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[126] Am folgenden Morgen, dem 2. März, erhielt James Burbank weitere Nachrichten durch einen seiner Unterverwalter, der, ohne den geringsten Verdacht zu erwecken, den Fluß überschreiten und von Jacksonville hatte heimkehren können.
Diese Nachrichten, an deren Zuverlässigkeit nicht zu zweifeln war, erschienen, wie der Leser sehen wird, von großer Bedeutung.
Der Commodore Dupont hatte mit Anbruch des Tages in der Bai von Saint-Andrews, östlich der Küste von Georgia, Anker geworfen. Der »Wasbah«, auf dem seine Flagge gehißt war, segelte an der Spitze eines Geschwaders von sechsundzwanzig Fahrzeugen, nämlich achtzehn Kanonenbooten, einem Rammschiff, einem bewaffneten Transportschiff und sechs anderen Transportschiffen, welch' letztere die Brigade des Generals Wright an Bord hatten.
Wie Gilbert in seinem letzten Briefe schon gemeldet, begleitete General Sherman diese Expedition.
Unverzüglich hatte der Commodore Dupont, dessen Eintreffen die ungünstige Witterung verzögert hatte, die nöthigen Maßnahmen angeordnet, um die Fahrstraßen von Saint-Mary in seine Gewalt zu bekommen. Diese sehr schwierigen Wasserstraßen öffnen sich an der Mündung des gleichnamigen Rio im Norden der Insel Amelia, an der Grenze zwischen Georgia und Florida.
Fernandina, der Hauptpunkt der Insel, wurde durch das Fort Clinch vertheidigt, dessen dicke Mauern eine Besatzung von fünfzehnhundert Mann bargen,[126] und man hätte wohl voraussetzen können, daß die Südstaatler in diesem Festungswerke, das sich zu einer längeren Vertheidigung recht wohl eignete, den föderirten Truppen ernsthaften Widerstand leisten würden.
Das bestätigte sich jedoch nicht. Nach dem, was der Unterverwalter berichtete, ging in Jacksonville vielmehr das Gerücht, die Conföderirten hätten das Fort Clinch schon geräumt, als sich das feindliche Geschwader nur in der Bai von Saint-Mary zeigte, und nicht allein das Fort Clinch, sondern sie hätten auch Fernandina selbst, sowie die Insel Cumberland und überhaupt diesen ganzen Theil der Küste von Florida aufgegeben.
Bis hierher reichten die nach dem Castle-House gelangten Nachrichten. Da die Föderirten endlich in Florida gelandet waren, mußte der ganze Staat binnen kurzer Zeit in ihre Hände fallen. Wohl mochten einige Tage darüber vergehen, ehe die Kanonenboote die Barre des Saint-John überschritten hatten. Schon ihre Anwesenheit flößte indeß gewiß der unlängst eingesetzten Behörde von Jacksonville den nöthigen Respect ein, und man konnte wohl hoffen, daß Texar und die Seinigen, schon aus Furcht vor einer etwaigen Wiedervergeltung, nicht wagen würden, etwas gegen die Pflanzung eines so hervorragenden Ansiedlers wie James Burbank zu unternehmen.
Das war eine wirkliche Erleichterung für die ganze Familie, deren frühere Furcht jetzt sogleich froher Hoffnung Platz machte, und Alice Stannard ebenso wie Frau Burbank gewährte es neben der Gewißheit, daß Gilbert nicht mehr weit von ihnen war, die Aussicht, daß sie diesen, die eine ihren Verlobten, die andere ihren Sohn, bald wiedersehen würden, ohne daß sie für seine Sicherheit zu bangen brauchten.
Wirklich hätte der junge Lieutenant jetzt nur dreißig Meilen zurückzulegen gehabt, um von Saint-Andrews aus den kleinen Hafen von Camdleß-Bay zu erreichen. Eben jetzt befand er sich an Bord des Kanonenbootes »Ottawa«, und dieses Kanonenboot hatte sich gerade durch eine Kriegsthat ausgezeichnet, welche in der Marinegeschichte noch ohne Beispiel dastand.
Am Morgen des 2. März hatte sich nämlich Folgendes ereignet, wovon der Unterverwalter bei seinem kurzen Aufenthalte in Jacksonville nichts hören konnte und das doch zum vollen Verständniß der nachfolgenden ernsten Ereignisse zu wissen nöthig ist.
Gleich nach der Capitulation des Fort Clinch seitens der conföderirten Besatzung, entsandte der Commodore Dupont einige nur mäßig tief gehende[127] Fahrzeuge nach dem Canal von Saint-Mary. Schon hatte sich, die südstaatlichen Truppen auf den Fersen, die weiße Bevölkerung ins Innere des Landes zurückgezogen und alle Flecken, Dörfer und Ansiedlungen kopfüber verlassen. Es war eine wirkliche Panik, entstanden durch die Vorstellungen harter Vergeltungsmaßregeln, welche die Secessionisten irrthümlicher Weise von den Anführern der Föderirten fürchteten. Und nicht nur in Florida, sondern auch an den Grenzen von Georgia, im ganzen zwischen den Baien von Ossabow und von Saint-Mary liegenden Theile des Staates suchten die Einwohner ihr Heil in schleunigster Flucht, um den Landungstruppen von der Brigade Wright zu entgehen. Unter diesen Verhältnissen hatten die Schiffe des Commodore Dupont keinen einzigen Kanonenschuß abzugeben, um sich des Forts Clinch und Fernandinas zu bemächtigen, nur das Kanonenboot »Ottawa«, auf dem Gilbert, immer von Mars begleitet, die Stelle des zweiten Officiers versah, kam, wie der Leser gleich sehen wird, dazu, seine Feuerschlünde spielen zu lassen.
Die Stadt Fernandina ist mit der westlichen Küste von Florida, welche sich dem Golf von Mexiko zuwendet, durch eine Bahnlinie verbunden, die von hier aus nach dem Hafen von Cedar-Keys verläuft. Diese Eisenbahn folgt zuerst dem Strande der Insel Amelia, und überschreitet dann vor Erreichung des Festlandes auf einer auf Baumstämmen ruhenden Brücke die Nassau-Bucht.
Gerade als die »Ottawa« in der Mitte dieser Bucht erschien, rollte ein Zug über jene Brücke. Die Besatzung von Fernandina entfloh eben und nahm Proviant und die Kriegsgeräthe mit sich; ihr folgten noch verschiedene hervorragende Personen der Stadt. Das Kanonenboot machte sofort Dampf auf, flog rauschend an die Brücke heran und gab aus seinen Jagdgeschützen Feuer und zwar ebenso auf die Holzstützen wie gegen den forteilenden Zug. Gilbert, der auf dem Vorderdecke stand, leitete die Kanonade, welche sich durch mehrere glückliche Treffer auszeichnete. Unter anderen schlug ein Geschoß so in den letzten Wagen des Zuges ein, daß es sowohl dessen Achsen zertrümmerte, als auch die Verbindungskette nach vorn zu zerriß. Ohne sich einen Augenblick aufzuhalten – was ihn ja in sehr schlimme Lage versetzt hätte – flog der Zug weiter, ohne auf den letzten Wagen Rücksicht zu nehmen. Diesen überließ er einfach seinem Schicksal und mit aller Macht vorwärts dampfend verschwand er bald im Südwesten der Halbinsel. In diesem Augenblick drang eine Abtheilung der Föderirten in Fernandina ein. Ein Theil derselben stürmte nach der Brücke, und
binnen weniger Minuten war der Wagen mit seinen Insassen, meist Civilpersonen, gefangen genommen. Man führte darauf Alle dem ersten Officier, dem Oberst Gardner, der in Fernandina commandirte, zu, hielt dieselben, um ein Beispiel zu geben, auf einem der Fahrzeuge des Geschwaders achtundvierzig Stun[128] den lang eingesperrt und ließ sie dann laufen.
Als der Eisenbahnzug verschwunden war, mußte die »Ottawa« sich begnügen, ein mit Kriegsmaterial beladenes Schiff anzugreifen, das sich in die Bai geflüchtet hatte und bald weggenommen wurde.[129]
Dieser Vorfall war ganz geeignet, die conföderirten Truppen ebenso wie die Einwohner der Städte Floridas zu entmuthigen, und vorzüglich in Jacksonville trat das deutlich zu Tage. Die Mündungen des Saint-John mußten danach ganz ebenso aufgelassen werden, wie das bei denen des Saint-Mary der Fall gewesen war, das unterlag schon keinem Zweifel mehr; wahrscheinlich aber fanden die Unionisten auch in Jacksonville, in Saint-Augustine und endlich in allen Ortschaften der Grafschaft überhaupt keinen weiteren Widerstand.
Der Familie Burbank diente das natürlich zu großer Beruhigung. Unter diesen Verhältnissen konnte man es glauben, daß Texar nicht wagen würde, seinen bisherigen Plan durchzuführen. Seine Spießgesellen mußten ja wohl, allein durch die Gewalt der Thatsachen, bald wieder gestürzt werden, und dann nahm nothwendiger Weise der bessere Theil der Bevölkerung die Leitung der Stadt wieder in die Hand, die ihr eine Pöbelempörung zeitweilig entrissen hatte.
Offenbar hatte man Grund genug so zu denken, und folglich auch Grund genug, neue Hoffnung zu schöpfen. Als das Personal von Camdleß-Bay diese Nachrichten erfuhr, welche in Jacksonville schon verbreitet und bezüglich ihrer Wichtigkeit erkannt waren, gab es seiner Freude durch laute Hurrahs Ausdruck, zu denen auch Pygmalion nach Kräften beitrug.
Immerhin durfte man sich vorläufig noch nicht der Sorge für diejenigen Maßregeln entschlagen, welche die Sicherheit der Ansiedlung noch während einiger Zeit, das heißt, bis die Kanonenboote des Nordens auf dem Flusse erschienen, erhöhen sollten.
Nein, das durfte man entschieden nicht! Unglücklicher Weise sollte – und das konnte James Burbank leider nicht voraussehen und nicht einmal ahnen – doch eine ganze Woche verstreichen, bis die Föderirten in die Lage kamen, den Saint-John hinauf zu segeln und sich zu Herren des Stromlaufes zu machen. Bis dahin konnte aber noch manches Unheil über die Ansiedlung von Camdleß-Bay hereinbrechen.
In der That sah sich der Commodore Dupont, obwohl er Fernandina immer besetzt hielt, doch genöthigt, mit einer gewissen Vorsicht vorzugehen. Es gehörte zu seiner Aufgabe, die föderalistische Flagge an allen Punkten zu entfalten, nach denen seine Schiffe nur gelangen konnten. Deshalb mußte er sein Geschwader theilen. Ein Kanonenboot wurde in den Fluß Saint-Mary beordert, um die gleichnamige kleine Stadt zu besetzen und etwa zwanzig Meilen weit ins Land einzudringen. Drei andere Kanonenboote unter Führung des[130] Capitän Gordon erhielten den Befehl, im Norden alle Baien zu durchsuchen, sich der Inseln Jykill und Saint-Simon zu bemächtigen und die beiden kleinen Städte Brunswik und Darien einzunehmen, welche theilweise von ihren Bewohnern verlassen waren. Sechs Dampfboote von geringerem Tiefgang waren dazu bestimmt, unter dem Befehl des Commandanten Stevens den Saint-John hinauszufahren, um Jacksonville zu unterwerfen. Der von Dupont selbst geführte Rest des Geschwaders endlich sollte wieder in See stechen, um Saint-Augustine in seine Gewalt zu bekommen und gleichzeitig die Küste bis zum Mosquito-Inlet zu blockiren, deren Wasserstraßen damit für jede Kriegscontrebande gesperrt werden sollten.
Alle diese Operationen konnten aber unmöglich während der nächsten vierundzwanzig Stunden durchgeführt werden, und vierundzwanzig Stunden genügten, um das Gebiet der Verwüstung durch die Südstaatler auszuliefern.
Es mochte gegen drei Uhr Nachmittags sein, als James Burbank die ersten Zeichen von dem bemerkte, was man gegen ihn im Schilde führte. Nachdem der Oberverwalter Perry nämlich einen Rundgang um die Grenzen der Pflanzung unternommen, kehrte er rasch zum Castle-House zurück und sagte:
»Herr Burbank, es ist mir die Meldung zugegangen, daß zahlreiche verdächtige Erscheinungen aufgetaucht sind, welche sich Camdleß-Bay zu nähern suchen.
– Von Norden her, Perry?
– Ja, von Norden.«
Fast gleichzeitig kam Zermah von dem kleinen Hafen hergelaufen und meldete ihrem Herrn, daß mehrere Boote den Fluß überschritten und nach dem Ufer zu hielten.
»Kommen sie von Jacksonville?
– Jedenfalls.
– Begeben wir uns ins Castle-House, antwortete James Burbank, und Du, Zermah, verläßt dasselbe unter keiner Bedingung.
– Gewiß nicht, Herr.«
James Burbank konnte den Seinigen, als er sich wieder unter ihnen befand nicht verheimlichen, daß die Lage beunruhigend zu werden beginne. In Erwartung eines Angriffes, der jetzt nur zu gewiß erschien, war es doch besser, daß Alle im Voraus davon wußten.
»Diese elenden Schurken, sagte Mr. Stannard, sollten es also am Vortage, wo sie sicher erdrückt werden, noch wagen...[131]
– Ja, antwortete James Burbank sehr kühl. Texar kann sich eine solche Gelegenheit, an uns Rache neh men zu können – wo er gewiß schon bereit ist, nach Befriedigung derselben zu entweichen – doch nicht entgehen lassen.«
Dann fuhr er lebhafter fort:
»Sollen denn die Verbrechen dieses Menschen stets unbestraft bleiben!... Sollte er sich immer der Gerechtigkeit zu entziehen wissen!... Wahrlich, erst lernt man an der menschlichen und dann vielleicht an der göttlichen Gerechtigkeit zweifeln....
– James, fiel Frau Burbank ein, lästere nicht Gott in dem Augenblicke, wo wir vielleicht mehr als je auf seine Hilfe zählen müssen....
– Und vertrauen wir uns seinem allmächtigen Schutze!« fügte Alice Stannard hinzu.
James Burbank gewann seine gewohnte Kaltblütigkeit wieder und traf ruhig die nächsten Anordnungen zur Vertheidigung des Castle-House.
»Die Schwarzen sind doch benachrichtigt? fragte Edward Carrol.
– Das soll nicht auf sich warten lassen, erwiderte James Burbank. Meine Ansicht geht dahin, daß wir uns auf die Vertheidigung der Umplankung, welche den reservirten Park und das Wohnhaus umschließt, zu beschränken haben. Wir können gar nicht daran denken, schon an der Grenze von Camdleß-Bay vielleicht eine ganze Schaar Bewaffneter abzuwehren, denn es ist höchst wahrscheinlich, daß unsere Angreifer in großer Anzahl auftreten werden. Wir müssen unsere Vertheidiger also bei der Umplankung sammeln; sollte unglücklicher Weise die Palissade genommen werden, so kann das Castle-House, das schon den Banden der Seminolen widerstanden hat, uns auch gegen die Banden Texar's Schutz gewähren. Meine Frau, Alice und Dy, ebenso wie Zermah, deren Obhut ich alle Drei anvertraue, dürfen das Castle-House ohne meinen Befehl' nicht verlassen. Im Falle, daß wir auch da allzusehr bedrängt würden, habe ich Vorsorge getroffen, daß diese sich durch den Tunnel retten können, der mit der kleinen Bucht Marino im Saint-John in Verbindung steht. Dort wird unter dem Ufergesträuch ein Boot mit zwei Mann versteckt liegen, und in diesem Falle wirst Du, Zermah, mit jenen den Fluß hinauf fahren und eine Zuflucht in dem Lusthause auf dem Cedernstein suchen.
– Aber Du, James?
– Und Du, Vater?«[132]
Frau Burbank und Miß Alice hatten, die eine James Burbank's, die andere Mr. Stannard's Arm ergriffen, als sei der Augenblick zur Flucht aus dem Castle-House schon gekommen.
»Wir werden das Menschenmögliche thun, um uns Euch anzuschließen, wenn unsere Stellung hier ganz unhaltbar würde, antwortete James Burbank. Ihr müßt mir aber das Versprechen geben, Euch bei zu sehr anwachsender Gefahr in jener Zufluchtsstätte auf dem Cedernstein in Sicherheit zu bringen. Wir werden dann mehr Muth, ja, mehr Kühnheit haben, die Uebelthäter zurückzutreiben und bis zum letzten Büchsenschuß zu widerstehen.«
Offenbar war das das Richtigste, wenn die zu zahlreichen Angreifer nach Ueberwindung der Palissade den Park überschwemmten, um das Castle-House unmittelbar zu stürmen.
James Burbank beschäftigte sich nun sofort damit, sein Personal zusammenzurufen. Perry und die Unterverwalter eilten nach den verschiedenen Baracken, um ihre Leute zu sammeln. Nach weniger als einer Stunde waren die Schwarzen, zum Gefecht ausgerüstet, nahe dem Thore vor der Umplankung aufgestellt. Deren Frauen und Kinder hatten vorläufig Zuflucht in den Camdleß-Bay umgebenden Waldungen suchen müssen.
Unglücklicher Weise erwiesen sich die Hilfsmittel zur Vorbereitung einer ernsthaften Abwehr im Castle-House als ziemlich beschränkte.
Wie die Verhältnisse lagen, wäre es fast unmöglich gewesen, sich Waffen und Schießbedarf in einer zum Schutze der Pflanzung ausreichenden Menge zu beschaffen. In Jacksonville wenigstens hätte man solche vergeblich zu kaufen gesucht. Man mußte sich also mit dem begnügen, was nach dem letztvorhergegangenen Kampfe gegen die Seminolen übrig geblieben war.
Kurz, James Burbank's Plan lief nur darauf hinaus, Castle-House vor Brandstiftung und Plünderung zu schützen. Die ganze Ansiedlung zu vertheidigen, die Holzplätze, Ateliers und Werkstätten zu retten, die Baracken zu erhalten und eine Verwüstung der Pflanzung zu verhindern, daran hätte er nicht denken können und dachte auch gar nicht daran. Höchstens standen ihm vierhundert Schwarze zu Gebote, die er den Angreifern entgegenstellen konnte, und diese Leute waren noch obendrein sehr mangelhaft bewaffnet. Einige Dutzend Flinten wurden unter die gewandtesten derselben vertheilt, während die Präcisionsgewehre für James Burbank, seine Freunde, Perry und die Unterverwalter bestimmt blieben. Alle hatten sich nach dem kleinen Thore begeben. Hier wurden die[133] Mannschaften so vertheilt, um einem Sturme auf die Umzäunung bestens widerstehen zu können, da die Palissade überdies durch einen kleinen Wasserlauf dicht vor derselben vertheidigt wurde.
Es ist fast selbstverständlich, daß Pygmalion inmitten dieses Tumults höchst geschäftig und ruhelos hin und her lief, ohne etwas zu nützen. Man hätte ihn für einen jener Komiker in den Jahrmarktscircussen halten können, welche sich die Miene geben, als könnten sie Alles ausführen und – zur großen Belustigung der Zuschauer – gar nichts thun. Obwohl Pygmalion sich sehr stark zu den Vertheidigern des Herrenhauses rechnete, dachte er doch nicht im Geringsten daran, sich seinen draußen stehenden Kameraden anzuschließen. Eine solche Ergebenheit gegen James Burbank hätte er nimmer empfunden.
Da nun Alles bereit war, wartete man der Entwicklung der Dinge. Zunächst kam es darauf an zu wissen, von welcher Seite aus der Angriff erfolgen würde. Wenn der Feind von der nördlichen Seite her in die Pflanzung eindrang, konnte eine wirksamere Vertheidigung ins Werk gesetzt werden. Griff jener dagegen von dem Flusse her an, so mußte diese schwerer werden, da Camdleß-Bay nach dieser Seite ganz offen lag. – Eine Landung hat freilich immer größere Schwierigkeiten, und jedenfalls bedurfte es einer größeren Anzahl von Booten, um einen bewaffneten Haufen von einem Ufer des Saint-John nach dem anderen überzusetzen.
Darüber sprachen James Burbank und die Herren Carrol und Stannard, während sie die Leute zurückerwarteten, welche nach der Grenze der Besitzung ausgesendet worden waren.
Es sollte nicht lange dauern, bis die Art, wie der Angriff eingeleitet wurde, zu Tage kam.
Um viereinhalb Uhr Nachmittags strömten diejenigen Aufpasser schleunigst zusammen, welche die Nordseite der Pflanzung überwacht hatten, und machten ihre betreffende Meldung.
Ein Haufen bewaffneter Männer, die aus jener Richtung herkamen, bewegte sich auf Camdleß-Bay zu, doch konnte man noch nicht unterscheiden, ob es eine Abtheilung Milizen der Grafschaft oder nur ein von der voraussichtlichen Plünderung angelockter Pöbelhaufen war, der es übernommen hatte, Texar's Befehl Nachdruck zu geben. Auf jeden Fall mußte dieser Haufen aber tausend Mann zählen und es unmöglich sein, ihm mit dem Personal der Pflanzung auf die Dauer zu widerstehen. Höchstens durfte man hoffen, daß das Castle-House,[134] wenn jene die Palissade durch Sturm nahmen, ihnen einen ernsthafteren und längeren Widerstand entgegensetzen werde.
Das eine lag jedoch auf der Hand, daß dieser Haufen eine Landung hier gar nicht versucht hatte, die in dem kleinen Hafen oder an den Ufern von Camdleß-Bay große Schwierigkeit gefunden hätte, und daß derselbe den Saint-John flußaufwärts von Jacksonville in mindestens fünfzig Fahrzeugen überschritten haben mochte. Da hatten wohl drei bis vier Ueberfahrten hingereicht, Alle über das Wasser zu bringen.
Es war also eine weise Vorsicht gewesen, die James Burbank beobachtet hatte, seine Leute alle bei der Umplankung des Castle-House zu vereinigen, weil es doch unmöglich gewesen wäre, die Grenze der Ansiedlung einer hinreichend bewaffneten und an Zahl fast dreifach überlegenen Truppe streitig zu machen.
Zweifelhaft blieb es, wer die Angreifer anführte, und ob das vielleicht gar Texar selbst war. In derselben Stunde, wo er sich durch die föderirten Truppen bedroht sah, würde es mehr als kühn erschienen sein, sich an die Spitze seiner Bande zu stellen, und wenn er es doch gethan hätte, so konnte es nur in der Absicht geschehen sein, nach Befriedigung seiner Rache und Zerstörung der Pflanzung, vielleicht auch nachdem die Familie Burbank ermordet oder im Kampfe gefallen, sofort nach den südlicheren Gebieten zu entfliehen, etwa um sich bis nach den Evergladen zu begeben, welche ihm durch ihre versteckte Lage im unteren Florida eine ziemlich sichere Zuflucht boten.
Diese schlimmste Möglichkeit hatte James Burbank vor allem ins Auge zu fassen gehabt und aus eben diesem Grunde sorgte er zunächst für die Sicherheit seiner Gattin, seiner Tochter und Alice Stannard's, die unter der Obhut der mit der Oertlichkeit vertrauten Zermah auf dem Cedernstein, der etwa eine Meile oberhalb Camdleß-Bay lag, eine sichere Zuflucht finden mußten. Waren sie gezwungen, Castle-House den Angreifern preis zu geben, so wollte er mit seinen Freunden sich daselbst seiner Familie anschließen, um im Verborgenen den Zeitpunkt abzuwarten, wo die Sicherheit ehrbarer Leute unter dem Schutze der föderirten Armeen nicht mehr angetastet werden konnte.
Deshalb wartete auch, versteckt in dem Ufergebüsch des Saint-John, ein mit zwei Schwarzen bemanntes Boot am Ausgang des Tunnels, der das Herrenhaus mit der Marino-Bucht in Verbindung setzte. Doch bevor es zu dieser Trennung kam – wann dieselbe auch nothwendig wurde – galt es sich zu vertheidigen, während einiger Stunden, mindestens bis zum Anbruch der Nacht,[135] Widerstand zu leisten. Unter dem Schutze der Dunkelheit konnte das Boot dann unbemerkt den Fluß hinausfahren, ohne Gefahr zu laufen, von den verdächtigen Fahrzeugen, welche sich jetzt auf dessen Gewässern tummelten, verfolgt zu werden.
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