Siebenzehntes Kapitel

[192] »Albertine! Albertine! Sehen und hören Sie denn nicht?« rief Rosamunde Albertinen zu, die ihren Eintritt aus einem Seiten-Kabinet gar nicht bemerkt hatte und immer noch mit nachstrebenden Händen die Augen starr auf die Thüre heftete, aus der Henriette verschwand. »Albertine, Sie sind in einer seltsamen Bewegung! Was ist Ihnen?« – »Wie, Madame, Sie wissen nicht, daß ich verhaftet werden soll, wenn ich zweihundert Thaler nicht bezahle, die ich durch das heillose Spiel, wozu Sie mich[192] verleiteten, schuldig geworden bin?« – »Undankbare! ich habe es erwartet. Daß Sie kindisch wagten, ist das meine Schuld? Aber ich verzeihe Ihrem Unmuthe diesen Ausfall; erzählen Sie mir doch; es wird ja so schlimm nicht seyn? Sie haben ja Juwelen; es werden sich ja Freunde finden, bei welchen Sie sie verpfänden oder verkaufen können. Lassen Sie einmal sehen!« – Sie hatte nemlich die ganze Scene zwischen Henrietten und Albertinen belauscht. Albertine holte vertrauensvoll ihren Schatz. Rosamunde wog, taxirte, besah, tadelte alles. Die Perlen waren nicht rund, die Uhr nicht modern, die Diamanten nicht von reinem Wasser, die Ketten nur Kronengold; »indeß zweihundert Thaler kommen zur Noth heraus. Ich gebe sie Ihnen. Nota bene, damit ist dann zugleich die kleine Schuld von ehemals quittirt. Sie quittiren es mir!« (Der Leser wird sich erinnern, daß Rosamunde acht Louisd'or von Albertinen borgte.) Albertine ging alles ein; der Handel kam ihr vortrefflich und[193] Rosamunde höchst großmüthig vor. »Nun müssen Sie mir aber,« sprach diese, »auch einen Gefallen thun. Ich habe keine Parthie zur Maskerade für diesen Abend, und möchte für mein Leben gern hin. Laurette ist enrhumirt; Sie müssen mit; ich nehme keinen refus an!« – »Wie, Madame! mit diesem zermalmten Herzen? mit diesem wunden Gefühl meiner Strafwürdigkeit?« – »O Himmel, wie Sie einen ennuyiren können! Die Sache ist ja vorbei; und damit gut. Geben Sie doch einmal diese veralterte Sentimentalität auf; sie steht einem zwanzigjährigen Gesicht, wie einem Jünglinge die Alongen-Perüke des Ältervaters. Albertine, seyn Sie dieses eine Mal nur gefällig. Der Baron führt mich und der alte Hofmarschall Sie; daran könnte die prüdeste Duegna nichts auszusetzen haben. Jetzt kann ich mich nicht darüber erklären; aber gewiß spreche ich dort ohne Zwang einen gewissen Großen, der unsern guten Onkel aus seinen Verdrüßlichkeiten ziehen kann.« – »Jetzt, Madame, legen Sie[194] mir als Verbindlichkeit auf, was ich als Gefälligkeit ungern eingegangen wäre; denn in der That, mein Gemüth ist sonderbar erschüttert und sehr ernst gestimmt.« – »Eh, tant mieux, ma chere! so verjubeln Sie die Grillen! Nun genug; sie gehen; in einer Stunde schicke ich Ihnen das Maskenkleid. Addio, cara!« – Sie hüpfte wie ein junges Mädchen davon und ließ Albertinen ganz betäubt zurück.

Nach einer Stunde kamen wirklich ein zierliches Maskenkleid und zweihundert Thaler in Sechsern. Albertine packte ihre Juwelen zusammen und schrieb die Quittung, die den heillosesten Betrug der Habsucht bestätigte.

Jetzt wollte sie diese Scheidemünze in Gold umsetzen lassen, denn die Schuld war in Gold zu bezahlen, als ihre Kammerjungfer mit einem Billet von dem bösen Schuldner erschien, der ihr für gute Bezahlung dankte, die er durch einen Herrn erhalten hatte, und wogegen er ihr ihren Schuldschein zurück schickte. Lisette fragte[195] den Burschen aus; und nach dessen Beschreibung war der Herr kein anderer, als der Baron Weißensee gewesen; wie denn Lisette jetzt gestand, er habe durch sie selbst heute früh, da er ihrer Dame habe aufwarten wollen, ihre Verlegenheit erfahren, als er darauf bestanden hatte, die Ursache der Thränen, welche diese treue Dienerin vergoß, zu erfahren. Albertinens Delikatesse sträubte sich zwar gegen die Vorstellung, daß sie einem jungen Mann eine Geldverbindlichkeit habe; indeß, ganz in der Tiefe ihres Herzens wußte sie ihm für eine so warme Theilnahme Dank, und überdem stand es ja jetzt in ihrer Gewalt, die Schuld sogleich zu tilgen.[196]

Quelle:
Friederike Helene Unger: Albert und Albertine, Berlin 1804, S. 192-197.
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