Jubiläum

[74] Seid ihr alle noch da –?

Ja –?


Immer dieselben Offiziere,

dieselben Verschwörungs-Kavaliere,

unfähig, etwas Gescheites zu werden,

ewige, ewige Landsknechte auf Erden;

dieselbe Wichtigkeit mit ›Kurieren‹,

derselbe Rummel im Organisieren . . .

Denn im Felde das Saufen . . . das gute Essen . . .

das können die Herren nun mal nicht vergessen.

Immer noch Ansprachen mit Hurra . . .


Seid ihr auch alle da –?

Ja–?


Ihr habt so viel Geld. Von Köln bis Berlin

spenden die notleidenden Industrien;

und es spendet auch voller Saft und Kraft

die arme, notleidende Landwirtschaft.

Und mit diesem Geld ist es euch gelungen:

ihr habt auch scharenweise die Jungen.

Und was für Jugend!

Die muß man sehen,

die Uniformen, die mit euch gehen:

Eine verbrüllte, verhetzte Masse,

mit der ganzen Sehnsucht zur blonden Rasse,

die nun einmal jeden entflammt,

der aus Promenadenmischungen stammt.

Die Gehirne verkleistert im achtzehnten Jahr,

Deutschland im Maul und Schuppen im Haar . . .

Abschaum der Bürger vom Belt bis zum Rhein –

Und das soll Deutschlands Zukunft sein –?


Euch stört doch kein republikanisches Schwein?

Nein –?


Die Republikaner sehen in Ruh

euerm klirrenden Getümmel zu.

Kein Staatsanwalt tät ein Wörtlein sagen –

er muß ja die Kommunisten jagen.[74]

Und sie sehen nicht, was in der Reichswehr geschieht . . .

Es ist immer dasselbe alte Lied:

Der Bürger hofft. Und zieht einen Flunsch.

Und hat im ganzen nur einen Wunsch:

Es soll sich nichts ändern. Die Bahnen solln gehn.

Er will ins Geschäft, um Viertel zehn . . .

Das ist schon wahr. Das muß man begreifen.

Ihr habt auch schon recht, darauf zu pfeifen.

Ihr vergeßt nur: die Leute eurer Partie

sind genau dieselben Bürger wie die!

Nur lauter. Nur dümmer. Nur mit mehr Geschrei.

Und was gerne prügelt, ist auch dabei.


Seid ihr alle wieder da –?

Ja –?


Na, dann man los! Laßt die Gewehre knallen!

Die Leute werden hungern. Die Währung wird fallen.

Arbeiter werden auf dem Pflaster liegen.

Ihr werdet Waffenlose besiegen . . .

Sprung auf! Marsch-Marsch!

Auf zum Tag des Gerichts –!

Und gehts schief –:

Ihr riskiert ja weiter nichts.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 18.03.1930, Nr. 12, S. 423.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 74-75.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon