Dreh dich hin, dreh dich her –

kleine Wetterfahne –!

[31] Der Zeitungsverleger Mülvoß, als welcher ein krummer Jid,

sprach: »Wissen Se – ich bin nämlich Antisemit!

Sie haben eben keinen Sinn für Wehrhaftigkeit!

Ich und mein Blatt, wir gehen mit unsrer Zeit!

Mit der Zeit muß man mitgehn!«


Und es erhob sich ein Wispern im Blätterwalde.

Und jeder Mitarbeiter fühlte: Warte nur, balde . . .!

Und die Redakteure bildeten sich im Kunstfliegen aus,

und je jüdischer einer hieß, desto raußerer flog er raus.

Mit der Zeit muß man mitgehn.


Und siehe, es entdeckten manche Spitzen der Verlegerei,

daß es mit dem Militarismus gar nicht so böse sei.

Denn wer nicht reiten kann, der ist entweder Pazifist,

oder er bewundert alles, was ein Kommißknopp ist.

Mit der Zeit muß man stramm stehn.


Aber denkt denn der Druckereibesitzer von solchem Blatt,

daß der Adolf Hitler so ein kurzes Gedächtnis hat?[31]

Und nimmt nichts mehr krumm?

Dumm ist er ja. Aber so dumm . . .!

Und das ist das Beschämende an diesem Gesindel, das den Faschismus stützt:

daß ihm der Umfall auch nicht das geringste nützt.

Mit der Zeit werden sie eingehn.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 16.02.1932, Nr. 7, S. 239.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 31-32.
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