Die Pfalz

[171] Im See auf Felsenspitzen

Wird bald Dein Schloß, die Pfalz,

So eckig weiß Dir blitzen,

Als wär's ein Körnlein Salz,

Und rings in dem Kessel von Felsen,

Da siedet das Wasser am Grund,

Ich rath es Euch Wagehälsen,

Verbrennet Euch nicht den Mund.


Es glänzen da sieben Thürme,

Von sieben Strudeln bewacht,

Und wie der Feind sie stürme,

Der alte Thürmer lacht;

Die alten Salme lauern

Auf frische Helden voll Muth,

Wenn Heldenbräute trauern,

Da füttern sie ihre Brut.


Denn sieh, die Schiffe kommen

Gerüstet bis zum Schloß,

Gar prächtig angeschwommen,

Da trifft sie Wirbelstoß,[171]

Und wie ein Rad der Mühle,

So drehn sie sich geschwind,

Als wär' es nur zum Spiele,

Bis sie verschwunden sind.


Doch willst Du einen retten,

Dem wirft der Thürmer dreist

Um den Leib den Haken an Ketten

Und ihn hinüber reißt;

Zeigt ihm des Schlosses Thüre,

Doch wer nicht fliegen kann,

Der braucht der Leitern viere,

Eh er zur Thüre hinan.


Und ist er eingetreten,

Da stehn vier eiserne Mann,

Die stechen, eh er kann beten,

Hält sie der Thürmer nicht an;

Sie scheuen keinen Degen

Und haben doch kein Herz,

Stahlfedern sie bewegen,

Sie sind gegossen aus Erz.


Und ist er da vorüber

Im grünen ummauerten Platz,

Da wird ihm wohler und trüber,

Als wär' er bei seinem Schatz,

Da stehen die Kirschen in Blüthen

Und Kaiserkronen in Glanz,

Die Nachtigal singet im Brüten,

Kein Mädchen führt ihn zum Tanz.


Der Thürmer nimmer leidet

Ein Mädchen in der Pfalz,

Und ist sie als Ritter verkleidet,

So kostet's ihr den Hals.

Doch hat er den Bart gefühlet,

Dann läßt er ihn zu Dir ein,

Zum Schloßhof, wo Wasser spielet,

Mit buntem Strahlenschein.[172]


Da fließet ein Brünnlein helle,

Das wie der Himmel rein,

Wie auch der See anschwelle

Von irdisch gelbem Schein;

Der Blumen stehen da viele

Am schwarzen Gemäuer entlang

Und eine kleine Mühle

Steht mitten in dem Gang.


Die Mühle drehet und netzet

Den Schleifstein grau und fein,

Ein Alter schleifet und wetzet

Beständig auf dem Stein:

Da schleifet er alle Stunden

Ein Heldenschwert am Stein,

Und hat nicht Zeit gefunden,

Daß alle würden rein.


Nun Fremdling geh nur vorüber,

Dir springen die Funken in's Aug',

Bald wäre es Dir viel lieber

Du lägst bei den Andern auch,

Denn keiner kömmt zurücke,

Der einmal hier oben war,

Es sei denn, daß er sich bücke,

Und daß ihm gebleicht sein Haar.


Die Zimmer des Schlosses sind enge,

Gewölbt von Doppel-Kristall,

Und blankes Silbergepränge,

Das spielt mit den Strahlen Ball;

Da sitzet auf einem Löwen

Des letzten Grafen Sohn,

An solchen gefährlichen Höfen

Ist das der sicherste Thron.


Er denkt an Vater und Mutter

Und an des Unsterns Nacht,

Das ist ein Heldenfutter,

Das nährt des Herzens Macht;[173]

Da sieht er in die Schrecken

Wie in Alltäglichkeit,

Und läßt sich nimmer necken

Von falscher Sorglichkeit.


Er ist so sicher in Kräften,

so herrlich von Angesicht,

So glücklich in allen Geschäften,

Des Unsterns achtet er nicht;

Ihm scheint der Tag der Sage

Schon freudig durch die Nacht,

Die Nacht vor'm jüngsten Tage

Wird schweigend zugebracht.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 171-174.
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