Der Herr Soundso

[75] Die Sprache hat gesiegt – es ist nichts mehr zu machen. Nun steht der Unfug auch im Duden . . . Die schauerliche neue Ausgabe dieses höchst nötigen Nachschlagewerkes, ein Augenpulver, vierspaltig, beinah so unübersichtlich wie das berliner Telefonbuch: der ›GROSZE‹ Duden hats auch. Da steht auf Seite 517:

»sowieso (unter allen Umständen, jedenfalls); der Herr Sowieso«. Es ist zum Weinen. Denn auf Seite 516 steht richtig:

»soundso (unbestimmt wie); Paragraph soundso; der Herr Soundso«. Beides kann nicht richtig sein; eines kann nur richtig sein; was ist richtig?

Bei Courteline kommt einmal eine Dame in einen Buchladen und fragt den Sortimenter nach einem Buch, dessen Titel sie vergessen habe. »Von wem solls denn sein?« Von Daudet. »Von Alphonse Daudet?« Ja. Der Buchhändler zählt auf. Nein, das nicht: nicht die Briefe aus meiner Mühle und nicht dies und nicht das . . . es sei, aber der Herr Buchhändler müsse nichts schlechtes denken, man sei Gottseidank[75] eine verheiratete Frau . . . es handele sich . . . kurz: das Buch sei etwas . . . ein wenig . . . wie? »Von Daudet?« Ja. Der Buchhändler denkt nach. Er führt keine Erotika, kein Buchhändler führt Erotika . . . und Daudet? Der verzweifelte Buchhändler sagt alle unanständigen Buchtitel auf, die er kennt – aber von Daudet ist keines darunter. Und es ergibt sich, daß die immer mehr errötende Dame den Titel eines Daudetschen Buches daneben verstanden hat. Das Buch heißt: ›Le Petit Chose‹. Der kleine Dingsda.

Denn – so lehrt die Moral dieser Geschichte – wenn man den Namen eines Mannes nicht weiß, so nennt man ihn Herr X oder Herr Dingsda oder Herr Soundso, weil ja ›soundso‹ etwas Unbestimmtes bedeutet. Gussy Holl hat für Leute ihr unbekannten Namens die Bezeichnung ›Herr Pimm‹ eingeführt, aber das steht wieder nicht im Duden.

Immerhin scheint mir Pimm noch zulässiger als ›Herr Sowieso‹, was eine klar erkennbare Verwechslung mit dem ›Soundso‹ ist . . . aber es ist nichts mehr zu machen. Alle Leute sagen es. Weil wir aber nicht Eduard Engel heißen und also der Sprache nicht nachbelfern, wenn sie einmal anders will als wir –: so wollen wir uns damit begnügen, es nicht zu schreiben, und wir wollen nicht weinen, sondern die Sowieso-Sager mit jener höchst schauderhaften Klischeeredensart entlassen: »Das sowieso.«


  • · Peter Panter
    Die Weltbühne, 18.03.1930, Nr. 12, S. 443, wieder in: Lerne Lachen.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 75-76.
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