Dritte Szene

[159] Burg Trausnitz.

Nacht. Der gefangene Friedrich liegt schlafend in einer Nische. Der Burgvogt und drei Wächter mit einer Leuchte treten auf und sehen sich im Gemach um.


BURGVOGT.

Ist alles richtig?

ERSTER WÄCHTER.

Ja, er schläft, Herr Burgvogt!

BURGVOGT.

Die Lamp ist ausgegangen. Frischt sie auf,

Damit er Licht hat, wenn der Sturm ihn weckt!

Ist wildes Wetter.

ZWEITER WÄCHTER nachdem er angezündet.

So, die Lampe brennt.

BURGVOGT.

Jetzt macht die Runde weiter! Nein doch, halt![159]

Laßt uns den Herzog nochmal recht beschaun,

Ob er's auch ist! Der Teufel hat sein Spiel.

Kommt, leuchtet her! Ja, seht nur selbst! er ist's.

ERSTER WÄCHTER.

Man kennt ihn an der bleichen Farbe.

BURGVOGT.

Still!

Er regt sich.

DRITTER WÄCHTER.

Ruhig schläft der Herzog nie.

BURGVOGT.

Ja, Vorsicht ist uns not: ein sorglich Ding

Ist solche Wache, wo der Kopf drauf steht.


Sie gehen ab.

Man hört in der Entfernung Donner, der sich bald verstärkt und bis gegen das Ende der Szene von Zeit zu Zeit wiederholt. Friedrich erhebt sich vom Lager.


FRIEDRICH.

Hat's nicht gedonnert? Ja, es hallen noch

Die Berge dumpf. Man sagt wohl, Märzendonner

Bedeut ein fruchtbar Jahr. Was soll er mir

Für Früchte künden? Nein, ich kann es nicht

Ertragen, dieses Wetter. Als der Schnee

Noch friedlich über Höhn und Tälern lag

Und als das Eis des Stromes Wellen band,

Daß sie nicht flossen und nicht rauschten, da

Könnt ich mich schicken in mein Kerkerleben.

Am Morgen und am Abend ging ich still

In die Kapell hinüber zum Gebet,

Den Tag entlang ließ man zum Zeitvertreib

Mich Pfeile schnitzen, Pfeile sonder Ziel.

Doch diese Frühlingsstürme, Märzendonner,

Sie rühren mir das Blut auf: mächtig regt

Die Jugend sich, die Tatenlust erwacht.


Donnerschlag. Im Fenster erscheint Albertus.


Ha, welch ein Schlag! Die Fenster klirren auf.

Was seh ich? Ist's ein Mensch, ist's ein Gespenst?

Sag an! wer bist du?

ALBERTUS.

Frag nicht, wer ich sei!

Willst du befreit sein, tu, was ich dich heiße!

Umfasse mich behend! Den Mantel schlag ich

Dir um; der Sturmwind führt uns durch die Luft.

FRIEDRICH.

Du bist mir fremd.

ALBERTUS.

Du hast mich einst gesehn.[160]

Komm, Friedrich, komm! Das Nachtgewitter braust,

Der Regen rauscht, und morgen steht die Welt

Im vollen Frühling wie ein Mädchen, dem

Die erste Liebe plötzlich überkam.

Jetzt, Friedrich, ist es Zeit zum Kampf und Strauß,

Jetzt reiten alle Ritter, Friedrich, komm!

FRIEDRICH.

Ich will nicht.

ALBERTUS.

Deine Schönheit ist gewelkt,

Der Frühling blüht, auch sie wird neu erblühn.

FRIEDRICH.

Du lockst vergeblich.

ALBERTUS.

Frühling ist es, komm!

Vor Sehnsucht stirbt dein Weib; sie hat sich blind

Geweint, ja blind, und weint noch immer fort

Und girrt im Dunkeln wie die Nachtigall

Und träumt von Königen.

FRIEDRICH.

Weißt du von dem?

ALBERTUS.

Ja, Frühling ist es, deinen Bruder brennen

Die Wunden, und die Lanzenspitze sticht.

Komm! Dieser Mantel trägt dich sicher hin.


Geräusch vor der Tür.


FRIEDRICH.

Gott sei gedankt! die Runde kommt. Entfleuch!

Du bist verloren.

ALBERTUS.

Wähnest du wohl gar,

Daß ich sie fürchte?


Der Burgvogt und die Wächter treten ein.


Fort, ihr Elenden!


Donnerschlag.


Mit diesem Donner werf ich euch zu Boden.

DIE WÄCHTER.

Hilf, heilig Kreuz!

BURGVOGT.

Flieht! zur Kapelle! flieht!


Burgvogt und Wächter ab.


ALBERTUS.

Hast du's gesehn? Da sind sie hin. Doch jetzt

Ist's höchste Zeit. Komm, Friedrich! Deine Feinde

Sind nah, die Brücke fällt, das Burgtor knarrt,

Die Hufe klirren. Friedrich, rette dich!

Man will dich töten.

FRIEDRICH.

Ob durch Zauber du,[161]

Ob durch Verwegenheit die Zinn erstiegst,

Fahr hin, Versucher! Mich verlockst du nicht;

In rechtem Kampf hat Ludwig mich gefangen,

Und nicht will ich entweichen wie ein Dieb!

Die Wächter!


Der Burgvogt und die Wächter treten auf, mit Kreuzfahne, Weihkessel und Rauchfaß bewaffnet.


DIE WÄCHTER.

Alle gute Geister loben

Den Herrn.

BURGVOGT.

Das Kreuz voran! Nur keck voran!

Spritzt, spritzt den Unhold! blast den Rauch auf ihn!

ALBERTUS.

Ich muß von hinnen.


Er verschwindet.


BURGVOGT.

Hu, der ist hinab,

Die Höll hat ihn verschlungen. Wie das kracht

Und brauset! Jetzt wird's ruhig, jetzt wird's hell.


Klopfen an der Tür.


FRIEDRICH.

Man klopft. Wer draußen?

DIE WÄCHTER.

Alle gute Geister!


Albrecht von Rindsmaul tritt ein.


ALBRECHT.

Was gibt's hier?

BURGVOGT.

Scheucht ihn! Spritzt ihn! Räuchert! Spritzt!

ALBRECHT.

Seid ihr von Sinnen? Was soll dieser Spuk?

EIN WÄCHTER.

Der Pfleger ist's.

FRIEDRICH.

Herr Ritter, es ist gut,

Daß uns ein Mann von kühlem Blute kommt.

Das Grauen dieser Nacht hat wundersam

Die Geister aufgestört. Was führt Euch her?

ALBRECHT.

Der König ist im Schloß.

FRIEDRICH.

So ist's doch wahr!

ALBRECHT.

Er möcht Euch sprechen.

FRIEDRICH.

Wißt Ihr, was er will?

ALBRECHT.

Ich weiß es nicht. Ein tief Geheimnis ist's;

Darum ist er die Nacht geritten.

FRIEDRICH.

Ha,

Was soll das?

ALBRECHT.

Drüben auf dem Saal erwartet[162]

Der König Euch. Wollt Ihr mir folgen, Herr?

Nehmt Euch zusammen, daß Ihr nicht erschreckt,

Wenn Ihr Unliebes zu vernehmen habt!

FRIEDRICH.

Ich weiß es schon, beschlossen ist mein Tod.


Er geht mit Albrecht ab.


EIN WÄCHTER.

Herr Burgvogt, so nachdenklich?

BURG VOGT.

Ja, ich hab's:

Der Geist hat meinem Neffen gleich gesehn,

Dem ungeratnen, der bei Nacht und Nebel

Von hier entwich. Schon neulich deucht es mich,

Als sah ich drunten ihn im Zwinger schleichen.

So muß ich noch die Schmach an ihm erleben,

Daß, wenn der Teufel auf der Erde spukt,

Er sich die Larve nimmt in unsrem Stamm!


Ab mit den Wächtern.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 2, München 1980, S. 159-163.
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