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[397] Die von den Engländern unter Verletzung des Völker-wie des Menschenrechtes begangene greuliche Schandthat fand in der Alten wie in der Neuen Welt einen ungeheuren Widerhall. Von den Behörden in Niagara-Falls wurde eine Untersuchung darüber eingeleitet. Mac Leod war von Einzelnen derjenigen, welchen es gelungen war, der Abschlachtung und dem Feuertode zu entgehen, erkannt worden; übrigens zögerte dieser Verruchte gar nicht, sich offen zu rühmen, daß er es gewesen sei, der »die Geschichte gegen die verdammten Yankees so prächtig durchgeführt habe«.
Und doch lief die traurige Angelegenheit nur auf eine an England gerichtete Indemnitätsforderung hinaus, als Mac Leod im November 1840 in den Straßen von New-York verhaftet worden war.
Fox, der Vertreter Englands, verlangte dessen Auslieferung; die Bundesregierung verweigerte dieselbe. In der Pairskammer wie im Hause der Gemeinen wurde das Ministerium angegangen, Mac Leod in Freiheit setzen zu lassen, da[397] dieser nur gemäß den Befehlen der Königin gehandelt habe. Der Congreß antwortete auf dieses Verlangen mit einer Erklärung, welche die Rechte des Staates New-York einfach bestätigte. Diese Erklärung wurde als wirklicher casus belli aufgefaßt und das Vereinigte Königreich traf diesbezügliche Maßregeln.
Seinerseits bewilligte das Bundesparlament, indem es den Mordbrenner unter Anklage des überlegten Mordes vor die Assisen verwies, die nöthigen Geldmittel, und ohne Zweifel wäre der Krieg entbrannt, hätte nicht Mac Leod einen, übrigens kaum annehmbaren Alibi-Beweis beigebracht, der den Engländern wie den Amerikanern Gelegenheit bot, die schmachvolle Affaire zu vertuschen, worauf man den Schurken straflos laufen ließ.
So wurden die Opfer jenes entsetzlichen Ueberfalles der »Caroline« gerächt.
Nach der Niederlage der Aufständischen auf der Insel Navy erhielt Lord Gosford die Mittheilung, daß die Reformer auf eine weitere Empörung gegen die englische Regierungsgewalt verzichteten. Uebrigens waren deren hervorragendste Anführer theils versprengt, theils in den Gefängnissen von Montreal und Quebec eingekerkert, und Johann ohne Namen existirte nicht mehr.
Nichtsdestoweniger kam es im Jahre 1838 noch zu vereinzelten Erhebungen an verschiedenen Punkten der canadischen Provinzen.
Im Monat März geschah der erste derartige Versuch, hervorgerufen durch Robert Nelson, den Bruder des Mannes, der bei St. Denis befehligte, aber schon bei diesem ersten Auftreten einen Mißerfolg zu verzeichnen hatte.
In Napierville loderte eine zweite Emeute auf, in welcher zweitausend Patrioten im Kampfe gegen nur sechshundert Mann reguläre Truppen Sir John Colborne's – ohne fünfhundert Indianer und vierhundert Freiwillige mitzuzählen – im Gefecht von Odelltown in die Flucht geschlagen wurden.
Im Monat November ereignete sich der dritte Fall von Insurrection. Die Reformisten aus den Grafschaften Chambly, Verchères, Laprairie, Acadien, Terrebonne und Deux-Montagnes, unter Anführung Brière's, der Lorimier, der Rochon u.a., theilten sich in zwei Haufen von je hundert Mann. Der eine derselben stürmte einen Edelsitz, der von Freiwilligen vergeblich vertheidigt wurde; der andere bemächtigte sich eines Dampfbootes am Quai des Fleckens Beauharnais. Ferner unternahmen in Châteauquai Cardinal, Duquet, Lepailleur und Ducharme, welche die Wilden von Caughnawaga zur Ablieferung ihrer Waffen zwingen wollten, eine Art Streifzug, welcher gänzlich scheiterte. Endlich[398] organisirten Robert in Terrebonne, die beiden Sanguinet in Sainte-Anne, ferner Bouc, Gravelles, Roussin, Marie, Granger, Latour und Guillaume Prévost nebst seinen Söhnen die letzten Aufstandsversuche, welche das Ende der insurrectionellen Periode der Jahre 1837 und 1838 bezeichneten.
Jetzt schlug die Stunde der Wiedervergeltung. Die hauptstädtische Regierung ging dabei mit einer so unerbittlichen Rücksichtslosigkeit vor, daß diese schon mehr an Grausamkeit grenzte.
Am 4. November hatte Sir John Colborne unter Vollmacht der obersten Regierungsbehörden das Standrecht verkündigt und die Habeas corpus-Acte vorläufig aufgehoben. Nach Errichtung eines Kriegsgerichtes fällte dieses seine Urtheile mit einer wahrhaft empörenden Parteilichkeit und Leichtfertigkeit. Auf das Schaffot schickte dasselbe unter Andern Cardinal, Duquet, Robert, Hamelin, die beiden Sanguinet, Descogne, Narbonne, Nicolas, Lorimier, Hindelang und Daunais, deren Namen in der Martyreologie der franco-canadischen Geschichte niemals erlöschen werden.
Diesen Namen haben wir noch die einiger Personen hinzuzufügen, welche in dieser unserer Erzählung hervortraten, wie der Advocat Sebastian Gramont, Vincent Hodge, der ebenso starb wie sein Vater, mit demselben Muthe und für dieselbe Sache.
Da William Clerc auf amerikanischem Boden seinen Wunden erlegen war, überlebte André Farran, der sich nach den Vereinigten Staaten geflüchtet hatte, seine Kampfgenossen ganz allein.
Hierzu kommt nun die Liste der Verbannten. Sie umfaßte etwa fünfzig der hervorragendsten Patrioten, und es sollten gar viele Jahre vergehen, ehe diese in ihr Vaterland zurückkehren konnten.
Was den Abgeordneten Papineau angeht, den Politiker, dessen Persönlichkeit diesen ganzen Zeitraum der Erhebung nationaler Ansprüche beherrschte, so gelang es ihm zu entkommen. Ein langes Leben gestattete ihm, Canada noch im Besitz seiner Selbstregierung, wenn auch nicht seiner völligen Selbständigkeit zu sehen.
Papineau starb erst unlängst an der äußersten Grenze eines mit Recht geehrten Alters.
Wir haben nun noch nachzutragen, was aus Catherine Harcher geworden war. Von ihren fünf Söhnen, welche ihren Vater nach St. Charles und nach der Insel Navy begleitet hatten, waren nur zwei nach mehrjähriger[399] Verbannung nach der Farm von Chipogan heimgekehrt, und haben diese seitdem nicht wieder verlassen.
Was die Mahogannis angeht, welche an der Entwickelung des Aufstandes theilgenommen hatten, so wollte die Regierung sich ihrer nicht erinnern, so wenig wie des vortrefflichen Mannes, der wider Willen in Sachen verwickelt worden war, die »ihn ja gar nichts angingen«.
Meister Nick kehrte denn – übrigens recht überdrüssig einer hohen Stellung, die er nicht erstrebt – nach Montreal zurück, wo er das frühere Leben wieder anfing. Und wenn Lionel wieder als zweiter Schreiber an seinem Pulte in der Expedition am Markte Bon-Secours unter der Fuchtel eines Sagamore Platz nahm, so geschah das doch mit einem Herzen voll der Erinnerung an das, wofür er wirklich gern sein Leben geopfert hätte.
Beide bewahrten für immer das Andenken an die Familie Vaudreuil, ebenso wie an den durch seinen Tod wieder zu Ehren gekommenen Johann ohne Namen, den sagenhaften Helden Canadas.
Wenn diese Aufstände aber auch gescheitert waren, so hatten sie doch keimfähigen Samen in die Erde gesenkt. Mit dem Fortschritte, den die Zeit gebiert, mußte dieser Same aufgehen. Nicht umsonst vergießen Vaterlandsfreunde ihr Herzblut, um angestammte Rechte wieder zu erlangen. Möge das von keinem Lande vergessen werden, dem die Pflicht obliegt, seine Unabhängigkeit wieder zu fordern!
Die nacheinander an die Spitze der Colonie gestellten Gouverneure, Sidenham, Bagot, Metcalfe, Elgin und Monck, traten nach und nach einige Theile der früheren Vorrechte der Krone ab. Dann stellte die Verfassung von 1867 die canadische Conföderation auf unerschütterliche Grundlagen. Das war zu derselben Zeit, wo die Frage, welche Stadt die Hauptstadt der Dominion sein sollte, zu Gunsten Quebecs in Fluß kam, später aber zu Gunsten Ottawas entschieden wurde.
Heute ist die Erschlaffung des Verbindungsbandes mit der Metropole fast eine vollständige.
Canada bildet im eigentlichen Sinne eine freie Macht unter dem Namen der Dominion of Canada, wo die angel-sächsischen und die franco-canadischen Elemente sich in vollkommener Gleichstellung berühren. Von den jetzigen fünf Millionen Einwohnern gehört noch der dritte Theil der französischen Rasse an.[400]
Jedes Jahr vereinigt eine wahrhaft rührende Ceremonie die Patrioten von Montreal am Fuße der Säule, welche dem Andenken der politischen Opfer von 1837 und 1838 an der Schneeküste errichtet wurde. Hier wurde am Einweihungstage von Euclide Roy, dem Präsidenten des Instituts, eine erschütternde Rede gehalten, und deren letzte Worte fassen die Lehre zusammen, welche aus unserer Schilderung hervorgeht:
»Den Opfermuth ehren, heißt Helden gebären!«
Ende.
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