Vorsicht bei Gesprächen!

[330] Daß manche Dame tugendsam

mit scheuen Augenlidern

zur Unzeit in die Wochen kam –

das wundert manchen Biedern.

Und daß man solchen Braten roch

seit ihren Mädchentagen –:

Das denk dir nur, mein Kind, jedoch

du darfst es niemals sagen!


Daß seit dem Kapp-Putsch (ach, wie schad,

daß er vorbeigelungen!),

der Staatsanwalt, der Schießsoldat,

die Alten und die Jungen –

daß vieles stille sich verkroch,

bis schönre Stunden schlagen –:

das denk dir nur, mein Kind, jedoch

du darfst es niemals sagen!


Daß seit dem Putsch die Republik

bedroht wird leis und leiser,

und jenen, deren Politik

so viel taugt wie ihr Kaiser – –

Daß sie nach solchem Kriege noch

die Sabotage wagen –:

das denk dir nur, mein Kind,

jedoch du darfst es niemals sagen.


  • · Theobald Tiger
    Berliner Volkszeitung, 18.05.1920.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 330.
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