Erste Szene

[127] Friedrichs von Österreich Lager vor Frankfurt. Vor einem glänzenden Zelte sitzen zwei Edelknaben. Albertus, ein fahrender Schüler, tritt auf.


ALBERTUS.

Zween Könige! Beglücktes Deutsches Reich,

Seit vierzehn Monden bist du ohne Haupt,

Und flugs erwächst dir ein gedoppeltes:

Den Friedrich ruft man hier im Lager aus,

Dem Ludwig läutet man in Frankfurt drüben;

O freud'ge, wahrhaft königliche Zeit!

Zwar heißt es, eine Doppelsonne sei

Kein gutes Zeichen, und die Bienen dulden

Zwo Königinnen nicht in einem Korb ...[127]

ERSTER EDELKNABE unterbrechend.

Wer seid Ihr, Freund?

ALBERTUS.

Ein reisender Scholar.

ZWEITER EDELKNABE.

Er ist ein zierlicher und schmucker Mann.

Der Mantel, der von seiner Achsel flattert,

Ist einer Spinnewebe zu vergleichen,

Recht duftig und durchsichtig, fast zu sehr.

ERSTER.

Die Straußenfedern seiner Reisemütze,

In welchem Hühnerhof sind sie gepflückt?

ZWEITER.

Das Tintenfaß, das ihm am Gürtel hängt,

Ist sicherlich der größten Weisheit voll.

ERSTER.

Die Weisheit wird wohl in der Rolle stecken,

Die er ins Wams sich eingenestelt hat.

ALBERTUS.

Wenn euer Witz, wie ich vermute, nun

Erschöpft ist, so vergönnet mir zu fragen:

Ist hier des neuen Königs Friedrich Zelt?

ZWEITER.

Ei, dacht ich's doch! Er suchet Hofdienst hier:

Gewiß, er hat ein sonderlich Geschick,

Den Fürsten aufzuwarten und zumal

Erlauchte Fraun mit Anstand zu bedienen.

ERSTER.

Wenn anders nicht er hergekommen ist,

Dem König seine Rosse zuzureiten:

Er hat so recht ein reiterlich Gestell.

ALBERTUS.

Die Stange halten und die Schleppe tragen,

Das ist der Kern von eurer Wissenschaft.

Der Federhut, der goldgefranste Mantel,

Das ist an euch der wesentlichste Teil.

Doch wisset! Mäntel gibt's noch in der Welt,

Die nicht mit Gold beflittert und gleichwohl

In keiner Weise zu verachten sind.

Und weil ihr hier, des Königs Dienste wartend.

Verzehrt von Langerweil, im Sonnenschein

Euch dehnet und mit leerem Witze spielt,

So will ich euch zu beßrem Zeitvertreib

Von derlei Mänteln weniges erzählen.

Ein Bischof hat zu Regensburg gelebt,

Albertus Magnus, der in aller Kunst,

Zumal der schwarzen so bewandert war,

Daß wohl kein Kämmrer und kein Truchseß je

Den König Wilhelm trefflicher bedient[128]

Als jener Bischof; denn im tiefen Winter

Schuf er den allerschönsten Garten, drin

Die Bäume blühten und die Vögel sangen,

Und auf den Schüsseln winkten Pflaum und Traube,

Die frischesten, darauf der Duft noch lag.

Albertus nun befand in seiner Jugend

Sich auf der hohen Schule zu Paris

Und, als er dort des Königs Tochter sah,

Ergriff ihn stracks das glühendste Verlangen.

Was tat er? Seinen Mantel spreitet' er

Und flog im Mondschein in ihr Fenster ein,

Und auf dem Mantel führt' er sie dahin.

Als man hernach ihm auf die Sprünge kam

Und er, des kühnen Raubes angeklagt,

Vor dem notpeinlichen Gerichte stand,

Da spreitet' er den Mantel wieder aus,

Schwang sich durchs Fenster, flog bis Regensburg,

Wo er zuletzt ein frommer Bischof ward.

Wie ich nun dieses Mannes Namen trage,

Trag ich den Mantel auch von gleichem Zeug,

Und ein verliebter Edelknabe wäre

Von Herzen froh an solcher Spinnewebe,

Darin man schöne Dirnen fängt. Nicht wahr,

So was gefällt euch? Und zum Dank dafür

Sagt an, wo ich den König Friedrich finde!

ZWEITER EDELKNABE.

Er kommt.


Das Hauptzelt öffnet sich. Friedrich und Isabella treten heraus.


ERSTER zu Albertus.

Hinweg!

ALBERTUS vortretend.

Mein Glückwunsch muß ihm werden,

Denn dazu bin ich eigens hergereist.

FRIEDRICH.

Ist Leopold noch nicht zurück?

DIE EDELKNABEN.

Nein, Herr!

ALBERTUS.

Salve, surgens imperator,

Friderice, triumphator!

Salve, suavis Isabella,

Flos venuste, fulgens stella!

Salve ...

FRIEDRICH.

Wir danken, Schüler. Doch für jetzt sind wir

Verhindert, deinen Glückwunsch anzuhören.


[129] Zu einem Edelknaben.


Führ ihn zum Imbiß in das Speisezelt

Und heiß ihm einen Wanderpfennig reichen!


Albertus wird von dem Edelknaben nach einem Zelt im Hintergrunde geführt.


Nicht heiter, Isabella, scheinest du;

Was ist es, das dein schönes Auge trübt?

ISABELLA.

Nur einen Mond erst bin ich dir vermählt

Und schon der Eifersucht dahingegeben.

FRIEDRICH.

Der Eifersucht?

ISABELLA.

Kann ich es ruhig sehn,

Wie du, für andres lebend, mich vergissest?

Das wache Träumen, den zerrißnen Schlaf,

Die Ungeduld, das hastige Erglühn,

Und was man sonst der Liebe Zeichen nennt,

Find ich an dir, und du verhehlest nicht,

Daß ganz dein Herz nun an der Krone hängt.

FRIEDRICH.

Es ziehn die Ritter nach Turnieren aus

Und tummeln sich im raschen Lanzenspiel,

Damit sie den erkämpften Siegesdank

In der Geliebten Schöße niederlegen:

So ring ich nach der Krone, daß ich dir

Sie reiche, deiner Schönheit würd'gen Schmuck.

Du hast mir einst vertraut, wie dir's geträumt,

Als du daheim noch warst in Aragon,

Es werb um dich ein König. Soll nun ich

Ein schlechtrer sein, als den dein träumend Herz

Geweissagt? Soll dir minder Ehre werden,

Als jener leise Traumeswunsch ersehnt?

ISABELLA.

O das nicht ist's, wonach mein Herz verlangt,

Und wenn ich Macht mir wünschte, wär es jene,

Die von den Fraun der Vorzeit ward geübt,

Die zaubrische, wodurch sie kühne Ritter

In wundervolle Gärten fesselten.

Ja, aus dem wilden Streit der Ehrbegier

Würd ich in leichter Wolke dich entführen

Und in ein Tal des schönen Heimatlandes,

Wo üppig Mandel und Granate blüht,

Würd ich dich bannen und aus meinem Arme

Dich nicht entlassen als zum heitern Kampf[130]

Des Hirtenvolks um einen Blumenkranz,

FRIEDRICH.

Nicht mich allein, die Welt bezaubre du!

Zu Wien in deiner kaiserlichen Burg

Da sollst du thronen, und dein Zepter sei

Ein Zauberstab, der rings in allen Landen

Die Geister alles Schönen weckt und lenkt!

Belebe den ersterbenden Gesang,

In deine Tore laß die Sänger ziehn;

Von dir begeistert und durch dich geschmückt

Entsende sie, damit in Ost und West

Der neue Liederklang verkündige

Die Zauber deiner Anmut, deiner Huld!


Leopold tritt auf.


Mein Bruder!

LEOPOLD.

Stör ich nicht die Zärtlichkeit?

FRIEDRICH.

Was bringst du? Öffnet Frankfurt?

LEOPOLD.

Öffnet nicht,

Und schon ist Ludwig auf den Hochaltar

Erhoben; Glockenklang und Jubelruf

Erhallet weit und summt mir noch im Ohr.

Und jetzt nach Aachen soll's zur Krönung gehn.

FRIEDRICH.

Mich hat der Erzbischof von Köln berufen;

Wohlauf nach Bonn! Mir winkt die Krone dort.

LEOPOLD.

Noch eines meld ich, wenn's der Meldung lohnt.

FRIEDRICH.

Was ist es?

LEOPOLD.

Ludwig beut dir seinen Gruß

Und ladet dich zu freundlichem Gespräch.

FRIEDRICH.

Wohin?

LEOPOLD.

Hinab auf jenes grüne Feld.

Wenn er dich aus dem Lager reiten sieht,

So reitet er zur Stadt heraus.

FRIEDRICH zu einem Edelknaben.

Mein Pferd!


Der Edelknabe ab.


LEOPOLD.

Halt, Bruder!

ISABELLA.

Hindre nicht, o Leopold,

Was diese Zwietracht zu versöhnen dient!

LEOPOLD.

Zeuch hin, mein Bruder, aber wanke nicht!

Der Augenblick erschien uns, der, versäumt,

Nicht wiederkehren wird. Dein stolzester[131]

Gedanke, meines Strebens höchstes Ziel

Ist jetzt errungen oder ewig nie.

O Friedrich, all mein Leben war ein Kampf

Für unsres Hauses Macht und Herrlichkeit.

Als ich ein Jüngling war, da lag vor mir

Ermordet unser königlicher Vater;

Die alte Stammburg sah auf ihn herab,

Und in dem Schoß hielt ihn ein armes Weib.

Da ward Blutrache meine Jugendlust,

Und Blut vergoß ich, bis die Schwester sprach,

Die Agnes: »Nun bad ich im Maientau.«

Du kennst das nicht, dich hat dein Stern bewahrt,

Du sähest nicht des Vaters offne Wunden.

Dann mußt ich's dulden, daß an Habsburgs Statt

Ein Luxemburg den Königsthron bestieg;

Und doch hab ich dem Luxemburg gedient.

In Deutschland und in Welschland folgt ich ihm,

Aus Mailands Aufruhr hieb ich ihn heraus

Und ließ mir einen goldnen Becher schenken.

Zu Feld bin ich im Sommer und im Winter,

Zu Pferde schlaf ich, aus dem Helme trink ich,

Und als ein Mann, der keinen Sonntag hat,

Trag ich den grauen Reitermantel stets,

Und eher soll kein Festgewand mich schmücken

Als an dem Tag, da du gekrönet wirst.

Nicht für mich selbst arbeit ich alles; du

Bist unsers Hauses Blume; die Natur

Hat dich mit ihren Gaben ausgestattet.

Der Menschen Auge blickt mit Wohlgefallen

Auf deine herrliche Gestalt, dein Haupt

Verlangt die Krone, deine Schulter heischt

Den Purpur: willig werden sie gehorchen

Dem Manne, dessen Anblick sie erfreut.

Ich bin ein Stiefkind, unansehnlich, bloß

Zur Arbeit tüchtig ist mein Leib gebaut;

Drum laß die Mühe mir, nimm du den Kranz;

Doch nimm ihn, faß ihn keck und laß ihn nicht!

FRIEDRICH.

Glaub nicht, ich gehe hin zu huldigen!

Viel andres ist, was mir im Sinne steht.

Nachgiebig war mir Ludwig stets bekannt;

Vielleicht, daß meine Gegenwart auch hier[132]

Das Unerwartete bewirkt. Wohlan!

Wir reiten unverweilt.

LEOPOLD.

Soll ich's den Fürsten

Verkünden?

FRIEDRICH.

Ja, berufe sie sogleich!

Wer mir will folgen, schwinge sich zu Roß!


Leopold ab.


Du, Isabella, halte dich bereit!

Wenn wir zurück sind, bricht das Lager auf.

Leb wohl, Geliebte!

ISABELLA.

Teurer, fahre wohl!


Friedrich mit Begleitung ab.


Unselige Verwirrung! Dürfen wir

Noch Lösung hoffen, oder schlingt um uns

Sich diese Zwietracht stets verderblicher?


Zu Albertus, der eben wieder aus dem Zelte kommt.


Tritt hieher, Schüler! Kennest du den Stand

Der waltenden Gestirne, weißt du mir

Zu sagen, wie die Sterne Friedrichs stehn?

ALBERTUS.

Glorreich und festlich leuchten sie im Zeichen

Des Löwen; seitwärts: aber in des Löwen Schweif.


Isabella in ihr Zelt ab.


Ja, wunderbar gezeichnet und verwoben

Ist das Geschick der beiden Könige,

Und wo die Sterne selbst so dunkel sind,

Geziemt es mir nicht, zu entscheiden, wem

Der Thron gebühre. Drum werd ich hinüber

Nach Frankfurt mich verfugen und nun auch

Dem König Ludwig meinen Glückwunsch bringen.


Ab.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 2, München 1980, S. 127-133.
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