Eugen Burg

[128] Ich komme viel zu spät – die Geburtstagslichter sind längst ausgelöscht, die Torten zerkrümelt, Wein gibts auch nicht mehr, und das Mädchen, das mir die Sachen abnimmt, sagt: »Aber Herr Burg ist nicht zu Hause . . . « Da stehe ich nun mit meinem Gratulations-Zylinder . . . Das sechzigjährige Geburtstagskind ist nicht zu Hause. Was habe ich ihm sagen wollen –?

Ich habe sagen wollen:

Sie können etwas, und Sie sind etwas. Sie können nämlich Ihr Handwerk, weil Sie das gelernt haben, und Sie haben Charme, wofür[128] ich kein deutsches Wort weiß. Es gibt auf der deutschen Bühne viele Männer, aber außer Bassermann nicht viele Herren: Rudolf Forster und Paul Otto und noch ein paar und Eugen Burg. »Eine Verehrerin«, erzählte mir eines Tages S. J., »hat dem Burg ihr ganzes Vermögen hinterlassen.« – »Glaubst du das?« fragte ich. »Ja«, sagte er, »wenn ich eins hätte: das tat ich auch.« Für so viel Freude muß man danken. Für so viel geschmackvollen Spaß, für soviel heitere Stunden – für diese blitzsaubere Technik, im Gespräch vom Partner das Wort wie einen Ball abfangen, es zurückwerfen . . . wie selten ist das! Eugen Burg kam herausgeweht, in hundert Lustspielchen, deren Namen vergessen sind – die Leistung ist nicht zu vergessen. Es war eine Lustspielwelt, glaubhaft für drei Stunden, glaubhaft nur hier, auf dieser Szene – er stand da: als Höfling, als Frechling, als Liebling . . . und alle Herzen sagten: Ja. Manchmal blieben die großen, hellen Augen still stehn, das dünne Eis des gefrorenen Monokels blitzte wie ein See von Dummheit, dann machte er irgend einen Kammerjunker, der seine Verlegenheit unter feinen Sitten und Gebräuchen verbarg – aber nichts war gemacht: Dümmlichkeit und Verlegenheit und höfische Sitten saßen wie angegossen. Oder er kam schief angestelzt und schnob kleine Frechheiten durch die Nase, außerordentlich siegesgewiß und leicht erstaunt, wenn die Dame seines Lustspielherzens sich die Sache anders überlegt hatte . . .

Nur Theater – gewiß. Aber wenn einer schon Theater spielt: dann soll er dran glauben und soll uns anständige Arbeit zeigen. Das hat Eugen Burg getan, und weil ein Schauspieler auf der Bühne seine Leistungen nicht aufbewahren kann, deshalb wollen wir die Erinnerung aufbewahren. Schauspieler mit Leib und Seele – nicht ein Filmknabe, der sich herbeiläßt, auch einmal Theater zu spielen. Kein Fatzke – ein Herr. Kann gehen und stehen, das haben sie verlernt. Kann die Leute lachen machen, und man muß sich hinterher nicht schämen, daß man gelacht hat. Hat eine Eigenschaft, die immer seltener wird, scheints: er ist nett.

Das Mädchen steht und wartet, ob der Besuch nicht endlich gehen wird. Ich greife nach meinem hochfeinen Zylinder; wenn das Geburtstagskind den sieht, wird er nichts sagen, weil er so nett ist, aber er wird sich sein Teil denken. Stumpfer Zylinder . . . am hellichten Tage! »Bitte empfehlen Sie mich Herrn Burg!« sage ich. Und schiebe ab.

Das Rampenlicht von so viel Jahren fällt auf den Mann. Er ist noch wie neu, und man mag ihn gern sehen, immer wieder.


  • [129] · Peter Panter
    Die Weltbühne, 10.02.1931, Nr. 6, S. 225, wieder in: Lerne Lachen.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 128-130.
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