Na also –!

[30] Der alte Kahl, ordensbesternt,

Geheimrat und so, hat umgelernt.

Er hat einen ganzen Hinrichtungsakt

gesehn – der Kopf wurde abgehackt.

Und Geheimrat Kahl schrieb juristisch und kühl:

»Das ist gut für das Gerechtigkeitsgefühl.

Allemal.«

(gez.) Kahl


Dann hat der Mann an Einsicht gewonnen,

hat nachgedacht und sich besonnen.

Und er sprach und schrieb, wo es auch sei:

eine Hinrichtung ist eine Barbarei.

Ein zweiter Mord. Zu gar nichts nütze.

Justiz gedeiht nicht in blutiger Pfütze.

Ein braver Mann sprach im Reichstagssaal.

Kahl.[30]


Darauf haben die Nazis ihn angegriffen.

Darauf haben die Stammtische auf ihn gepfiffen.

Und jetzt auf einmal, ein neuer Ton

ertönt in der Reichstagskommission:

»Wir brauchen die Todesstrafe, zur Zeit!

Insonderheit im politischen Streit!

Humanität in allen Ehren –

wir können den Hackklotz nicht entbehren.«

(Wir verurteilen bekanntlich nach dieser Methode

alle Nazi-Mörder zum Tode.)

»Heraus mit dem Beil!. Die Waage bleibt drin.

Richtet sie nicht! Richtet sie hin!«

Na also –! Da hat in bewegten Stunden

ein deutscher Professor heimgefunden.

Christus säte. Es wuchs nicht viel.

Rode aus die Pflänzchen mit Stumpf und Stiel!

Das christliche Feld bleibt allemal

kahl.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 09.02.1932, Nr. 6, S. 220.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 30-31.
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