[114] Das war die erste Folge der edelmüthigen Regung, der James Burbank auch gehorcht hatte, als er seine Sclaven freiließ, ehe die föderirte Armee die Herrin des Landes geworden war.
Jetzt herrschten Texar und seine Genossen in der Stadt und Grafschaft. Sie konnten ungehindert jeden Gewaltact ausüben, zu dem ihre rohe und gefühllose Natur sie etwa trieb, das heißt, sie konnten ungestraft die größten Excesse begehen. Wenn es dem Spanier auf seine unbewiesenen Beschuldigungen hin auch nicht gelungen war, James Burbank seiner Freiheit zu berauben, so hatte er, in geschickter Benützung der Verhältnisse in Jacksonville, wo sich der größte Theil der Bewohnerschaft wegen der Haltung der Richter in der Angelegenheit des Besitzers von Camdleß-Bay in hocherregter Stimmung befand, nichtsdestoweniger sein Ziel erreicht. Nach Entlassung des sclavenfreundlichen Ansiedlers, der eben für seine ganze Besitzung die bedingungslose Freigebung verkündet hatte, des Nordstaatlers, der dem Feinde ohne Hehl den besten Erfolg wünschte, hatte Texar die große Masse urtheilsloser ungerechter Leute aufzuhetzen und die ganze Stadt zum Aufstande zu bringen gewußt. Nach dem er die Vertreibung der früheren, so compromittirten Beamten durchgesetzt, hatte er deren Stelle mit den Vorgeschrittensten seiner Partei ausgefüllt und eine Art Ausschuß gebildet, in dem die weißen kleinen Leute mit den Floridiern von spanischer Abkunft sich in die Gewalt theilten.
Daneben rief er schleunigst die schon lange bearbeiteten und mit dem Pöbel gemeinsame Sache machenden Milizen zusammen. Jetzt lag das Schicksal aller Bewohner der Grafschaft allein in seiner Hand.[114]
Wir müssen hier einfügen, daß James Burbank's Vorgehen auch seitens der Ansiedler, deren Besitzungen die beiden Ufer des Saint-John begrenzten, keine Zustimmung gefunden hatte. Diese mochten nicht mit Unrecht fürchten, daß ihre Sclaven versuchen könnten, sie zu demselben Schritte zu zwingen. Die große Menge der Pflanzer sahen, als Anhänger der Sclaverei und entschlossen, den Anforderungen der Unionisten Widerstand entgegen zu setzen, mit größter Unruhe den siegreichen Vormarsch der föderirten Armeen. Auch sie verlangten und erwarteten, daß Florida widerstehen würde, wie manche andere Südstaaten bisher widerstanden. Wenn die ganze Frage der Freilassung der Sclaven zu Anfang des Kampfes bei, ihnen einer gewissen Theilnahmlosigkeit begegnet war, so beeilten sie sich jetzt, unter die Fahnen Jefferson Davis' einzutreten. Sie waren vollkommen bereit, die Rebellen in ihren Maßregeln gegen die Regierung Abraham Lincoln's nach Kräften zu unterstützen.
Unter diesen Verhältnissen scheint es nicht wunderbar, daß es Texar, der sich auf die, bezüglich der Vertheidigung derselben Sache vereinigten Ansichten und Interessen stützte, nun gelungen war, seine Person, trotz der geringen Achtung, die er sonst genoß, mit obenan zu stellen. Jetzt konnte er als Herrscher handeln, doch weniger mit der Wirkung, den Widerstand mit Hilfe der Südstaatler zu organisiren und die Flottille des Commodore Dupont zurückzuweisen, als um seinen eigenen lasterhaften Neigungen zu fröhnen.
Bei dem eingewurzelten Hasse, den er gegen die Familie Burbank hegte, hatte es Texar auch seine erste Sorge sein lassen, die auf Camdleß-Bay stattgehabte Freilassung mit der gehässigen Maßregel zu beantworten, derzufolge alle Freigelassenen das Gebiet des Staates binnen achtundvierzig Stunden zu verlassen hatten.
»Gehe ich in dieser Weise vor, so sagte er für sich – so wahre ich die Interessen der unmittelbar bedrohten anderen Ansiedler. Ja, sie müssen diese Verordnung billigen, deren erste Wirkung die sein wird, jeden Sclavenaufstand innerhalb des Gebietes von Florida unmöglich zu machen.«
Die Mehrheit hatte denn wirklich dieser Verordnung Texar's, so sehr sie auch den Stempel der Willkür trug, ohne Bedenken zugestimmt. Ja, sie war eine willkürliche, ungerechte und unhaltbare. James Burbank befand sich völlig im Recht, wenn er seine Sclaven freigab. Dieses Recht besaß er von jeher. Er konnte dasselbe schon üben, ehe der unselige Krieg die Vereinigten Staaten in Folge der Sclavenfrage getrennt hatte. Dieses Recht konnte ihm in keinem[115] Falle verkümmert werden, und niemals hatte die Maßnahme Texar's die Gerechtigkeit, nicht einmal ein geschriebenes Recht zur Seite.
Jetzt sollte also zunächst Camdleß-Bay seiner natürlichen Beschützer beraubt werden – und in dieser Hinsicht schien der Spanier seinen Zweck vollkommen erreicht zu haben.
Das sah man im Castle-House auch ein, und vielleicht hätte man wünschen können, daß James Burbank den Tag abgewartet hätte, wo er in dieser Weise ohne Gefahr vorgehen konnte. Der Leser erinnert sich jedoch, daß er, vor dem Richterstuhle von Jacksonville beschuldigt, mit seinen Principien im Widerspruch zu sein, und aufgefordert, diese Nichtübereinstimmung zu beseitigen, seine Entrüstung nicht hatte zügeln können, daß er sich öffentlich ausgesprochen und auch öffentlich, vor dem ganzen Personal der Ansiedlung, zur Befreiung der Schwarzen von Camdleß-Bay vorschritt.
Da nun durch diese vollendete Thatsache die Lage der Familie Burbank und ihrer Gäste sich wesentlich schlimmer gestaltet hatte, mußte eiligst eine Entscheidung getroffen werden, was unter den gegebenen Umständen zu thun sei.
Noch an demselben Abend kam deshalb das Gespräch zuerst auf die Frage, ob überhaupt der Act der Freilassung noch in Berücksichtigung zu ziehen sei. Das wurde abgewiesen, da es auf keinen Fall an der Sachlage etwas geändert hätte. Texar würde auf diese verspätete Umkehr gewiß keinen Werth gelegt haben. Mit Einstimmigkeit hatten übrigens die Schwarzen der Pflanzung, als sie die gegen sie gerichtete, von der neuen Obrigkeit in Jacksonville verlesene Verordnung vernahmen, sich beeilt, das Beispiel Zermah's nachzuahmen – alle Freilassungsscheine waren einfach zerrissen worden. Um Camdleß-Bay nicht verlassen zu müssen, um nicht aus dem Lande gejagt zu werden, machten sie sich gern Alle wieder zu Sclaven bis zu dem Tage, wo sie durch Staatsgesetz die Erlaubniß erhielten, frei zu sein und frei zu leben, wo es ihnen beliebte.
Doch wozu konnte das dienen? Entschlossen, mit ihrem früheren Herrn die Ansiedlung, die ihre wahre Heimat geworden war, zu vertheidigen – würden sie das auch jetzt, da sie frei waren, mit gleicher Hingebung thun? – Gewiß, Zermah verbürgte sich für sie. James Burbank glaubte demnach, auf das einmal Geschehene nicht weiter zurückkommen zu sollen. Alle schlossen sich seiner Ansicht an; sie täuschten sich auch nicht, denn am nächsten Tage, als der vom Bürgerausschuß zu Jacksonville verlesene Befehl bekannt wurde, traten überall auf Camdleß-Bay die deutlichsten Anzeichen von Ergebenheit und unwandelbarer[116] Treue hervor, und wenn Texar seiner Verordnung durch Gewalt Nachdruck geben wollte, so mußte er ernsthaften Widerstand finden, denn Alle waren darüber einig, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.
»Und dann, sagte Edward Carrol, drängen uns die Ereignisse. In zwei Tagen, vielleicht in vierundzwanzig Stunden, wird die Sclavenfrage für Florida entschieden sein. Uebermorgen kann die föderirte Flottille sich die Mündungen des Saint-John mit Gewalt geöffnet haben, und dann...
– Und wenn die Milizen mit Hilfe der conföderirten Truppen sich dem zu widersetzen versuchten... warf Mr. Stannard ein.
– Wenn sie Widerstand leisten, so wird dieser nicht von langer Dauer sein, antwortete Edward Carrol. Ohne Schiffe, ohne Kanonenboote können sie sich weder der Einfahrt des Commodore Dupont, noch der Ausschiffung der Truppen Sherman's, so wenig wie der Besetzung von Fernandina, Jacksonville oder Saint-Augustine widersetzen. Nach Einnahme dieser Punkte sind die Föderirten die Herren von Florida. Dann bleibt Texar und seinem Gelichter nichts anderes übrig als die schleunigste Flucht.
– O, könnte man sich lieber dieses Menschen bemächtigen, rief James Burbank. Wenn er sich in den Händen der föderirten Justiz befindet, würden wir ja sehen, ob ihm immer und immer wieder ein Alibibeweis gelänge, um dem Galgen, den er schon lange verdient hat, zu entgehen!«
Die Nacht verstrich, ohne daß die Sicherheit des Castle-House in irgend welcher Weise gestört worden wäre. Und doch, wie ängstigten sich Frau Burbank und Miß Alice!
Am folgenden Tage, am 1. März, legte man sich auf die Lauer, um jedes von außen kommende Geräusch sogleich zu vernehmen, wenn die Pflanzung an diesem Tage auch noch nicht eigentlich bedroht erschien. Die Verordnung Texar's hatte die Ausweisung der Freigelassenen innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden verlangt. Entschlossen, diesem Befehl nicht nachzukommen, fand James Burbank die nöthige Zeit, seine Vertheidigungsmittel so gut wie möglich zu ordnen. Von Wichtigkeit war es, über alle Gerüchte, die vom Kriegsschauplatz kamen, unterrichtet zu sein. Hierdurch konnte jeden Augenblick die Sachlage eine Aenderung erleiden. James Burbank und sein Schwager stiegen also zu Pferde. Am rechten Ufer des Saint-John hinabreitend, begaben sie sich nach den Mündungen des Flusses, um deren Verzweigungen, die sich gegen zehn (englische) Meilen bis zu der San-Pablo-Spitze, welche den Leuchtthurm trägt, hinziehen, zu[117] besichtigen. Wenn sie an dem am anderen Ufer liegenden Jacksonville vorüberkamen, mußte es ihnen leicht sein, zu erkennen, ob eine Ansammlung von Booten irgend einen nahe bevorstehenden Handstreich seitens des Pöbels gegen Camdleß-Bay in Aussicht stellte. Nach einer halben Stunde hatten die beiden Reiter die Grenze der Ansiedlung überschritten und begaben sich nun weiter nach Norden.
Inzwischen tauschten Frau Burbank und Alice, im Park von Castle-House auf- und abgehend, ihre Gedanken aus. Mr. Stannard sachte vergeblich, sie etwas mehr zu beruhigen. Sie hatten einmal das Vorgefühl einer herannahenden Katastrophe.
Zermah hatte während derselben Zeit den verschiedenen Baracken einen Besuch abgestattet. Obwohl die ihnen drohende Ausweisung bekannt war, dachten die Schwarzen doch nicht im Geringsten daran, ihr Folge zu geben, sondern hatten alle die gewohnten Arbeiten wieder aufgenommen. Wer konnte es wagen, sie, die wie ihr früherer Herr und Meister entschlossen waren, Widerstand zu leisten, jetzt deshalb, weil sie ihre persönliche Freiheit erlangt, aus ihrem Adoptivvaterlande zu vertreiben? In dieser Hinsicht überbrachte Zermah ihrer Herrin die beruhigendsten Nachrichten. Auf das Personal von Camdleß-Bay konnte diese auf jeden Fall rechnen.
»Ja, sagte sie, alle meine Gefährten würden eher wieder Sclaven werden, wie ich es selbst gethan, als die Pflanzung und ihre Herrschaft im Castle-House zu verlassen; und wenn man sie dazu nöthigen will, so werden sie ihre Rechte zu vertheidigen wissen!«
Jetzt war nur noch die Rückkehr James Burbank's und Edward Carrol's abzuwarten. Heute, am 1. März, lag wenigstens schon die Möglichkeit vor, die föderirte Flottille in Sicht des Leuchtthurmes von San-Pablo auftauchen und vielleicht gar noch die Einfahrt in den Saint-John unternehmen zu sehen. Die Conföderirten zählten unbedingt nicht so viel Milizen, um die ganze Einfahrt zu besetzen, und die dann unmittelbar bedrohten Behörden von Jacksonville wären auch nicht mehr im Stande gewesen, ihre Drohungen gegen die Freigelassenen von Camdleß-Bay wahr zu machen.
Der Verwalter Perry machte inzwischen seinen gewohnten täglichen Besuch auf den verschiedenen Holzplätzen und in den Werkstätten der Pflanzung. Auch er konnte sich dabei von der besten Gesinnung der Schwarzen durch den Augenschein überzeugen. Obwohl es ihm gar nicht paßte, beobachtete er, daß trotz der veränderten Verhältnisse deren Arbeitslust und Ergebenheit gegen die Familie[118] Burbank noch ganz die früheren waren. Zur Abwehr jedes Angriffes, den der Pöbel von Jacksonville gegen sie unternehmen konnte, waren Alle gleichmäßig fest entschlossen. Nach der Meinung Perry's, der an seinen Anschauungen bezüglich der Sclaverei jetzt noch hartnäckiger als je hing, konnten diese schönen Gefühle nur nicht lange anhalten und die Natur würde über kurz oder lang doch ihre Rechte fordern. Wenn sie einmal die Freiheit gekostet, würden die neuen Freigelassenen von selbst in das frühere dienstbare Verhältniß zurückkehren, würden wieder zu dem Range herabsteigen, den ihnen die Natur in der Stufenleiter ihrer Geschöpfe – das heißt hier zwischen Mensch und Thier – angewiesen hatte.
Bei seinem Rundgange begegnete er dem aufgeblasenen Pygmalion. Dieser Faselhans hatte noch immer seine stolze Haltung vom Abend vorher beibehalten. Wenn man ihn so dahinstolzieren sah, die Hände auf dem Rücken und den Kopf hoch aufgeworfen, so erkannte man auf den ersten Blick, daß er jetzt »ein freier Mann« war. Jedenfalls fiel es ihm gar nicht ein, zu arbeiten.
»Ah, guten Tag, Herr Perry, begann er selbstbewußten Tones.
– Was machst Du denn, Faulpelz?
– Ich gehe spazieren. Habe ich nicht das Recht, nichts zu thun, da ich jetzt kein elender Sclave mehr bin und meinen Freilassungsschein in der Tasche trage?
– Und wer wird Dich denn später ernähren, Pygmalion?
– Ich selbst, Herr Perry.
– Und wie denn?
– Indem ich esse wie zuvor.
– Wer wird Dir aber zu essen geben?
– Mein Herr.
– Dein Herr... Hast Du denn schon vergessen, daß Du keinen Herrn mehr hast, Einfaltspinsel?
– Nein, ich habe keinen und werde später auch keinen haben; Herr Burbank wird mich schon nicht von der Pflanzung verweisen, wo ich ihm, ohne zu prahlen, doch einige Dienste leiste.
– Im Gegentheil, er wird Dich wegschicken!
– Er wird mich fortschicken?
– Ohne Zweifel. Wenn Du ihm noch gehörtest, könnte er Dich trotz Deines Nichtsthuns behalten. Von der Minute an dagegen, wo Du ihm nicht[119] mehr gehörst, wird er Dich, wenn Du nicht arbeiten willst, mir nichts dir nichts vor die Thüre setzen, und dann werden wir ja sehen, was Du mit Deiner Freiheit anfängst, armer Tropf!«
Offenbar hatte Pygmalion die Sache von dieser Seite noch nicht betrachtet.
»Wie, Herr Perry, Sie glauben, Herr Burbank könnte so grausam sein, mich...
– Von Grausamkeit ist gar keine Rede, unterbrach ihn der Verwalter, es ist die Logik der Thatsachen, welche das herbeiführt. Ob Herr Burbank übrigens will oder nicht, vom Bürgerausschuß in Jacksonville ist eine Verordnung[120] eingegangen, welche ihm die Ausweisung aller Freigelassenen aus Florida zur Pflicht macht.
– Ist das wahr?
– Nur zu wahr, und es wird sich jetzt zeigen, wie Du und Deine Kameraden Euch aus der Klemme ziehen werdet, wo Ihr nun einen Herrn nicht mehr habt.
– Ich will aber Camdleß-Bay nicht verlassen! rief Pygmalion... Da ich frei bin...[121]
– Ja, Du hast die Freiheit fortzugehen, nicht aber als Freier hier zu bleiben. Ich rathe Dir also, bald Deine suchen zu packen.
– Und was soll aus mir werden?
– Das ist eben Deine Sache.
– Nun, da ich einmal frei bin... fuhr Pygmalion fort, der hierauf stets zurückkam.
– Das scheint mir noch nicht hinreichend.
– Sagen Sie mir doch, was ich thun soll, Herr Perry!
– Was Du thun sollst? Wahrlich, so höre... und folge meinen Darlegungen, wenn Du es im Stande bist.
– Ich bin es.
– Du bist nun Freigelassener, nicht wahr?
– Ja, gewiß, Herr Perry, und ich wiederhole Ihnen, ich habe meinen Freilassungsschein in der Tasche.
– Nun, so... zerreiße ihn!
– Nimmermehr.
– Ja, wenn Du das nicht willst, sehe ich für Dich nur ein einziges Mittel, um im Lande bleiben zu können.
– Und das wäre?...
– Wechsle Deine Hautfarbe, Schwachkopf, wechsle sie doch, Pygmalion, schnell! Wenn Du ein Weißer geworden bist, wirst Du berechtigt sein, auf Camdleß-Bay zu wohnen – sonst nicht.«
Sichtlich befriedigt, den hohen Einbildungen Pygmalion's diese kleine Lection ertheilt zu haben, drehte der Verwalter dem verdutzten Burschen den Rücken zu.
Pygmalion blieb in Gedanken versunken stehen. Er sah wohl ein, daß es für ihn, um seinen Platz zu erhalten, nicht hinreichte, nicht mehr Sclave zu sein, er sollte auch ein Weißer werden. Doch wie zum Teufel konnte er nur anfangen, auf Verlangen weiß zu erscheinen, dessen Haut die Natur tief ebenholzschwarz gefärbt hatte?
Und als Pygmalion nach der Wohnung der Dienstleute zurückkehrte, da kratzte er sich ganz gehörig hinter den Ohren.
Kurz vor Mittag waren James Burbank und Edward Carrol wieder im Castle-House zurück. Auf der Seite nach Jacksonville zu hatten sie nichts Verdächtiges bemerkt. Die Boote lagen an ihren gewohnten Plätzen, die einen[122] an der Uferwand des Hafens vertäut, die anderen etwas weiter draußen im Wasser verankert. Auf dem linken Ufer des Saint-John hatten sich einzelne Abtheilungen von Conföderirten gezeigt, die in nördlicher Richtung nach der Grafschaft Nassau zu marschirten. Vorläufig schien also nichts Camdleß-Bay zu bedrohen.
Am Strande der verzweigten Mündung angelangt, hatten James Burbank und sein Begleiter ihre Blicke auf das hohe Meer hinausschweifen lassen. Kein Segel erschien am Horizonte, keine Rauchsäule eines Dampfers zog am Himmel hin, welche die Annäherung eines Geschwaders angezeigt hätten. Vorbereitungen zur Vertheidigung waren auf diesem Theile der floridischen Küste nirgends getroffen, weder Strandbatterien noch Brustwehren hatte man errichtet, überhaupt nichts vorgesehen, um die Ausmündung abzusperren. Wenn sich die föderirten Schiffe entweder an der Nassau-Bucht oder an der Mündung des Saint-John zeigten, konnten sie, ohne Hindernisse zu finden, eindringen. Nur der Leuchtthurm von Pablo war außer Dienst gestellt. Seine abgetragene große Laterne konnte die schmale Fahrstraße nicht mehr erkennen lassen; doch das erschwerte die Einfahrt der Flottille ja nur während der Nacht.
So lautete der Bericht der Herren Burbank und Carrol, als sie zum Frühstück zu Hause wieder eingetroffen waren.
Weiterhin diente zur Beruhigung, daß sich auch in Jacksonville keine Bewegung beobachten ließ, die auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf Camdleß-Bay hindeutete.
»Richtig, bemerkte Mr. Stannard, beunruhigend erscheint allein, daß die Schiffe des Commodore Dupont noch nicht in Sicht sind. Hier liegt eine Verzögerung vor, die mir unerklärlich vorkommt.
– Ja, meinte auch Edward Carrol, wenn die Flottille vorgestern in See gegangen und aus der Bai von Saint-Andrews abgesegelt ist, mußte sie sich jetzt vor Fernandina befinden.
– Seit einigen Tagen ist sehr schlechte Witterung gewesen, erwiderte James Burbank, möglicher Weise hat sich Commodore Dupont bei den herrschenden scharfen Westwinden gezwungen gesehen, weiter auf die hohe See hinauszugehen. Inzwischen hat sich der Wind jedoch gelegt und es würde mich gar nicht wundern, wenn noch diese Nacht....
– Möchte der Himmel Dich erhören, lieber James, und uns endlich zu Hilfe kommen! sagte Frau Burbank.[123]
– Doch, Herr Burbank, bemerkte Alice, wie könnte die Flottille, da der Leuchtthurm von Pablo gelöscht ist, diese Nacht in den Saint-John einsegeln?
– In den Saint-John, das wäre freilich unthunlich, meine liebe Alice, bestätigte James Burbank, doch bevor die Föderirten die Mündung des Flusses selbst angreifen, müssen sie sich erst der Insel Amelia und dann des Fleckens Fernandina bemächtigen, um die Bahnlinie nach Cedar-Keys in die Hand zu bekommen. Ich erwarte die Fahrzeuge des Commodore Dupont noch nicht vor drei bis vier Tagen, denn eher können sie kaum den Saint-John hinaufsegeln.
– Du hast Recht, James, antwortete Edward Carrol, und ich hoffe, die Einnahme von Fernandina allein wird genügen, um die Conföderirten zum Rückzuge zu veranlassen. Vielleicht räumen die Milizen sogar Jacksonville, ohne die Ankunft der Kanonenboote abzuwarten. In diesem Falle wäre Camdleß-Bay durch Texar und seine Mordgesellen gar nicht mehr bedroht...
– Das ist wohl möglich, meine Freunde, erwiderte James Burbank. Die Föderirten brauchen gewiß nur den Fuß auf das Gebiet Floridas zu setzen, und es bedarf nichts weiter, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. – Von der Pflanzung her hat man nichts Neues gehört?
– Nein, Herr Burbank, erklärte Alice. Ich erfuhr nur durch Zermah, daß die Schwarzen ihre Beschäftigung auf den Zimmerplätzen, in den Wäldern und Werkstätten wieder aufgenommen haben. Sie versicherte, daß die Leute jeden Augenblick bereit seien, bis zum letzten Mann für die Vertheidigung von Camdleß-Bay einzutreten.
– Hoffen wir noch, daß es uns erspart bleibt, ihre Ergebenheit auf diese harte Probe zu stellen. Entweder bin ich in starkem Irrthum befangen, oder jene Schurken, welche sich mit Gewalt in den Besitz der Macht gesetzt haben, flüchten aus Jacksonville, sobald die Föderirten nur im Fahrwasser von Florida auftauchen. Trotzdem müssen wir auf unserer Hut sein. Ist es Ihnen recht, Stannard, uns, Carrol und mich, nach dem Frühstück zu begleiten, wenn wir zur Besichtigung der am meisten ausgesetzten Theile der Ansiedlung aufbrechen? Ich kann natürlich nicht wünschen, daß Sie, lieber Freund, und Alice im Castle-House etwa noch größeren Gefahren, als in Jacksonville selbst, ausgesetzt wären. Ich würde es mir wahrlich nicht verzeihen können, Sie hierher gerufen zu haben, wenn die Dinge eine gar zu schlimme Wendung nähmen.
– Wären wir, mein lieber James, antwortete Stannard, in unserer Wohnung zu Jacksonville zurückgeblieben, so litten wir höchst wahrscheinlich[124] schon jetzt unter den Bedrückungen der dortigen Behörde, wie Alle, deren Abneigung gegen die Sclaverei kein Geheimniß ist....
– Und erscheint es denn, Herr Burbank, fügte Alice hinzu, in jedem Falle, selbst wenn die Gefahren hier größer sein sollten, nicht besser, daß wir sie Alle theilen?
– Ja, gewiß, meine liebste Tochter, antwortete James Burbank. Doch bis jetzt habe ich noch die beste Hoffnung und denke, Texar wird kaum Zeit finden, seinen gegen meine Leute gerichteten Erlaß zur Durchführung zu bringen.«
Während des Nachmittags und bis zum Mittagessen besuchten James Burbank und seine beiden Freunde die verschiedenen Baracken, wobei auch Perry sie begleitete. Sie konnten sich überzeugen, daß die Stimmung der Schwarzen nichts zu wünschen übrig ließ. James Burbank glaubte die. Aufmerksamkeit seines Verwalters auf den Eifer richten zu sollen, mit dem die neuen Freigelassenen sich ihrer Arbeit hingaben. Kein Einziger derselben fehlte bei einem Namensaufrufe.
»Ja, ja... erwiderte Perry; erst müssen wir aber wissen, wie sie ihre Arbeiten jetzt verrichten.
– Aber, Perry, diese wackeren Schwarzen haben doch beim Wechsel ihrer gesellschaftlichen Lage nicht auch ihre Arme gewechselt, oder meinen Sie das?
– Noch nicht, Herr Burbank, antwortete der Starrkopf, dagegen werden Sie bald genug wahrnehmen, daß sie an den Armen nicht mehr dieselben Hände haben...
– Ich dächte gar, Perry, lachte James Burbank... Ich meine, ihre Hände werden stets fünf Finger haben, und vernünftiger Weise kann man doch nicht mehr verlangen.«
Nach Beendigung der Besichtigung kehrte James Burbank mit seinen Begleitern nach dem Castle-House zurück. Der Abend verging bei mehr beruhigter Stimmung als der vorige. Beim Ausbleiben jeder neuen Nachricht von Jacksonville fing man schon an sich der Hoffnung hinzugeben, daß Texar wohl darauf verzichten werde, seine Drohungen wahr zu machen, oder daß ihm wohl auch die Zeit zur Ausführung derselben fehlen möge.
Nichtsdestoweniger wurden für die Nacht die umfassendsten Maßregeln getroffen. Perry und seine Unterverwalter ordneten Patrouillengänge längs der Grenze der Besitzung und vorzüglich am Ufer des Saint-John an. Die Schwarzen waren verständigt worden, sich auf ein gegebenes Alarmzeichen an der Palissaden-[125] umzäunung einzufinden, und an deren enges Thor wurden Wachposten aufgestellt.
Wiederholt erhoben sich Burbank und seine Freunde, um nachzusehen, ob allen Befehlen streng nachgekommen sei. Als die Sonne wieder erschien, hatte kein Vorfall die Ruhe der übrigen Bewohner von Camdleß-Bay gestört.
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