Zweite Szene

[133] Feld.

Von verschiedenen Seiten treten zugleich die Gegenkönige Ludwig und Friedrich, jeder mit seinem Anhang von Kurfürsten und anderen Reichsständen, auf.


LUDWIG.

Willkommen, Vetter!

FRIEDRICH.

Dank für diesen Gruß!

Ihr habt gewollt, daß wir uns hier besprechen;

Was ist's, das Ihr mir zu eröffnen habt?

LUDWIG.

Als wir zu Salzburg uns zum letztenmal

Begrüßten, damals wich ein böser Streit

Der rahigen Betrachtung, dem verständ'gen

Gespräch, dem offnen Blick des Auges und

Der alten Freundschaft siegendem Gefühl.

Nun, da ein neuer Hader uns entzweit,

Schien mir's das Beste, wenn wir abermals

Zusammenträten und der Sühne pflegten

Mit treuem Herzen und mit klarem Geist.

FRIEDRICH.

Als wir zu Salzburg uns zuletzt gesehn,

Da schien es wohl, die alte Freundschaft sei

Noch mächtig: die Gewohnheit früher Zeit

Erneuend teilten wir, wie in der Burg

Des Vaters einst, den Becher und das Lager,

Und im Gespräche bis zur Mitternacht

Vertrauten wir uns, was die Herzen drückte.

Damals erklärt ich dir den stolzen Wunsch,

Den ich mich hier nicht schäme zu bekennen,

Den Wunsch, daß ich gewürdigt möchte sein,

Zu steigen auf den unbesetzten Thron,

Ein Mehrer und Verherrlicher des Reichs.

LUDWIG.

Und damals sagt ich dir (die Sterne schienen

In das Gemach), daß du vor allen mir

Der Liebste seiest, der Ersehnteste.

FRIEDRICH.

Wo ist die Liebe, wo die Sehnsucht nun?

Sind jene hellen Sterne ganz hinab?

Als Gegenkönig trittst du vor mich hin.

LUDWIG.

Daß ich berufen ward, ich sucht es nicht,

Ich hab es nie geahnet, nie geträumt;

Doch ist's geschehn; es war ein ernster Ruf,

Ein solcher, dem der Mann gehorchen muß.[134]

Bin ich der Würd'ge nicht, wirf mir's nicht vor,

Hier stehen sie, die mich nach ihrem Rechte

Gewählt ...

FRIEDRICH.

Die mich erkoren, stehen hier.

LUDWIG.

Der Meinen zähl ich fünf, der Deinen zween;

Die Mehrzahl ist uraltes Wahlgesetz.

FRIEDRICH.

Dein Böhmen und dein Sachsen sind bestritten;

Bei mir erblickst du die Berechtigten.

LUDWIG.

Was rüttelst du verjährten Anspruch auf?

FRIEDRICH.

Dein Bruder selbst, der Pfalzgraf, steht zu mir.

LUDWIG.

Daß er mich neidet, das ist, was mich schmerzt.

FRIEDRICH.

Getreuer hielt er mir sein Wort als du.

LUDWIG.

Ich weiß, was ich versprochen, nicht was er.

Doch laß dir sagen! wenn die Männer hier,

Die mich erwählten, wenn nur ihrer zween

Es widerrufen, der beschworenen

Verpflichtung mich entheben und zu dir

Sich wenden, gerne tret ich dann zurück,

Vor dir, dem Kön'ge beug ich dann mein Knie

Und nehme Bayern neu von dir zu Lehn.

DIE FÜRSTEN AUF LUDWIGS SEITE.

Nein, nimmermehr! Es bleibt bei unsrer Wahl.

LUDWIG.

O Friedrich, nun du selber siehst und hörst,

Daß ich dir nicht gewähren kann noch darf,

Besinne dich, steh ab, bezwing dich selbst!

Du hast ja viel des Glückes: weit erschallt

Der Ruf von deiner Tapferkeit und Macht,

Den Schönen nennet preisend dich die Welt,

Ein herrlich Weib ist Liebe dir und Stolz.

Ist dir so reicher Segen nicht genug?

Ist denn die Krone nur das volle Glück?

0 welches Heil bringt mir die Königswahl!

Seit diesem Morgen erst gewählt, seh ich

Den eignen Bruder und den liebsten Freund

Mir feindlich grollend gegenüberstehn.

O bei der alten Liebe, bei den Banden

Des Bluts, bei allem, was dir heilig ist,

Beschwör ich dich: laß es dahin nicht kommen,

Daß wir, der Zwietracht Beispiel und Erwecker,

Das Reich zerspalten in heillosem Kampfe,

Daß ich die Würde, die man auf mich warf,[135]

Die ich nicht meiden kann, verfluchen muß!

LEOPOLD.

Betört dich, Bruder, dieses Gleisners Rede,

Es hilft ihn nichts: wenn du die Stelle räumst,

So tret ich ein. Die Fürsten, die das Wort

Dir gaben, sie gelobten eidlich mir,

Wofern du dich entzögest, mich zu küren.

DIE FÜRSTEN AUF FRIEDRICHS SEITE.

Er sagt die Wahrheit: Wir beschworen das.

FRIEDRICH.

Noch weich ich nicht, noch bin ich Manns genug,

Den Gegner wegzudrücken, der mich stört.

LUDWIG.

Ich aber fühl in mir die Kraft, den Thron

Zu schirmen vor der Meutrer Ungestüm.


Der päpstliche Legat, welcher während des Bisherigen im Hintergrunde erschienen, tritt zwischen die Streitenden.


DER LEGAT.

O welch ein Hader, welch verworrner Streit!

O ihr verblendeten, verirrten Söhne

Der heil'gen Kirche, wahret eure Seelen,

Eh noch die Schlange gänzlich sie umstrickt!

Was soll der Zank, was soll die Drohung hier?

Dorthin, von wannen alle Herrschaft stammt,

Dorthin, von wannen meine Sendung ist,

Zu Petri heil'gem Stuhle wendet euch!

Dort sitzet der berechtigte Verweser

Des offnen Reiches, dort der wahre Richter

Der streit'gen Königswahl. Ihn gehet an,

Ihm traget eure Klag und Antwort vor!

Und bei dem Fluch, womit die Kirche straft,

Vermesse keiner sich der Reichsverwaltung,

Bevor der Richterspruch von dort erging!

DIE FÜRSTEN.

Wir leiden's nicht! den König wählen wir.

LEGAT.

Ist hier Empörung wider göttlich Recht?

LUDWIG.

Seit ich berufen ward zur Königswahl,

Ist das mein täglich brünstiges Gebet,

Daß Gottes Geist erleuchte meinen Sinn,

Die Wahrheit zu erkennen und das Recht.

Das aber weiset mir kein Himmelsstrahl,

Daß sich die Kirche weltlicher Gewalt

Anmaßen dürfe, daß der König, den

Die deutschen Fürsten wählten, sich vom Papst

Einholen müsse die Bestätigung.[136]

Nein, solchen Einspruch duld ich nun und nie!

Behaupten werd ich, wie ich angelobt,

Des Reiches Freiheit und des Königs Recht.

FRIEDRICH.

Es ist kein Richter über uns als der,

Der von den Wolken her die Schlachten lenkt:

Solch Gottesurteil nur kann hier entscheiden,

Und König ist, wer sich als Sieger zeigt.

Drum Ludwig, wenn wir zween uns wiedersehn,

So ist's im Schlachtfeld mit geschwungnem Schwert.


Alle nach verschiedenen Seiten ab.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 2, München 1980, S. 133-137.
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