19

[87] Als Anna eintrat, saß Dolly in einem kleinen Wohnzimmer mit einem hellblonden, dickbäckigen Knaben zusammen, der schon jetzt seinem Vater sehr ähnlich sah, und hörte ihm seine Aufgaben aus dem französischen Lesebuche ab. Der Knabe las und drehte dabei mit den Fingern einen Knopf seiner Jacke herum, der kaum noch daran festhing, und bemühte sich, ihn ganz abzureißen. Die Mutter hatte ihm schon mehrere Male die Hand davon weggenommen; aber das dicke Händchen faßte immer wieder nach dem Knopfe. Die Mutter riß den Knopf ab und steckte ihn in die Tasche.

»Du mußt die Hände still halten, Grigori«, sagte sie und griff wieder nach ihrer Decke, einer Arbeit, die sie schon vor langer Zeit angefangen hatte und die sie immer in schweren Stunden zur Hand nahm; auch jetzt häkelte sie nervös daran, indem sie bald mit dem Finger hin und her schlug, bald die Maschen zählte. Obgleich sie tags zuvor ihrem Manne hatte sagen lassen, daß es sie nichts weiter angehe, ob seine Schwester komme oder nicht, so hatte sie doch alles für ihre Ankunft vorbereitet und erwartete ihre Schwägerin in großer Aufregung.

Dolly war von ihrem Kummer niedergebeugt und konnte kaum an etwas anderes denken. Aber dennoch überlegte sie, daß ihre Schwägerin Anna die Frau eines der einflußreichsten Männer in Petersburg und selbst eine Petersburger grande dame sei. Und infolgedessen brachte sie das, was sie ihrem Manne angekündigt hatte, nicht zur Ausführung, das heißt, sie ignorierte[87] die Ankunft ihrer Schwägerin nicht. ›Schließlich hat ja Anna dabei keine Schuld‹, dachte Dolly. ›Ich weiß von ihr nur Gutes und habe persönlich von ihr nur Liebes und Freundliches erfahren.‹ Allerdings hatte ihr, soweit sie sich des Eindrucks erinnern konnte, den sie in Petersburg bei Karenins empfangen hatte, dieses Haus selbst nicht gefallen; in der gesamten Einrichtung ihres Familienlebens war ein gewisser Mangel an Offenheit spürbar gewesen. ›Aber warum sollte ich sie nicht empfangen? Wenn sie sich nur nicht beikommen läßt, mich trösten zu wollen!‹ dachte Dolly. ›Alle möglichen Trostgründe und Ermahnungen, und daß es Christenpflicht ist, zu verzeihen, das alles habe ich ja schon tausendmal überdacht; aber das alles hilft mir nichts.‹

Alle diese Tage her war Dolly mit ihren Kindern allein gewesen. Mit jemandem über ihren Kummer reden, das mochte sie nicht, und mit diesem Kummer auf dem Herzen von anderen Dingen zu sprechen, dazu war sie nicht imstande. Aber sie wußte, daß sie Anna gegenüber auf die eine oder andere Weise dazu kommen werde, sich völlig auszusprechen, und bald freute sie der Gedanke daran, wie sie das alles aussprechen werde, bald war es ihr kränkend, daß sie über ihre Demütigung mit ihr, seiner Schwester, sprechen und von ihr billige tröstende und ermahnende Redensarten werde anhören müssen.

Wie das oft vorkommt, erwartete sie sie, fortwährend nach der Uhr blickend, jeden Augenblick und verpaßte dabei gerade den Augenblick, da der Besuch kam, so daß sie das Klingeln nicht hörte.

Anna war bereits in der Tür, als Dolly das Rascheln eines Frauenkleides und das Geräusch leichter Schritte hörte; sie blickte sich um, und auf ihrem abgehärmten Gesichte zeigte sich ein Ausdruck nicht sowohl der Freude wie der Überraschung. Sie stand auf und umarmte ihre Schwägerin.

»Wie? Du bist schon da?« sagte Dolly und küßte sie.

»Wie freue ich mich, dich wiederzusehen, Dolly!«

»Ich freue mich auch«, antwortete Dolly mit einem schwachen Lächeln und suchte aus Annas Gesichtsausdruck zu erkennen, ob sie schon alles wisse. ›Sicherlich weiß sie es‹, dachte sie, als sie auf Annas Gesicht einen Ausdruck mitleidiger Teilnahme bemerkte. »Nun komm, ich will dich in dein Zimmer führen«, fuhr sie fort, bemüht, den Augenblick der Aussprache möglichst hinauszuschieben.

»Ist das Grigori? Mein Gott, wie ist der Junge gewachsen!« sagte Anna und küßte ihn, ohne die Augen von Dolly abzuwenden.[88] Sie blieb stehen und sagte errötend? »Ach, laß uns doch noch ein Weilchen hierbleiben!«

Sie nahm das Tuch und den Hut ab, und da sie mit diesem an einer Strähne ihres schwarzen, durchweg lockigen Haares hängenblieb, so schüttelte sie mit dem Kopfe und machte dadurch das Haar wieder los.

»Du strahlst ja nur so von Glück und Gesundheit!« sagte Dolly beinahe neidisch.

»Ich? – O ja«, versetzte Anna. »Mein Gott, da ist ja Tanja!« wandte sie sich dem kleinen Mädchen zu, das hereingelaufen kam. »Sie ist ebenso alt wie mein Sergei«, fügte sie hinzu, nahm sie bei der Hand und küßte sie. »Ein reizendes Kind, ganz reizend! Du mußt mir deine Kinderchen alle zeigen.«

Sie zählte sie auf und kannte nicht nur ihre Namen, sondern wußte auch ihr Alter nach Jahren und Monaten, und welchen Charakter ein jedes besaß, und welche Krankheiten die einzelnen durchgemacht hatten. Gegen dieses teilnehmende Interesse konnte Dolly ihr Herz nicht verschließen.

»Nun, dann wollen wir zu ihnen gehen«, sagte sie. »Mein Wasili schläft leider gerade.«

Nachdem sie die Kinder angesehen hatten, setzten sie sich, nun allein, im Wohnzimmer an den Kaffeetisch. Anna fingerte am Präsentierbrett umher und schob es dann von sich weg.

»Dolly«, hob sie an, »er hat mit mir gesprochen.«

Dolly wandte die Augen mit kaltem Blicke zu Anna hin. Sie erwartete jetzt erheuchelte Teilnahmsbezeigungen; aber Anna sagte nichts Derartiges.

»Dolly, liebe Dolly«, fuhr sie fort, »ich will weder ihn zu verteidigen noch dich zu trösten suchen; das ist unmöglich. Ich will dir nur einfach sagen, daß du mir so leid tust, mein Herzchen, von ganzer Seele leid!«

Unter den dichten Wimpern ihrer glänzenden Augen drängten sich Tränen hervor. Sie rückte näher an ihre Schwägerin heran und ergriff mit ihrer eigenen festen kleinen Hand die Dollys. Dolly rückte nicht von ihr weg; aber ihr Gesicht verlor seinen starren Ausdruck nicht. Sie erwiderte:

»Mich zu trösten, ist unmöglich. Nach dem, was vorgefallen ist, ist alles verloren, alles zerstört!«

Aber sobald sie das gesagt hatte, wurde der Ausdruck ihres Gesichtes plötzlich weicher. Anna hob die dürre, magere Hand Dollys in die Höhe, küßte sie und sagte:

»Aber Dolly, was ist nun zu tun, was ist nun zu tun? Wie verhält man sich am besten in dieser schrecklichen Lage? Das ist's, was nun erwogen werden muß.«[89]

»Es ist alles zu Ende; weiter kann ich nichts sagen«, antwortete Dolly. »Und, weißt du, das allerschlimmste ist, daß ich ihn nicht verlassen kann, der Kinder wegen; ich bin gebunden. Aber mit ihm länger zusammenleben, das kann ich auch nicht; es ist mir eine Qual, ihn zu sehen.«

»Dolly, liebe, gute Dolly, er hat es mir ja schon gesagt; aber ich möchte es doch auch von dir hören; bitte, sage mir alles!«

Dolly blickte sie fragend an.

Aufrichtige Teilnahme und herzliche Liebe waren auf Annas Gesicht zu lesen.

»Nun gut!« sagte sie plötzlich. »Aber ich muß von vorn anfangen. Du weißt, wie ich heiratete. Bei der Art, in der mich maman erzogen hatte, war ich nicht nur unschuldig geblieben, sondern geradezu dumm. Ich wußte von nichts. Ich weiß, es heißt, daß die Männer ihren Frauen ihr Vorleben erzählen; aber Stiwa«, sie verbesserte sich, »Stepan Arkadjewitsch hat mir nichts gesagt. Du wirst es kaum glauben, aber ich hatte bis auf die neueste Zeit gemeint, ich wäre die einzige Frau, der er nähergetreten sei. So habe ich acht Jahre lang gelebt. Verstehe wohl: ich habe keine Untreue geargwöhnt, ja ich habe so etwas geradezu für unmöglich gehalten. Und nun stelle dir vor, wie einem zumute ist, wenn man in solchen Anschauungen dahinlebt und nun auf einmal solche entsetzliche, abscheuliche Dinge hören muß. Verstehe wohl: wenn man sich in festem Glauben für eine glückliche Frau hält und dann auf einmal ...« Dolly suchte ein Schluchzen zu unterdrücken, »... wenn man dann auf einmal einen Brief zu lesen bekommt – einen Brief von ihm an seine Geliebte, unsere frühere Erzieherin. Nein, das ist zu furchtbar!« Sie zog eilig das Taschentuch heraus und verbarg ihr Gesicht darin. »Ich könnte es noch begreifen, wenn er sich von einer augenblicklichen Leidenschaft hätte hinreißen lassen«, fuhr sie nach kurzem Stillschweigen fort, »aber mich mit Vorbedacht, in listiger Weise zu hintergehen – und mit wem! Daß er es fertigbringen konnte, mein Mann zu bleiben und gleichzeitig mit ihr ein Verhältnis zu haben, das ist furchtbar! Du kannst es nicht begreifen.«

»Doch, ich begreife es! Ich begreife es, liebe Dolly, ich begreife es«, antwortete Anna und drückte ihr die Hand.

»Und meinst du etwa, daß er für die ganze Furchtbarkeit meiner Lage Verständnis hat?« fuhr Dolly fort. »Nicht im entferntesten! Er ist glücklich und zufrieden.«

»O nein!« unterbrach Anna sie rasch. »Er ist in einem bedauernswerten Zustande, ganz gebrochen von Reue ...«

»Ist er denn überhaupt fähig zu bereuen?« unterbrach Dolly ihre Schwägerin und blickte ihr aufmerksam ins Gesicht.[90]

»Ja, ich kenne ihn. Ich habe ihn nicht ohne das tiefste Mitleid ansehen können. Wir kennen ihn ja alle beide. Er ist von guter Gemütsart; aber er hat auch seinen Stolz, und jetzt fühlt er sich tief gedemütigt. Was mich am meisten gerührt hat« (hier hatte Anna mit richtigem Empfinden herausgefühlt, welches Argument am ehesten Eindruck auf Dolly machen konnte), »zwei Dinge sind es, die ihn heftig quälen: erstens, daß er sich vor den Kindern schämen muß, und dann, daß er, der doch dich so liebt – ja, ja, er liebt dich über alles in der Welt –«, fügte sie schnell hinzu, um Dolly, die etwas erwidern wollte, nicht zu Worte kommen zu lassen, »daß er dir solchen Schmerz angetan und dir einen so schweren Schlag zugefügt hat. ›Nein, nein, sie wird mir nicht verzeihen‹, sagte er immer wieder.«

Dolly blickte nachdenklich an der Schwägerin vorbei, während sie deren Worte anhörte.

»Ja, daß sein Zustand schrecklich ist, das verstehe ich«, sagte sie; »der Schuldige ist schlimmer daran als der Unschuldige, – wenn er eben fühlt, daß das ganze Unglück durch seine Schuld gekommen ist. Aber wie kann ich ihm verzeihen, wie kann ich wieder sein Weib sein, nachdem er mit jener Person in Beziehungen gestanden hat? Es würde mir eine Qual sein, künftig mit ihm zusammen zu leben, eben deshalb, weil ich meine frühere Liebe zu ihm nicht aus meinem Gedächtnisse tilgen kann.«

Ein Schluchzen unterbrach ihre Worte.

Aber wie mit Absicht begann sie jedesmal, wenn sie weich wurde, wieder von dem zu sprechen, was sie so schwer gekränkt hatte.

»Sie ist ja jung und hübsch«, fuhr sie fort. »Aber verstehst du auch wohl, Anna, durch wen ich meine Jugend und meine Schönheit verloren habe? Durch ihn und seine Kinder. Ich habe einen schweren Dienst bei ihm gehabt, und in dieser Dienstzeit ist alles, was ich Gutes hatte, draufgegangen, und nun ist ihm natürlich dieses frische, wenn auch gemeine Geschöpf angenehmer. Sie haben gewiß untereinander über mich gesprochen, oder sie haben, was noch schlimmer wäre, mich mit Stillschweigen übergangen, – verstehst du wohl?«

Von neuem glühten ihr die Augen vor Haß.

»Und wenn er nun nach allem, was geschehen ist, mir später irgend etwas sagt, – werde ich ihm dann etwas glauben können? Niemals. Nein, nun ist alles zu Ende, alles, was mir ein Trost, ein Lohn für alle meine Mühen und Leiden war. – Kannst du das glauben: ich habe soeben Grigori unterrichtet; früher war mir das eine Freude, jetzt ist es mir eine Qual. Wozu mühe ich[91] mich ab und quäle mich? Was sollen mir die Kinder? Es ist entsetzlich, daß meine Seele auf einmal so umgewandelt ist und ich statt Liebe und Zärtlichkeit nur Haß gegen ihn empfinde, jawohl, Haß. Ich könnte ihn töten und ...«

»Dolly, liebste Dolly, ich kann dir das nachfühlen; aber martere dich nicht so! Du bist so erbittert und aufgeregt, daß du vieles in einem falschen Lichte siehst.«

Dolly antwortete nicht, und einige Minuten lang schwiegen beide.

»Was soll ich tun? Ersinne du etwas, Anna! Hilf mir! Ich habe alles hin und her erwogen und sehe keinen Ausweg.«

Einen Rettungsweg vermochte auch Anna nicht zu ersinnen; aber jedes Wort, jede Miene ihrer Schwägerin griff ihr ans Herz.

»Ich will dir nur eines sagen«, begann Anna, »ich bin seine Schwester und kenne seinen Charakter; ich weiß, daß er imstande ist, alles zu vergessen, alles« (sie machte eine Handbewegung vor ihrer Stirn), »daß er imstande ist, sich haltlos hinreißen zu lassen, daß er aber dann auch wieder dem Gefühle tiefster Reue zugänglich ist. Er kann es jetzt gar nicht verstehen und begreifen, wie er das überhaupt hat tun können, was er getan hat.«

»Nein doch, er begreift es und hat es immer begriffen!« unterbrach Dolly sie. »Aber ich, – du vergißt mich ja ganz dabei, – ist mir denn leichter ums Herz?«

»Höre doch nur! Als er mit mir sprach, da hatte ich – das will ich dir offen gestehen – noch kein rechtes Verständnis für die ganze Furchtbarkeit deiner Lage. Ich sah nur, wie es um ihn stand und daß euer Familienleben zerstört war, und er jammerte mich. Aber nachdem ich nun mit dir gesprochen habe, sehe ich als Frau doch noch etwas anderes; ich sehe deine Leiden, und ich kann dir gar nicht ausdrücken, wie sehr du mich dauerst! Aber, liebe Dolly, ich habe volles Verständnis für deine Leiden; nur eines weiß ich nicht: ich weiß nicht ... ich weiß nicht, wieviel Liebe zu ihm noch in deiner Seele vorhanden ist. Das weißt nur du, – ob du ihn noch so weit liebst, daß du ihm verzeihen kannst. Wenn das der Fall ist, dann verzeih ihm!«

»Nein ...«, begann Dolly, aber Anna fiel ihr ins Wort, indem sie noch einmal ihre Hand küßte.

»Ich kenne die Welt besser als du«, sagte sie. »Ich kenne solche Männer, wie Stiwa einer ist, und weiß, wie sie solche Dinge ansehen. Du sagst, er habe mit ihr über dich gesprochen. Das ist bestimmt nicht der Fall. Solche Männer lassen sich wohl eine Untreue zuschulden kommen, aber ihr häuslicher Herd und ihre Gattin, das ist doch für sie ein Heiligtum. Jene Frauenspersonen[92] sind ihnen im Grunde doch immer verächtlich und können in die Familie keine Störung hineinbringen. Zwischen ihnen und der Familie ziehen die Männer sozusagen eine unüberschreitbare Grenzlinie. Ich begreife das nicht recht, aber es ist so.«

»Ja, aber er hat sie doch geküßt!«

»Liebste Dolly, hör zu! Ich habe Stiwa gesehen, als er in dich verliebt war. Ich erinnere mich jener Zeit, als er zu mir kam und ihm jedesmal die Tränen über die Backen flossen, wenn er von dir sprach; du warst in seinen Augen wie ein hehres Wunderwesen der Poesie. Und ich weiß, daß du immer höher in seiner Liebe und Achtung gestiegen bist, je länger er mit dir zusammen gelebt hat. Wir haben manchmal über ihn gelacht, weil er hinter jedem Worte hinzusetzte: ›Dolly ist eine bewundernswürdige Frau.‹ Du warst für ihn immer eine Gottheit und bist es geblieben, und sein Herz weiß nichts von dieser Verirrung.«

»Aber wenn sich diese Verirrung wiederholt?«

»Das ist unmöglich, soviel ich davon verstehe.«

»Ja, aber würdest du ihm denn verzeihen?«

»Das weiß ich nicht; ich kann es nicht beurteilen. – Oder doch, ich kann es beurteilen«, fuhr sie nach kurzem Überlegen fort, nachdem sie im Geiste gleichsam die ganze Lage zusammengefaßt und auf die Waage gelegt hatte, und sie fügte hinzu: »Ja, ich kann es beurteilen, ich kann es wirklich. Ja, ich würde ihm verzeihen. Ich wäre wohl nach dem Geschehenen nicht mehr dieselbe wie vorher, das mag sein; aber ich würde ihm verzeihen und würde ihm so verzeihen, als ob das nicht geschehen wäre, überhaupt nicht geschehen wäre.«

»Ja, selbstverständlich«, fiel ihr Dolly hastig ins Wort, als ob jene nur ausspräche, was sie selbst sich schon oft gesagt habe. »Sonst wäre es ja keine Verzeihung. Wenn man einmal verzeihen will, dann muß man es auch völlig und ganz tun. Aber komm nun, ich möchte dich in dein Zimmer führen«, sagte sie, indem sie sich erhob, und umarmte Anna im Gehen. »Liebe Anna, wie freue ich mich, daß du gekommen bist! Mir ist jetzt leichter ums Herz, viel leichter.«

Quelle:
Tolstoj, Lev Nikolaevic: Anna Karenina. 3 Bde., Berlin 1957, Band 1, S. 87-93.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon