Dreizehnter Auftritt.

[49] Meeresufer bei Tarragona.


TISBEA eine Angelruthe in der Hand.

So vieler Mägdelein

Jasmin- und Rosenfüßchen

Am Strand hier küßt die Welle,

Von allen doch allein

Bin ich nur frei der Liebe,

Bin ich allein beglückt;

Und strengen Sinns verschmäh' ich

Ihr Band, das Thoren drückt.

Hier, wo die Sonne grüßend

Vom Schlaf die Wellen weckt,

Und heitres Blau sie anlacht,

Wenn Dunkel sie geschreckt;

Im zarten Sand des Ufers,

Der bald wie Perlen sprüht,

Und bald wie Sonnenstäubchen

Vom Gold der Strahlen glüht;

Hier lauschend auf der Vöglein

Zärtliche Liebesklagen,

Und auf der Quellen Wettstreit,

Die durch's Gestein sich jagen;

Bald mit der Angelruthe,

Die schwankend sich gebogen

Vom Fang des dummen Fischleins,

Das zappelnd peitscht die Wogen;

Bald mit dem breiten Netze,

Das Alles fängt zumal,

Was in den dunkeln Wellen

Tief wohnt im Muschelsaal:

Hier kann in Ruh die Seele

Der Freiheit Lust erwerben; –[49]

Des Basilisken Liebe

Kann ja kein Gift verderben! –

Und wenn der Mägdlein tausend

Vergehn in Liebesleid,

Wie ich sie All' verlache,

So bin ich Aller Neid.

O Glück, daß du mich, Liebe,

Schonend vorübergehst!

Wenn du nicht gar mein Hüttchen,

Weil es so klein, verschmähst.

Nur Obelisken zieren's

Von Stroh, ländliche Kronen,

Wo tolle Turteltäubchen,

Cicaden traulich wohnen.

In Stroh hüll' ich die Ehre,

Wie Frucht, von Saft geschwellt;

Wie Glas in Stroh man hüllet,

Damit es nicht zerschellt.

Die Fischer all, die schützet

An diesem Silberstrande

Das kühne Tarragona

Vor der Piraten Bande,

Entzück' ich und verschmäh' ich,

Fühllos bei ihren Plagen,

Grausam bei ihrem Flehen,

Ein Fels bei ihren Klagen.

Anfriso, dem vor Allen

Des Himmels mächt'ge Hand

An Leib und Seele Gaben

In Fülle zugewandt;

Gewohnt, nur karg mit Worten,

Mit Thaten reich zu zahlen,

Verschmähung sanft zu tragen,

Und still zu dulden Qualen: –

In eisiger Nacht umschweift er

Mein schweigendes Gemach,[50]

Verjünget, trotz dem Winter,

Mein strohbedecktes Dach;

Mit grüner Ulmen Zweigen

Schmückt er es mannigfach:

So wacht es auf, umgürtet

Von Liebesschmeichelei.

Bald auch mit süßer Zither

Und klingender Schalmei

Bringt er mir manches Ständchen;

Doch bleib' ich Eis dabei.

Die Liebe streng beherrschend,

Tyrannin aller Herzen,

Ist Wonne mir sein Leiden,

Und Stolz mir seine Schmerzen.

Die Mädchen all ersterben

Um ihn in Liebesnoth;

Ich gebe durch Verschmähung

Allstündlich ihm den Tod.

'S ist ja die Art der Liebe,

Daß man nach Herzen trachtet,

Die hassen, und verschmähet

Ein Herz, das glühend schmachtet;

Sie stirbt, wenn man ihr schmeichelt,

Lebt, wenn man sie verachtet.

So leb' ich froh, weil nimmer

Von Schmeichelei bethört,

Die Jahre meiner Jugend

Kein Pfeil der Liebe stört. – –

Doch nicht mit loser Rede

Will ich die Zeit verbringen,

Nicht meine Arbeit stören

Mit so unwicht'gen Dingen.

Ich geb' zum Spiel den Lüften

Der Angel dünnes Rohr;

Dem Mund des blöden Fischleins

Werf' ich den Köder vor.[51]

– – Doch sieh! zwei Männer springen

Aus jenem Schiff ins Meer,

Eh es die Flut verschlinget.

Von dorten kam es her;

Nun hängt es an den Klippen,

Vom Strudel umgetrieben.

Wie sein Verdeck, sein Prachtbau,

Im Augenblick zerstieben!

Die Flut dringt ein zur Seite;

Sein Mastkorb geht verloren:

Den haben sich die Winde

Zum Wohnsitz auserkoren;

Fürwahr, ein rechter Wohnsitz

Für derlei wilde Thoren!

CATALINON hinter der Bühne.

Ich sinke! helft!

TISBEA.

Ein Jüngling

Bewältigt kühn die Flut,

Dem Rufenden zu helfen;

O edler Heldenmuth!

Er nimmt ihn auf die Schultern;

Als ein Aeneas er,

Als ein Anchises Jener,

Wenn Troja ist das Meer.

Er theilt mit Kraft die Wogen;

Das nenn' ich kühn geschwommen!

Doch seh' am Strand ich Niemand,

Seh' keine Hilfe kommen.

Herbei, Anfriso, Alfred,

Tirseo! helft! Mich sehen

Die Fischer dort; o könnten

Sie meinen Ruf verstehen!

– O Wunder! Beide landen;[52]

Doch sinkt ohn' Athemzug

Der Jüngling; Jener lebet,

Den er ans Ufer trug.


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 49-53.
Lizenz:

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon