An Frau von Oheimb

[336] Gönn mir das traute Du. Ich kann vor Lachen

dich ja nicht siezen – nimm mir das nicht krumm!

Sag mir nur eines: Was sie bei dir machen,

siehst du das nicht – den Fez um dich herum?

Die gehrockeingebundnen Bürokraten,

die Talleyrand-Kopien der Diplomaten,

der aus Liberia – und selbst der aus Minka . . .

Kathinka –![336]


Ach, ihr beklagt in wichtigkeitsgeschwollnen

und schönen Reden diese Not der Zeit.

Um Autokühler die kameelhaarwollnen

Schutzdecken . . . Damen mit dem Schleppenkleid . . .

Du bist so selig, wenn die Schmöcke schreiben.

Ihr quatscht und quatscht. Die Dividenden bleiben.

Es flirrn und flirten Tee- und Kaffee-Trinker . . .

Kathinka –!


Die Republik gibt sich in deinen Räumen

ein Stelldichein. O stell sie wieder weg!

Schlafwandler sind sie, die regierend träumen . . .

und die Reformen sind wie Teegebäck.

Und blickte Salomo auf diese Scheitel,

er spräche: Hier ist alles eitel.

Auf hundert rechte Gäste kommt ein linker . . .

Kathinka –!


Kathinka, gutes Kind!

Du bist so niedlich

und hältst dich für den Nagel der Saison.

Geh, hör gut zu – ich sag dirs friedlich:

ne gute Stube ist noch kein Salon.

Du weißt von Politik auch nicht die Bohne.

Hörst du den Schritt der Proletarier-Bataillone?

Du kommst zu spät.

Denn unsre Zeit ist flinker

als du, Kathinka.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 30.12.1930, Nr. 53, S. 982.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 336-337.
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