[167] Ein Garten.
Friedrich und Isabella sitzen auf einer Rasenbank.
ISABELLA.
Kein Lenz noch hat so innig mich entzückt,
Und seh ich nicht der Bäume Blütenschmuck,
Der Wiesen junges Grün, der Blumen Schmelz,
Des Himmels Glanz, der sich im Teiche spiegelt,
So ward mir dennoch überschwenglich Glück:
Von linder Luft umhaucht, von Balsamdüften
Umwölkt, von Nachtigallen eingesungen,
Ruh ich an des Geliebten Brust, die Hand
Des Langentbehrten drück ich an mein Herz.
Und diese Blindheit, was noch ist sie mir
Als eine Dämmrung, Liebenden erwünscht?
Jetzt wein ich Tränen, die nicht brennen, die
Mein Aug erfrischen wie der Abendtau,
Und manchmal ist's, als wollt es sich erhellen,
Als bräch aus dem Gewölk ein holder Stern:
Gewiß, mein Friedrich, blickst du dann auf mich
Mit Blicken deiner Liebe. Ja, er wird
Die Nacht noch teilen, dieser Liebesstrahl.
FRIEDRICH.
O Isabella, wünsche nicht zu sehr,
Das Licht zu schaun! Erschrecken würdest du,
Wie schmählich man dich blindes Weib getäuscht:
Statt deines Gatten, der ein stolzer Held,
Der ein gekrönter König war, hat man
Dir einen hingeschoben, der vor Scham
Das Haupt muß senken.
ISABELLA.
Senke du das Haupt
Auf meine Brust! Fragt Liebe denn nach Kronen?
FRIEDRICH.
Das ist noch Spur von meiner bessern Zeit,
Daß Weibesliebe mich nicht glücklich macht,
Seit unter Männern ich entwürdigt bin.
ISABELLA.
Entwürdigt?
FRIEDRICH.
Aller Herrlichkeit entkleidet,
Nicht mehr gefangen, doch darum nicht frei;
Denn frei ist, wer das Höchste darf erstreben,[167]
Ich aber bin der Scholle jetzt verhaftet,
Mein Herzogtum ist meines Wirkens Grenze,
Nur abwärts darf ich steigen, nicht hinan.
Leopold und der Legat kommen den Garten herauf.
O daß sich jetzt auf meine Augen schnell
Das Dunkel würfe, was die deinen hüllt!
Denn welchen Blicks empfang ich jene zween,
Die dort sich nahn?
ISABELLA.
Wer sind die beiden? sprich!
FRIEDRICH.
Mein Bruder und der päpstliche Legat.
LEOPOLD.
Willkommen in der Freiheit! Daß ich spät
Erscheine, Bruder, halt es mir zu gut!
Die Sorge deines Diensts verweilte mich.
LEGAT.
Empfangt, erlauchter Herr und hohe Frau,
Den Glückwunsch des erfreuten Kirchenhaupts!
In dieser schlimmen Zeit hat lange nichts
Des heil'gen Vaters Herz so froh bewegt
Als die Verkündung dieser Wiederkehr.
FRIEDRICH.
So freundliche Gesinnungen sind jetzt
Uns zwiefach dankenswert. Doch, Leopold,
Du scheinst mir krank.
LEOPOLD.
Nicht wahr, ich passe schlecht
In diesen Garten, der voll Blüte steht?
Der Winterfeldzug hat mir zugesetzt.
FRIEDRICH.
Es bricht nun eine Zeit des Friedens an,
Es kommen Tage, wo die Helden ruhn;
Auch du, mein Teurer, kannst den Harnisch jetzt,
Den festgewachsnen, dir vom Leibe lösen;
Die saft'gen Kräuter, die der Frühling zeugt,
Kannst du auf deine Wunden drücken, kannst
Im warmen Sprudel eines Felsenquells
Die Glieder dir erfrischen.
LEOPOLD.
Scherzest du?
War je zum Kampf gelegne Zeit wie jetzt?
FRIEDRICH.
Es scheint, du hast vergessen, was ich schrieb
Von den Bedingungen, woran ich selbst
Die Lösung aus dem Kerker mir geknüpft.
Schon haben unsre Brüder sich gefügt;
Auf deine Ankunft, die wir längst erharren,
Ist des Vergleichs Vollziehung ausgesetzt.[168]
Könnt ich das Opfer bringen, warum du
Mir widerstreben? Nein, verhindre nicht
Die endliche Befriedung dieses Streits!
Hilf mir erfüllen, was ich zugesagt!
LEOPOLD.
Ich weiß nur, daß du frei bist, andres nicht.
Du bist es unbedingt; er mußte dich
Entlassen, auf der Brust stand ihm das Schwert:
Wo keine Wahl ist, ist auch kein Beding.
Drum mutig! Auf des Glücks geschwungnem Rade
Sind wir jetzt wieder oben: du bist frei,
Der Papst ist dir gewogen, und er wird
Als König dich erkennen; Ludwig ist
Im Bann, und an des Reiches Grenze tobt
Ein neuer Feind: der Polen und der Reußen
Unbänd'ge Scharen fallen in die Mark
Von Brandenburg, der heil'ge Vater selbst
Hat sie berufen; Ludwigs junger Sohn
Schreit dort um Hülf; in Schwaben hier bin ich.
Hab ich gesäumet, so geschah es nur,
Damit ich vielfach, tausendarmig dir
Mich stelle: hinter mir schon braust mein Heer,
Die Luft, die mir im Nacken weht, ist schon
Das Schnauben ihrer Rosse. Darum frisch!
Zeuch an den goldnen Harnisch, laß den Hengst
Sich bäumen! Jauchzen hör ich schon dein Volk,
Die Ritter sind zu Roß, genesen sind
Die Wunden, die Erschlagnen springen auf.
Steig wieder, Sonne, die gesunken war!
Hinab muß Ludwigs bleicher Stern.
FRIEDRICH.
Du weißt
Mich gut zu fassen, du verstehst den Klang,
Der tief in meiner Seele widerhallt.
Vergeblich! meine Treue steht zu Pfand.
LEGAT.
Den Zweifel, der Euch das Gewissen drückt,
Vergönnt, daß ich mit sachter Hand ihn löse!
Was Ihr verheißen, war von Anbeginn
Unhaltbar, nichtig, ohne Rechtsbestand.
Durch ungerechten Zwang, durch Drohungen,
Die auch den festen Mann erschüttern ...
FRIEDRICH.
Nein,
Die Furcht ist's nicht, was zu Entschlüssen mich[169]
Zu drängen pflegt. Mein Wort, ich gab es frei.
LEGAT.
Doch wem habt Ihr's gegeben? Ihm, dem Feinde
Der Kirche, dem Verstoßnen, Fluchbeladnen.
Schon längst erging der päpstliche Beschluß,
Der männiglich von Pflicht und Huldigung,
Selbst von beschworner, gegen ihn entbindet,
Und eben das ist meiner Sendung Zweck,
Von jeglicher Verpflichtung, jedem Eide,
Wodurch Ihr Euch gebunden möchtet glauben,
Im Namen apostolischer Gewalt
Euch loszuzählen, wie andurch geschieht.
FRIEDRICH.
Noch hab ich nicht gebeten, meiner Pflicht
Mich zu entheben, und ich werd es nie.
LEGAT.
Ob Ihr es bittet, wünschet oder nicht,
Die Kirche darf nicht dulden, daß Ihr dem
Verfangen bleibet, dem sie fluchen muß.
Mißfällig und zu großem Ärgernis
Ersah aus Euren Briefen Papst Johann,
Daß Ihr mit Kirchenfeinden Einung pflegt,
Daß Ihr ihm selber anzusinnen wagt,
Sich dem verworfnen Manne zu versöhnen.
Drum wisset! wenn Ihr dem Vergleiche lebt,
Wenn Ihr, was Gott verhüte! wiederkehrt
In Ludwigs Haft, so fällt auf Euer Haupt
Derselbe Bannstrahl, der auf jenen fiel.
Erwägt es, Herr, und wenn Ihr's wohl erwogen,
Bescheidet mich! Indes gehabt Euch wohl!
Der Himmel lenke gnädig Euern Sinn!
Ab.
LEOPOLD.
Von diesem hast du Frist gewonnen; ich
Darf keine dir gewähren: augenblicks
Muß mir Entscheidung werden, denn gezählt
Sind meine Stunden, Eile tut mir not.
Ja, wiß es, Bruder! dieser Frühling ist
Mein letzter, wenn es je mir Frühling war,
Und um zu sterben, brauch ich jetzt nicht mehr
Mein Schwert zu wenden gegen meine Brust.
In meinem Marke wühlt der Tod, die Kraft
Geht mir versiegen, unstet flackert noch
Die Lebensflamm auf dem verglühten Stoff.
Drum zaudre nicht! Ich fordre jetzt den Sold[170]
Für eine frühverzehrte Jugend, für
Ein Leben, das in deinem Dienste schwand.
Nur diesen Lohn begehr ich, daß zuletzt
Du noch hintretest vor mein brechend Aug
Im Glanz der Krone, die ich dir erkämpft.
FRIEDRICH.
Was ich dir schuldig bin, ich hab es nie
Verleugnet; rief und ewig ist mein Dank.
Könnt ich, was du von deinem Leben mir
Geopfert, aus dem meinem dir erstatten,
Könnt ich als Leiche vor dir niedersinken,
Damit du blühend ständest und verjüngt!
Doch eines ist, was ich versagen muß:
Der Ehre wank ich nicht, und war's dein Tod.
LEOPOLD.
Mein Atem, wenn er gleich sich mühsam hebt,
Ist doch so wirksam noch, daß er ein Heer,
Ein mächtiges beseelet und bewegt;
Noch kann er Sturm erregen, und er wird's.
Du bist mein Feind, denn du bist Habsburgs Feind;
Nicht Ludwigs, mein Gefangner bist du jetzt.
Versuch's, stell dich zur Wehre, ruf dein Volk
Zu Hülf! Der Bannstrahl zischt: du stehst allein.
FRIEDRICH.
Meint ihr, ihr Toren, daß ich mir die Kron
Aufdrängen lasse? Wenn ich eifrig war,
Sie zu erstreben, standhaft werd ich sein,
Sie abzuwehren. Eile, heb dich weg!
Noch bin ich Herr, von dir noch unbesiegt.
LEOPOLD.
Du sollst mich wiedersehn. Solang mein Puls
Noch zucket, werd ich dein Verfolger sein;
Wie ich dir diente, werd ich dich bekämpfen,
Und sink ich in der Schlacht des Bruderkriegs
Entseelt vom Roß, und wälzen sie auf mich
Den Stein des Feldes, glaube nicht, ich könn
Im Grabe rasten! Rastlos wird mein Geist
Dich suchen und dich quälen.
Friedrichs Hand krampfhaft fassend.
Leb ich noch?
Bin ich nicht Leiche schon? Ist diese Hand
Nicht starr, mein Hauch nicht Grabeshauch, mein Blick
Nicht Hölle?
FRIEDRICH zurückschaudernd.
Weg!
ISABELLA.
Ihr Heil'gen, steht uns bei![171]
LEOPOLD.
Verschling mich, Abgrund! Stürme, reißt mich hin!
Ab.
FRIEDRICH.
Nun, Isabella, hast du selbst gehört,
Ich hab es mit Verzweifelnden zu tun,
Und rascher Tat bedarf es. Nimmermehr
Will ich das Werkzeug fremder Plane sein;
Mit jenem Handschlag in des Bayers Hand
Hab ich mir selbst mein Schicksal festgesetzt,
Und nimmer soll mich dieser Vorwurf treffen,
Daß ich den Zwang, den ich vermeiden konnte,
Zum Vorwand eines Treuebruchs gebraucht.
Noch bin ich frei, noch einen Augenblick;
Noch bin ich nicht vom Bann gezeichnet, noch
Von meines Bruders Scharen nicht umringt,
Und diesen Augenblick der Freiheit nütz ich,
Zurückzuschreiten in den Kerker.
ISABELLA.
Weh!
Du wolltest?
FRIEDRICH.
Ja, ich will. Das ist mein Stolz,
Daß ich noch wollen kann. Ich glaubte mich
Erniedrigt, aus der Freien Zahl getilgt
Und fühle jetzt mit eins mich frei und groß
Und atme leicht und blicke freudig auf,
Daß ich noch Kronen von mir stoßen, noch
Den Kerker kann erwählen statt des Throns.
Leb wohl, mein Herz! Zu Rosse schwing ich mich:
Das Tor ist offen und die Straße frei.
ISABELLA.
Treuloser, meiner Blindheit solltest du
Ein Führer sein und läßt mich hülflos stehn;
Du solltest heilen mein verweintes Aug
Und gibst ihm neue Zähren, heißere.
Du darfst nicht fliehen, nein, ich laß dich nicht.
FRIEDRICH.
Was klammerst du dich fest? Es ist umsonst!
Ich gab mein Wort.
ISABELLA.
Nichts weiter als ein Wort?
Was ist ein Wort denn gegen meine Liebe?
Ein totes Wort, ein Schlag der hohlen Hand,
Was soll das gelten, wo das Leben glüht?
Ein Wort soll in der Fülle deiner Kraft
Hinab dich in das Grab des Kerkers bannen,
Soll aus dem Licht des Frühlings, aus dem Atem[172]
Der Liebe dich in Nacht und Moder ziehn?
Nein, Friedrich, nein. Verfangen bist du mir,
In meiner Liebe Kreisen wandelst du,
Du lebst von meinem Leben, nimmer läßt
Mein Herz das deine ...
FRIEDRICH.
Bluten, brechen muß
Dein Herz und meines; dazu liebten wir.
Laß mich!
ISABELLA.
Dein Wort hast jenem du verpfändet,
Du gabst auch mir ein Pfand, ein teures Pfand.
Ja, Friedrich, was ein süß Erröten dir
Gestehen sollte, jetzt verzweiflungsvoll
Muß ich's zum Ohr dir schreien: ich bin Mutter.
Sie wirft sich vor ihm nieder.
Verlaß mich nicht in dieser finstern Nacht!
Dein Knie umfaß ich, o verlaß mich nicht!
FRIEDRICH.
Ich muß, es wird zu spät, ich muß; mich brennt
Der Boden hier. Laß, laß mich! lieg im Staube!
Du bist des unglücksel'gen Friedrichs Weib.
Ab.
Isabella wird von ihren herbeieilenden Frauen aufgehoben und hinweggeführt.
Buchempfehlung
Der historische Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges erzählt die Geschichte des protestantischen Pastors Jürg Jenatsch, der sich gegen die Spanier erhebt und nach dem Mord an seiner Frau von Hass und Rache getrieben Oberst des Heeres wird.
188 Seiten, 6.40 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro