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[39] Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau

Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen,

Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen.

Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau.


In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau,

Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen,

Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen

Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh.


Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau.

Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen.

Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen

Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau.

Quelle:
Georg Trakl: Das dichterische Werk. München 1972, S. 39.
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