genius ankündigen würde. Diese Zeit war die glücklichste meines Lebens. Sie war die meines wildesten Wahnsinns.
Indessen war mein kleines Vermögen aufgegangen. Meine Freunde wurden kälter, meine Freude erlosch, meine Gattin war krank und ihrer Entbindung nahe, und ich fing an, an meinem Kunsttalent zu zweifeln. Wie ein dürrer Herbstwind wehte es durch alle meine Empfindungen, wie ein Traum wurde mein frischer Geist von mir entrückt. Meine Not ward größer, ich suchte Hülfe bei meinen Freunden, die mich verließen, die sich bald ganz von mir entfremdeten. Ich hatte geglaubt, ihr Enthusiasmus würde nie erlöschen, es könne mir an Glück niemals mangeln, und nun sah ich mich plötzlich einsam. Ich erschrak, daß mir mein Streben als etwas Törichtes erschien, ja daß ich in meinem Innersten ahndete, ich hätte die Kunst niemals geliebt.
Ach, wenn ich an jene drückenden Monate zurückdenke! Wie sich nun in meinem Herzen alles entwickelte, wie grausam sich die Wirklichkeit von meinen Phantasieen losarbeitete und trennte! Ich versuchte die schmählichsten Mittel, mir zu helfen, und fristete mich dadurch kaum von einem Tage zum andern hin. Nun fühlte ich das Treiben der Welt, nun lernte ich die Not kennen, die meine armen Brüder mit mir teilten. Vorher hatte ich die menschliche Tätigkeit, diese mitleidswürdige Arbeitseligkeit verachtet, mit Tränen in den Augen verehrte ich sie jetzt, ich schämte mich vor dem zerlumpten Tagelöhner, der im Schweiße seines Angesichtes sein tägliches Brot erwirbt, und nicht höher hinaus denkt, als wie er morgen von neuem beginnen will. Vorher hatte ich in der Welt die schönen Formen mit lachenden Augen aufgesucht und mir eingeprägt, jetzt sah ich im angespannten Pferde und Stiere nur die Sklaverei, die Dienstbarkeit, die den Landmann ernährte; ich sah neidisch in die kleinen schmutzigen Fenster der Hütten hinein, nicht mehr um seltsame poetische Ideen anzutreffen, sondern um den Hausstand und das Glück dieser Familien zu berechnen. Oh, ich errötete, wenn man das Wort Kunst aussprach, ich fühlte mich selbst unwürdig, und dasjenige, was mir vorher als das Göttlichste erschien, kam mir nun als ein müßiges, zeitverderbendes Spielwerk vor, als eine[897] Anmaßung über die leidende und arbeitende Menschheit. Ich war meines Daseins überdrüssig.
Einer meiner Freunde, der mir vielleicht geholfen hätte, war in ferne Lande weit weg verreist. Ich überließ mich der Verzweiflung. Meine Gattin starb im Wochenbette, das Kind war tot. Ich lag in der Kammer nebenan, und alles erlosch vor meinen Augen. Alles, was mich geliebt hatte, trat in einer fürchterlichen Gleichgültigkeit auf mich zu: alles, was ich für mein gehalten hatte, nahm wie Fremdling von mir auf immer Abschied.
Die Gestalten der Welt, alles, was sich je in meinem Innern bewegt hatte, verwirrte sich verwildert durcheinander. Es war, als wenn ich mich verlor, und das Fremdeste, mir bis dahin Verhaßteste mein Selbst würde. So rang ich im Kampfe, und konnte nicht sterben, sondern verlor nur meine Vernunft. Ich wurde wahnsinnig, wie ich nachher gehört habe. Ich weiß nicht, wo ich mich herumtrieb, was mir damals begegnet ist. In einer kleinen Kapelle einige Meilen von hier fand ich zuerst mich und meine Besinnung wieder. Wie man aus einem Traume erwacht, und einen längst vergessenen Freund vor sich stehen sieht, so seltsam überrascht, so durch mich erschreckt, war ich selber.
Seitdem wohne ich hier. Mein Gemüt ist dem Himmel gewidmet. Ich habe alles vergessen. Ich brauche wenig, und dies wenige besitze ich durch die Gutheit einiger Menschen.
Jetzt, im ruhigen Alter«, fuhr er nach einigem Stillschweigen fort, »ist die Natur mein vorzüglichstes Studium. Ich finde allenthalben wunderbare Bedeutsamkeit und rätselhafte Winke. Jede Blume, jede Muschel erzählt mir eine Geschichte, so wie ich Euch eine erzählt habe. Seht diese wunderbaren Moose. Ich weiß nicht, was alles dergleichen in der Welt soll, und doch besteht daraus die Welt. So tröste ich mich über mich und die übrigen Menschen. Die unendliche Mannigfaltigkeit der Gestalten, die sich bewegen, die gleichsam mehr ein Leben erstreben und andeuten, als wirklich leben, beruhigt mich, daß auch ich vielleicht so sein mußte, und mich von meiner Bahn niemals so sehr verirrt habe, als ich wohl ehemals wähnte.« –
Es war indessen spät geworden. Franz wollte gehen, ihm aber gern vorher etwas abkaufen, damit er ihm auf eine leichtere Art ein Geschenk machen könne. Er sah noch einmal umher, und begriff es selber nicht, wie ihm ein kleines Bild habe entgehen können, das er nun jetzt erst bemerkte. Es war das genaue Bildnis seiner Unbekannten, jeder Zug, jede Miene, soviel er sich nur erinnern konnte. Er nahm es hastig herab und verschlang es[898] mit den Augen, sein Herz klopfte ungestüm. Als er darnach fragte, erzählte der Alte, daß es eine junge Dame vorstelle, die er vor einem Jahre gemalt habe; sie habe ihn besucht, und ihr holdseliges Gesicht habe sich seinem Gedächtnisse dermaßen eingeprägt, daß er es nachher mit Leichtigkeit habe zeichnen können. Weitere Nachrichten konnte er von der Unbekannten nicht geben.
Franz bat um das Bild, das ihm der Alte gern bewilligte. Franz drückte ihm hierauf ein größeres Geschenk in die Hand, als er ihm anfangs zugedacht hatte. Der Alte steckte es ein, ohne die Goldstücke nur zu besehen, dann umarmte er ihn und sagte: »Bleibe immer herzlich und treu gesinnt, mein Sohn, liebe deine Kunst und dich, dann wird es dir immer wohl gehen. Der Künstler muß sich selber lieben, ja verehren, er darf keiner nachteiligen Verachtung den Zugang zu sich verstatten. Sei in allen Dingen glücklich!«
Franz drückte ihn an seine Brust und ging dann den Berg hinunter.
Er war durch die Erzählung des alten Mannes wehmütig geworden, es leuchtete ihm ein, daß es ihm möglich sei, sich auch über seine Bestimmung zu irren, dabei war mit frischer Kraft das Andenken und das Bild seiner Geliebten in seine Seele zurückgekommen. Er langte im Schlosse an, indem er den Weg kaum bemerkt hatte, von der Gräfin war er schon vermißt, sie war auf ihr Bildnis begierig, und er mußte gleich am folgenden Morgen weitermalen. Franz fand sie an diesem Tage mutwilliger als je, sie scherzte und lachte, und auch Franz fühlte sich so vertraulich zu ihr, daß er ihr von seiner Wallfahrt zum alten Maler erzählte, dessen Geschichte er ihr kürzlich wiederholte. Die Gräfin sagte: »Nun wahrlich, der alte Einsiedler muß Euch auf eine ungemeine Art liebgewonnen haben, da er so viel mit Euch gesprochen hat, denn es ist sonst schon eine große Gefälligkeit, wenn er dem Fragenden nur ein einziges Wort erwidert, soviel ich aber weiß, hat er bisher noch keinem seine Geschichte erzählt.«
Franz zeigte ihr hierauf mir Zittern das Gemälde, das er gekauft harte. Die Gräfin sagte erstaunt: »Wie? Mein eignes Bild bringt Ihr mit herunter, junger Mann? Die Aufmerksamkeit ist schmeichelhaft für mich.« »Das Eurige?« rief Franz bestürzt und sich vergessend, und jetzt wurde ihm die Ähnlichkeit noch deutlicher, und auf einen Augenblick ließ er sich durch den Gedanken entsetzen, daß es möglich sei. »Ach!« sagte die Gräfin plötzlich,[899] und seufzte tief: »Nein, sie ist es, meine arme, unglückliche Schwester!«
»Eure Schwester?« sagte Franz erschrocken, »und Ihr nennt sie unglücklich?«
»Und mit Recht«, antwortete die Gräfin, »sie hat viel gelitten, jetzt ist sie seit neun Monaten tot.«
Franz verlor die Sprache, seine Hand zitterte, es war ihm unmöglich, weiterzumalen. Jene fuhr fort: »Sie trug und quälte sich mit einer unglücklichen Liebe, die ihr Leben wegzehrte; vor einem Jahre machte sie eine Reise durch Deutschland, um sich zu zerstreuen und gesunder zu werden, aber sie reiste in ihre Heimat zurück und starb. Der Alte hat sie damals gesehen, und wie ich jetzt erfahre, nachher gemalt.«
Franz war durch und durch erschüttert. Er stand auf und verließ den Saal. Er irrte umher, und warf sich endlich weinend an der dichtesten Stelle des Gehölzes nieder: die Worte, die ihn betäubt hatten, schallten noch immer in sein Ohr. – »So ist sie denn auf ewig mir verloren, die niemals mein war!« rief er aus. »O wie hart ist die Weise, mit der mich das Schicksal von meinem Wahnsinn heilen will! O ihr Blumen, ihr süßen Worte, die ihr mir so erfreulich wart! Du holdselige Schreibtafel, ihr Erinnerungen, ach! nun ist alles vorüber! Von diesem Tage, von heut ist meine Jugend beschlossen, alle jungen Wünsche, alle liebreizenden Hoffnungen verlassen mich nun, alles ruht tief im Grabe. Nun ist mein Leben kein Leben, mein Ziel, nach dem ich strebte, ist hinweggenommen, ich bin einsam. Das Haupt, das meine Sonne war, nach dem ich mich wie die Blume wandte, liegt nun unkenntlich im Grabe. Ja, Anselm, sie ist nun auch in den großen weiten Wald wieder hineingeflogen, meine liebste Sängerin, die ich so gern an diesem Herzen beherbergt hätte, aller Gesang erinnert mich nur an sie, die fließenden Waldbäche hier ermuntern mich, immerfort zu weinen, so wie sie selber tun. Was soll mir Kunst, was Ruhm, wenn sie nicht mehr ist, der ich alles zu Füßen legen wollte?«
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro