Siebzehnter Auftritt.

[130] Don Juan. Don Gonzalo's Standbild.


DON JUAN.

Schon ist die Thür verschlossen;

Erwartend steh' ich da. Sag' dein Begehr,

Du Schatten, Scheinbild, oder Traumgesicht!

Wenn du in Qualen wandelst, oder wenn

Heilmittel du bedarfst für deine Seele,

So sprich; ich gebe dir mein Wort, ich thue,

Was du gebeutst. Bist du im Stand der Gnade?

Gab ich in deinen Sünden dir den Tod?

Sprich; alle meine Geister sind gespannt.

DON GONZALO mit dumpfem Grabeston.

Wirst du ein Wort als Edelmann mir halten?[130]

DON JUAN.

Ich bin ein Mann von Ehre, und mein Wort

Erfüll' ich; denn ich bin ein Edelmann.

DON GONZALO.

So reiche deine Hand mir; zittre nicht.

DON JUAN.

Das sagst du mir? Ich zittern? Wärst du auch

Die Hölle selbst, ich gäbe dir die Hand.


Giebt sie ihm.


DON GONZALO.

Bei dieser Hand und deinem Worte, morgen

Erwart' ich dich um zehn zum Abendessen;

Wirst du erscheinen?

DON JUAN.

O, ich meinte wohl,

Du würdest Größeres begehren. Morgen

Bin ich dein Gast. Und wohin lädst du mich?

DON GONZALO.

In meine Gruftkapelle.

DON JUAN.

Soll ich dich

Allein besuchen?

DON GONZALO.

Nein, kommt alle Beide;

Und halte mir dein Wort, wie ich's gehalten.

DON JUAN.

Glaub' mir, ich halt' es; denn ich bin Tenorio.

DON GONZALO.

Und ich Ulloa.

DON JUAN.

Pünktlich, zweifle nicht,

Find' ich mich ein.

DON GONZALO.

Ich glaub' es; Gott befohlen.


Geht langsam nach der Thüre.[131]


DON JUAN.

Geduld, ich will dir leuchten.

DON GONZALO.

Leuchte nicht;

Ich bin im Stand der Gnade.


Don Gonzalo entfernt sich, beständig den Blick auf Don Juan geheftet, während Don Juan ihn ebenso anstarrt, bis Don Gonzalo die Bühne verlassen.


Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 130-132.
Lizenz:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon