Asyl für Obdachlose!

[230] Und stehst du einmal am Ende

und hast keine Bleibe, kein Brot –

dann falte zufrieden die Hände,

man sorgt für deine Not.[230]

Es gibt für solche Zwecke

ein Asyl – da findet der Mob

ein eisernes Bett, eine Decke

und einen alten blechernen Topp.


Hast du dein ganzes Leben

geschuftet wie ein Vieh;

und gehts dir im Alter daneben,

entläßt dich die Industrie –:

dann heißt es noch lang nicht: Verrecke!

Der Staat gibt dir sachlich und grob

ein eisernes Bett, eine Decke

und einen alten, blechernen Topp.


Manche auf diesem Planeten

leben bei Sekt und Kapaun.

Ja, solln sie vielleicht dem Proleten

einen Palast aufbaun –?

Andre verrecken im Drecke.

Du hasts noch gut – na, und ob!

Du hast im Asyl eine Ecke,

ein eisernes Bett, eine Decke

und einen alten blechernen Topp!


Wohltaten, Mensch, sind nichts als Dampf.

Hol dir dein Recht im Klassenkampf –!


  • · Theobald Tiger
    Arbeiter Illustrierte Zeitung, 1928, Nr. 37, S. 10.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 230-231.
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