Bürgerliche Wohltätigkeit

[311] Sieh! Da steht das Erholungsheim

einer Aktiengesellschafts-Gruppe;

morgens gibt es Haferschleim

und abends Gerstensuppe.

Und die Arbeiter dürfen auch in den Park . . .

Gut. Das ist der Pfennig.

Aber wo ist die Mark –?[311]


Sie reichen euch manche Almosen hin

unter christlichen frommen Gebeten;

sie pflegen die leidende Wöchnerin,

denn sie brauchen ja die Proleten.

Sie liefern auch einen Armensarg . . .

Das ist der Pfennig. Aber wo ist die Mark –?


Die Mark ist tausend- und tausendfach

in fremde Taschen geflossen;

die Dividende hat mit viel Krach

der Aufsichtsrat beschlossen.

Für euch die Brühe. Für sie das Mark.

Für euch der Pfennig. Für sie die Mark.


Proleten!

Fallt nicht auf den Schwindel rein!

Sie schulden euch mehr als sie geben.

Sie schulden euch alles! Die Länderein,

die Bergwerke und die Wollfärberein . . .

sie schulden euch Glück und Leben.

Nimm, was du kriegst. Aber pfeif auf den Quark.

Denk an deine Klasse! Und die mach stark!

Für dich der Pfennig! Für dich die Mark!

Kämpfe –!


  • · Kurt Tucholsky
    Arbeiter Illustrierte Zeitung, 1928, Nr. 45, S. 11, wieder in: Deutschland, Deutschland u. Lerne Lachen, auch u.d.T. »Wohltätigkeit«.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 7, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 311-312.
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