[207] Inzwischen hatten Brétignot und seine Gefährten die kleine Anhöhe erreicht. Hier angekommen, beriethen sie über Mittel und Wege, ihr Mißgeschick zu beschwören. Ich schloß mich ihnen wieder an, nachdem ich diesmal mein Gewehr mit größter Vorsicht wieder geladen hatte.
Da redete mich Maximon an, d. h. in einem Tone, wie er einem Meister zukam.
»Sie haben geschossen? sagte er.[207]
– Ja!... das heißt... ja!... ich habe geschossen...
– Ein Rebhuhn?
– Gewiß ein Rebhuhn!«
Um Alles in der Welt hätt' ich meine Ungeschicklichkeit vor diesem Areopag nicht eingestanden.
»Und wo ist dieses Rebhuhn? fragte Maximon, meine leere Jagdtasche mit dem Ende seines Gewehres berührend.
– Verloren! versicherte ich mit frecher Stirn. Was meinen Sie? Ich hatte ja keinen Hund. Ja, wenn ich einen Hund gehabt hätte!«
Nun, bei so vielversprechendem Anfange kann's Einem doch nicht fehlen, ein richtiger Jäger zu werden.
Da rettete mich glücklich eine unerwartete Unterbrechung. Pontcloué's Hund hatte in der Entfernung von kaum zehn Schritten eine Wachtel aufgejagt. Unwillkürlich, wenn man will, aus reinem Instinct legte ich an und... Pang! – wie Matifat sagte...
Da kriegte ich aber eine Ohrfeige zur Strafe für meine fehlerhafte Gewehrhaltung, ja eine Ohrfeige, für die man nur Niemand Anderen mit Recht verantwortlich machen kann. Dem Krachen meines Gewehres folgte sofort das eines anderen, nämlich der Flinte Pontcloué's.
Durchlöchert wie ein Sieb fiel die Wachtel zur Erde, und der Hund überbrachte sie seinem Herrn, der sie ganz gemüthsruhig in die Jagdtasche versenkte.
Man that mir nicht einmal die Ehre an, zu vermuthen, daß ich doch auch Theil an diesem Morde haben könne. Doch ich sagte nichts, ich wagte nichts zu sagen. Es ist bekannt, daß ich von Natur furchtsam bin gegenüber Leuten, welche von einer Sache mehr verstehen als ich.
Meiner Treu, dieser erste Erfolg hatte den anderen wüthenden Wildverwüstern ordentlich Appetit gemacht. Man denke nur! Nach dreistündigem Jagen eine Wachtel auf sieben Jäger! Nein, es war unmöglich, daß dieser reiche Jagdgrund von Hérissart nicht noch eine andere enthalten hätte, und wenn es gelang, diese zu erlegen, so kam schon fast eine drittel Wachtel auf jeden Combattanten.[208]
Nach Uebersteigung der Höhe gelangte die Gesellschaft wieder auf frisch bearbeitetes Land. Mir sagten diese Furchen, welche Einen zu unförmlichen Schritten zwingen, die Erdschollen, die sich an die Füße kleben, nicht im Geringsten zu; ich ziehe ihnen den Asphalt der Boulevards denn doch bei weitem vor.
So wanderte unsere Gesellschaft mit ihrer Meute zwei volle Stunden, ohne etwas zu sehen. Schon runzelten sich die Augenbrauen. Eine Art wilde Reizbarkeit machte sich über Alles und über Nichts bemerkbar, ob ein Jäger nun mit dem Fuße gegen einen Klotz stieß oder ein Hand den anderen überholte. Kurz, es wurden allerhand Zeichen schlechter Laune sichtbar.
Endlich fliegen, vierzig Schritte von uns entfernt, Rebhühner auf. Ich wage nicht zu sagen »ein Volk«, denn das wäre mindestens ein bis zum Exceß vermindertes Volk gewesen.
Es bestand nämlich aus nicht mehr als zwei Rebhühnern.
Thut nichts! Ich schoß »in den Haufen« hinein, und auch diesesmal folgten dem Knall meines Gewehres gleich zwei andere Schüsse. Pontcloué und Matifat hatten gleichzeitig ihr Pulver reden lassen.
Eines der armen Thiere sank herab. Das Andere flog lustig davon und ließ sich in der Entfernung von einem Kilometer hinter einer Landwelle nieder.
Du beklagenswerthes Rebhuhn, welche Streitigkeiten hast du veranlaßt! Welche Auseinandersetzungen zwischen Matifat und
Pontcloué! Jeder behauptete der Urheber des Mordes zu sein. Da gab's ein Hin- und Herreden, verletzende Bemerkungen, bedauerliche Anspielungen! Und welche Ausdrücke!... »Wucherer!«... »Er nimmt Alles für sich in Anspruch!«... »Zum Teufel mit den Leuten, welche keine Scham im Leibe haben!«... »Das wäre gewiß das letzte Mal, daß man mit einander jagte!«... Und dazu noch andere liebenswürdige Reden und Gegenreden, welche meine Feder sich wiederzugeben sträubt.
In Wahrheit krachten die Schüsse der beiden Herren ganz zur nämlichen Zeit.
Ein Dritter war denselben zwar noch vorhergegangen. Aber darüber war ja kein Wort zu verlieren – wäre es denkbar gewesen, daß ich jenes Rebhuhn gefällt hätte? Urtheilen Sie nur selbst... ein Schüler!...[209]
In den Streit zwischen Matifat und Pontcloué glaubte ich mich nicht mischen zu sollen, nicht einmal mit der edelmüthigen Absicht, zu vermitteln! Wenn ich nicht selbst reclamirte, so kam das daher, daß ich von Natur furchtsam bin... nun, Sie kennen ja den Rest der Phrase.
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