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[465] Fast die ganze deutsche Presse – die eine strenge, aber ungerechte Überwachung fremder Korrespondenten als eine ihrer politischen Aufgaben ansieht – erteilt dem berliner Korrespondenten des ›Petit Parisien‹ die Note: mangelhaft. »Ein gewissenloser Korrespondent.« Was gabs –?
Pierre Loutre, der übrigens nicht nur den ›Petit Parisien‹ in Berlin vertritt, und der zu den bestunterrichteten französischen Journalisten in Deutschland gehört, hat nach Frankreich unter den zahllosen richtigen, wahren und gut informierten Berichten der letzten Zeit telegrafiert, man frage sich in Berlin, was aus den deutschen Generalstabsoffizieren werden solle, die den Kampf der Kabylen gegen Frankreich und Spanien geleitet hätten. Ich halte diese Information für falsch. Übrigens nicht für falscher als die hundert deutscher Korrespondenten auch . . . solche Irrtümer sollen vorkommen, und wenn sie nicht vorkommen, werden sie manchmal durch Streichungen in den Berichten verursacht. Nun mischt sich aber W.T.B. ein und dementiert.
Dementis des Wolffschen Telegraphenbüros sind wertlos und keine Diskussionsbasis. Auch diese offiziöse Auslassung enthält die knüppeldicke Lüge, niemals hätten deutsche Blätter in dem Sinne geschrieben, daß Afrika vom französischen Joch befreit werden müsse. Nachweislich falsch: nicht nur kommunistische, sondern auch nationale Blätter haben das geschrieben. Das Dementi enthält aber einen Satz, den man diesen aufrechten Patrioten doch nicht durchgehen lassen soll.
»Bedauerlich ist, daß Herr Loutre die ihm gewährte Gastfreundschaft dazu benutzt . . . gegen Deutschland aufzuhetzen.«
Hier wird gar keine Gastfreundschaft gewährt, Herr Loutre bezahlt seine Wohnung und sein Essen, und Steuern zahlt er wahrscheinlich auch. Dieses Fibelgeschwätz, als sei ein Land heute noch eine Kinderstube, das die braven Kinder einlädt und die unartigen nicht, hat zu verstummen. Wenn dieser infame und dumme Satz eine Anspielung darauf sein soll, daß Fremde in Europa heute rechtlos sind, daß Ausweisungen nach Gutdünken der beamteten Lügner vorgenommen werden können – wenn dieser Satz eine Drohung sein soll, so protestiere ich dagegen, nicht nur, weil ich ein Kollege des Herrn Loutre bin. Es ist eine Taktfrage, ob ein Fremder in einem fremden Land in die dortige Politik eingreift, wozu er selbstverständlich das Recht hat – es ist aber gar keine Diskussionsbasis, daß ein Korrespondent das Recht hat, nach Hause zu berichten, was er will. Hier gibt es keine Gastfreundschaft, und hier gibt es keine guten und schlechten Zensuren – diese traurige Demokratie sollte wenigstens den Mut aufbringen, in derart nebensächlichen Fragen so zu tun, als sei sie eine.
Pierre Loutre möge sich das Dementi des W.T.B. nicht zu Herzen nehmen. Man möchte beinah glauben, die Nachricht sei wahr.