Casta Piana

[121] Dein schwarzes, rotdurchflimmertes Haar,

Dein kaltes und süsses Augenpaar,

Deine Schönheit, die eigentlich keine,

Deine Brüste, geformt vom Teufel, o du!

Und deine feine Blässe dazu,

Gestohlen dem Mondenscheine,


Sie halten gefangen mich Nacht und Tag,

Du heilige Jungfrau vom Dachverschlag,

Die mit nicht geweihten Kerzen,

Mit heidnischen Aves man ehren muss,

Mit Gebeten dazu nach dem Angelus,

Das uns ruft zu unheiligen Scherzen.


Man riecht den Scheiterhaufen dir an,

Einen Lumpen machst du aus einem Mann,

Einen Schemen, durch deine Süsse,

In der Zeit, wo ein Ja man stammeln mag,

In der Zeit für ein lockendes: Guten Tag,

In der Zeit dir zu küssen die Füsse.
[121]

Deine Dachkammer ist ein Schreckensort,

Stets bist du auf deinem Lager dort

Und stellst manchem Schelm eine Falle,

Und wenn die Liebenden weitergehn

Mit all' deinen Sakramenten versehn,

Dann lachst du über sie alle.


Recht hast du, doch liebst du sicherlich

Mehr als die Alten und Jungen mich,

Die dich nicht traktieren können ....

Mich, der ich in deinen Künsten gewandt,

Mich, der genügend mit dir bekannt,

Um dir jede Feier zu gönnen.


Drum diese Falte fort geschwind,

Und maule nicht mehr länger, Kind!

Lass all deinen Balsam mich trinken,

Ja, lass versüsst, gesalzt und gewürzt,

Versüsst, gepfeffert und unverkürzt,

Deinen heiligen Balsam mich trinken.

Quelle:
Verlaine, Paul: Ausgewählte Gedichte. Leipzig 1983, S. 121-122.
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