Achtes Capitel.
In welchem der Professor und seine Schüler sich nur mit Sextillionen, Quintillionen und anderen Mehrheiten von Milliarden angeben.

[325] Eine Viertelstunde später fanden sich die Besucher der Hansa in dem allgemeinen Wohnraum vereinigt, wo die letzten Worte des Professors ihre Erklärung finden sollten.

Auf Anordnung des Letzteren hatte Ben-Zouf verschiedene auf dem Tische stehende Gegenstände weggeräumt und hinlänglichen freien Platz geschaffen. Die von dem Juden Hakhabut entliehenen Silberstücke wurden nun auf den Tisch gelegt, und zwar sortirt nach ihrem Werthe, zwei Säulchen von je zwanzig Fünffrancsstücken, ein solches von zehn Zweifrancsstücken und noch eines von zwanzig Fünfzigcentimesstücken.

»Meine Herren, begann Palmyrin Rosette mit sichtlicher Selbstzufriedenheit, da Sie im Moment des Stoßes die Vorsicht außer Acht gelassen haben, ein Metermaß und ein Kilogrammgewicht von der alten Erde zu retten, mußte ich auf Mittel denken, diese beiden Objecte, welche mir zur Berechnung der Anziehung, Masse und Dichtigkeit meines Kometen unentbehrlich sind, auf andere Weise zu ersetzen.«

Diese Einleitung war sowohl etwas lang, als auch der Art, wie sie ein Redner meist vorauszuschicken pflegt, der seiner Sache und des beabsichtigten Eindruckes auf die Zuhörer sicher ist.

Weder Kapitän Servadac, noch Graf Timascheff oder Lieutenant Prokop erhoben Einspruch gegen diesen einzigen Vorwurf, den Palmyrin Rosette ihnen machte. Sie kannten ja seine beliebte Art und Weise.

»Ich habe mich, meine Herren, nahm der Professor wieder das Wort, zuvor überzeugt, daß diese verschiedenen Münzen ziemlich neu und weder durch den Gebrauch abgenutzt, noch etwa von dem Juden beschnitten waren. Sie befinden sich in der That in dem erwünschten Zustande, welcher meinen Operationen die nothwendige Genauigkeit sichert. Zunächst denke ich mich ihrer also zu bedienen, um sehr zuverlässig die Länge des irdischen Meters zu erhalten.«[325]

Hector Servadac und seine Gefährten durchschauten die Absicht des Professors schon, ehe er sie ausgesprochen hatte. Ben-Zouf freilich glotzte den Professor an, als sähe er einem Zauberkünstler zu, der in irgend einer Bude des Montmartre seine Künste produciren wollte.

Der Professor begründete aber seine erste Operation, zu welcher ihm der Gedanke urplötzlich kam, als er die Silbermünzen in Isaak Hakhabut's Geldkasten klingen hörte, auf Folgendes:

Die französischen Münzen sind streng nach dem Decimalsysteme ausgeprägt, nämlich 1. ein, zwei, fünf und zehn Centimes in Kupfer; 2. zwanzig und fünfzig Centimes, ein, zwei und fünf Francs in Silber; 3. fünf, zehn' zwanzig, fünfzig und hundert Francs in Gold.

Ueber dem Franc existiren also alle in die Decimalrechnung passenden Mehrheiten eines solchen; unter demselben alle entsprechenden Theile. Der Franc bildet den Maßstab.

Ueberdies – und hierauf fußte der Professor zunächst – sind diese verschiedenen Geldstücke genau kalibriri, und ihr durch das Gesetz bestimmt vorgeschriebener Durchmesser wird bei der Ausmünzung strengstens eingehalten. Um nur von den Stücken zu fünf und zwei Francs und von denen zu fünfzig Centimes zu sprechen, so zeigen die ersten einen Durchmesser von siebenunddreißig Millimetern, die zweiten einen solchen von siebenundzwanzig und die letzten von achtzehn Millimetern.

War es also nicht möglich, durch Nebeneinanderlegen einer gewissen Anzahl Stücke von verschiedenem Werthe ein genau zu bestimmendes Längenmaß zu erhalten, das mit den tausend Millimetern des irdischen Meters übereinstimmte?

Gewiß; der Professor wußte das recht gut und nahm deshalb von den mitgebrachten vierzig Fünffrancsstücken zehn, ferner die zehn Zweifrancsstücke, und die zwanzig Münzen zu fünfzig Centimes.

Er entwarf auf einem Blättchen Papier schnell folgende Berechnung, die er seinen Zuhörern zeigte:


10Stückzu5Francsà0m,037=0m,370

10Stückzu2Francsà0m,027=0m,270

20Stückzu50Cent.à0m,018=0m,360

Summa1m,000.
[326]

»Sehr schön, lieber Professor, sagte Hector Servadac, wir hätten diese vierzig Geldstücke also nur so dicht an einander zu legen, daß eine gerade Linie alle Mittelpunkte derselben schneidet, um genau die Länge eines irdischen Meters zu erhalten.

– Alle Wetter, rief Ben-Zouf es ist doch hübsch, so gelehrt zu sein!

– Das nennt er schon gelehrt!« meinte Palmyrin Rosette achselzuckend.

Die zehn Fünffrancsstücke wurden also auf der Tischplatte so neben einander gelegt, daß eine gerade Linie ihre Mittelpunkte verband, hierauf die zehn Zweifrancsstücke und endlich die zwanzig Fünfzigcentimesstücke. Durch Einschnitte in den Tisch bezeichnete man sodann die beiden Enden dieser Linie.

»Hier, meine Herren, erklärte der Professor, haben Sie die genaue Größe des irdischen Meters.«

Bei dem Verfahren beobachtete man die peinlichste Genauigkeit. Mittels eines Zirkel wurde dieser Meter dann in zehn gleiche Theile getheilt und dadurch die Länge des Decimeters bestimmt. Ein nach diesem Maße zugeschnittenes Holzstäbchen erhielt der Mechaniker der Dobryna.

Letzterer, ein sehr geschickter Mann, hatte sich ein hinreichendes Stück der unbekannten Masse verschafft, welche den Vulkan bildete, und brauchte dieses blos rechtwinklig, jede Seite in der Länge eines Decimeters zuzuschneiden, um einen tadellosen Würfel zu erhalten, wie ihn Palmyrin Rosette gewünscht hatte.

Ein Metermaß war also geschaffen. Jetzt handelte es sich noch um ein Kilogrammgewicht.

Das erschien noch leichter ausführbar.

Die französischen Münzen haben nämlich nicht nur eine streng vorgeschriebene Größe, sondern auch ein sehr genau berechnetes Gewicht.

Die Fünffrancsstücke z.B. wiegen genau fünfundzwanzig Gramm, oder fünfmal das Gewicht eines Franc, welches fünf Gramm beträgt.1[327]

Durch Zusammenhäufung von vierzig Fünffrancsstücken erhielt man also das Gewicht eines Kilogrammes.

Kapitän Servadac und seine Freunde sahen das ohne nähere Darlegung ein.


»Hier, meine Herren, haben Sie die Größe des irdischen Meters. (S. 327.)
»Hier, meine Herren, haben Sie die Größe des irdischen Meters. (S. 327.)

»Ei, ei, sagte Ben-Zouf, ich merke wohl, daß es zu alledem nicht ausreicht, gelehrt zu sein, man muß auch ...[328]

– Nun, was denn? fragte Hector Servadac.

– Man muß auch ziemlich reich sein!«


Der Zeiger schwankte kurze Zeit hin und her. (S. 331)
Der Zeiger schwankte kurze Zeit hin und her. (S. 331)

Alle lachten herzlich über diese Bemerkung des wackeren Ben-Zouf.

Einige Stunden später ward der sehr sorgfältig bearbeitete Würfel fertig und von dem Mechaniker dem Professor ausgehändigt.

Palmyrin Rosette besaß nun ein Kilogrammgewicht, einen Würfel von einem Decimeter Seitenlänge und dazu eine Schnellwaage, befand sich also in[329] der Lage, die Anziehungskraft, Masse und Dichtigkeit seines Kometen berechnen zu können.

»Meine Herren, sagte er, ich muß Ihnen hierbei, im Fall, daß Sie es nicht kennten – oder vielmehr, daß es Ihnen wieder entfallen wäre – Newton's berühmtes Gesetz in's Gedächtniß zurückrufen, nach welchem die Anziehungskraft im geraden Verhältnisse zur Masse und im umgekehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung steht. Ich ersuche Sie, diesen Lehrsatz immer im Auge zu behalten.«

Wie eifrig er docirte, der gelehrte Professor! Aber welch' folgsame Schüler hatte er auch vor sich!

»Hier sehen Sie, fuhr er fort, eine Anzahl von vierzig Fünffrancsstücken in diesem Beutelchen vereinigt. Dieselben würden auf der Erde genau ein Kilogramm wiegen. Befänden wir uns also auf genanntem Planeten und ich hinge das Säckchen an den Haken der Schnellwaage, so würde deren Zeiger genau auf 1 Kilogramm weisen. Ist das Ihnen klar?«

Bei diesen Worten heftete Palmyrin Rosette die Augen immer auf Ben-Zouf. Er ahmte hiermit Arago nach, der bei seinen Vorträgen stets Denjenigen unter den Zuhörern anzusehen pflegte, den er für den mindest Begabten hielt; schien es ihm dann, als habe ihn dieser Zuhörer verstanden, so hielt er sich von der Klarheit seiner Demonstration überzeugt.2

In unserem Falle war nun Ben-Zouf zwar nicht gerade unbegabt zu nennen, dafür aber der Unwissendste, und das kam ja auf Eines hinaus.

Da Ben-Zouf von der Richtigkeit seiner Worte überzeugt schien, so setzte der Professor seinen Vortrag weiter fort.

»Diese vierzig Geldstücke, meine Herren, werde ich jetzt an dem Haken der Schnellwaage befestigen, und da ich auf der Gallia operire, werden wir erfahren, wieviel sie auf der Gallia wiegen.«[330]

Das Päckchen ward angehängt, der Zeiger schwankte kurze Zeit hin und her und stellte sich auf dem Kreisbogen auf 133 Gramm ein.

»Nun also, erklärte Palmyrin Rosette, was auf der Erde ein Kilogramm wiegt, wiegt auf der Gallia nur 133 Gramm, demnach etwa siebenmal weniger. Ist das klar?«

Ben-Zouf machte ein Zeichen der Zustimmung und der Professor docirte höchst ernsthaft weiter.

»Jetzt werden Sie auch begreifen, daß ich dieses Resultat wohl mit einer Federwaage, keineswegs aber mit einer gewöhnlichen Balkenwaage erhalten konnte. Die beiden Schalen, auf welche ich einerseits das Säckchen mit den Münzen und andererseits ein Kilogrammgewicht gelegt hätte, wären eben im Gleichgewicht geblieben, da das Gewicht beider vollkommen gleichmäßig vermindert sein mußte. Verstanden?

– Sogar von mir, meldete sich Ben-Zouf.

– Wenn sich hier nun das Gewicht eines Körpers siebenmal geringer herausstellt als auf der Erde, so ist auch daraus zu schließen, daß die Intensität der Schwerkraft eine siebenmal geringere sein wird.

– Ganz richtig! bestätigte Kapitän Servadac, über diesen Punkt wären wir also einig. Nun lassen Sie uns, lieber Professor, zur Bestimmung der Masse übergehen.

– Nein, erst zu der der Dichtigkeit, entgegnete Palmyrin Rosette.

– Da wir das Volumen der Gallia schon kennen, sagte Lieutenant Prokop, so ergiebt sich nach Bestimmung ihrer Dichtigkeit die Masse derselben allerdings fast von selbst.«

Die Bemerkung des Lieutenants war ganz richtig; es erübrigte nur noch die Berechnung der Dichtigkeit der Gallia.

Der Professor schickte sich dazu an. Er gebrauchte dazu den aus dem Bergmateriale geschnittenen Block, welcher genau einen Würfel von einem Decimeter Seite darstellte.

»Dieser Block, meine Herren, sagte er, besteht aus der bisher unbekannten Substanz, welche Sie bei Gelegenheit ihrer Rundfahrt überall an der Oberfläche unserer Gallia angetroffen haben. Es scheint wirklich, als sei mein Komet daraus einzig und allein gebildet. Das Uferland, der Vulkan, die inneren Terrains im Norden wie im Süden, bestehen durchweg aus diesem[331] Mineral, für welches Sie bei Ihrer Unkenntniß in der Geologie nicht einmal den Namen fanden.

– Leider; dagegen erführen wir so gern etwas über die Natur dieser Substanz, sagte Hector Servadac.

– Ich glaube zu dem Schlusse berechtigt zu sein, fuhr Palmyrin Rosette fort, daß die Gallia ganz allein aus diesem Stoffe besteht. Hier ist ein Kubik-Decimeter dieses Stoffes. Was würde derselbe auf der Erde wiegen? Er müßte genau siebenmal so viel wiegen als auf der Gallia, da, ich wiederhole es, die Anziehungskraft auf meinem Kometen gegenüber der auf der Erde um das Siebenfache vermindert ist. Haben Sie mich verstanden, Sie, der Sie mich mit weit offenen Augen ansehen.«

Die letzten Worte galten Ben-Zouf.

»Nein, gestand dieser offenherzig.

– Nun, ich mag meine Zeit nicht damit verlieren, Ihnen das besonders verständlich zu machen. Jene Herren sind sich über meine Worte klar, das genügt mir.

– Brummbär! murmelte Ben-Zouf.

– Wiegen wir also diesen Würfel, sagte der Professor. Es ist dasselbe, als hinge ich den Kometen selbst an den Waagenhaken.«

Das Stück Mineral ward an der Schnellwaage befestigt und der Zeiger stellte sich auf dem Gradbogen bei 1 Kilogramm 330 Gramm ein.

»Ein Kilo dreihundertdreißig Gramm multiplicirt mit Sieben, rief Palmyrin Rosette, ergiebt nahezu zehn Kilo. Da die Dichtigkeit der Erde etwa gleich Fünf ist, so erreicht die der Gallia die doppelte Ziffer. Ohne diesen Umstand, dieses hohe specifische Gewicht, würde die Schwerkraft auf meinem Kometen statt des siebenten Theiles der Anziehungskraft auf der Erde nur den fünfzehnten Theil derselben betragen.«

Man bemerkte leicht, daß der Professor diese Worte mit einem gewissen Stolze aussprach. Wenn die Erde seinen Kometen an Umfang übertraf, so übertraf dieser jene an Dichtigkeit, und er wäre auf einen Tausch zwischen beiden Weltkörpern sicher nicht eingegangen.

Nachdem jetzt also der Durchmesser, der Umfang, die Oberfläche, das Volumen, die Dichtigkeit der Gallia und die Intensität der Schwerkraft an ihrer Oberfläche festgestellt waren, blieb nur noch die Berechnung ihrer Masse, mit anderen Worten ihres eigentlichen Gewichtes, auszuführen übrig.[332]

Diese Rechnung war bald vollendet. Da ein Kubik-Decimeter des Gallia-Materiales bei der Wägung auf der Erde zehn Kilogramm gewogen hätte, so mußte das Gesammtgewicht der Gallia zehnmal so viel Kilogramm erreichen, als sie Kubik-Decimeter Masse enthielt. Da dieses Volumen, wie wir wissen, 211,433,460 Kubik-Kilometer betrug, so drückte sich die Anzahl der Kubik-Decimeter durch eine Zahl von einundzwanzig Ziffern aus; diese erreichte nämlich (wir schreiben die Zahl der Uebersichtlichkeit wegen hier nicht ausschließlich mit Ziffern) 211 Quintillionen 433 Quatrillionen und 460 Trillionen. Diese Zahl repräsentirte also in irdischen Kilogrammen die Masse oder das Eigengewicht der Gallia.

Es blieb letzteres demnach unter jenem der Erde um 4 Sextillionen 788 Quintillionen 570 Quatrillionen 540 Trillionen Kilogramm zurück.

»Wie viel wiegt denn eigentlich die Erde? fragte Ben-Zouf, dem diese Milliarden von Millionen den Kopf etwas verdrehten.

– Nun, weißt Du denn, was eine Milliarde bedeutet? fragte ihn Kapitän Servadac.

– So ungefähr, Herr Kapitän.

– So wisse denn, daß seit der Geburt Jesu Christi bis heute noch nicht eine Milliarde Minuten verstrichen ist,3 und hättest Du seit jener Zeit eine Milliarde Francs Schulden und in jeder Minute einen Franc davon abgezahlt, so wärst Du heute noch nicht mit der Zahlung fertig!

– Einen Franc jede Minute! rief Ben-Zouf. Da hätte mich schon die erste Viertelstunde ruinirt! – Aber was wiegt denn eigentlich die Erde?

– Nun, 5175 Sextillionen Kilogramm, belehrte ihn Lieutenant Prokop, eine Zahl von fünfundzwanzig Ziffern.

– Und der Mond?

– Der Mond wiegt 72 Sextillionen Kilo.

– Mehr nicht? antwortete Ben-Zouf. Aber die Sonne? ...

– Wiegt 2 Nonillionen, antwortete der Professor, eine Zahl von einunddreißig Ziffern.[333]

– Zwei Nonillionen! rief Ben-Zouf, wahrscheinlich genau auf das Gramm?«

Palmyrin Rosette sah Ben-Zouf verächtlich über die Achsel an.

»Also wiegt jeder Gegenstand, fiel Hector Servadac ein, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, an der Oberfläche der Gallia siebenmal weniger als auf der Erde.

– Gewiß, erwiderte der Professor, unsere Muskelkraft ist hier also versiebenfacht, und wer auf der Erde hundert Kilo zu tragen vermochte, würde es hier auf siebenhundert bringen.

– Aha, deshalb springen wir hier auch siebenmal höher, bemerkte Ben-Zouf.

– Gans richtig, antwortete Lieutenant Prokop, und wäre die Masse der Gallia noch geringer, Ben-Zouf, so würdet Ihr noch höher in die Luft schnellen.

– Sogar über den ganzen Montmartre hinweg! setzte der Professor mit den Augen blinzelnd hinzu, um Ben-Zouf zu ärgern.

– Wie groß ist die Intensität der Schwerkraft aber auf den anderen Himmelskörpern? fragte Hector Servadac.

– Das haben Sie also glücklich vergessen! rief der Professor. Sie waren freilich immer nur ein ziemlich schlechter Schüler.

– Das muß ich zur eigenen Schande gestehen, antwortete Kapitän Servadac.

– Nun, so hören Sie. Die Erde gleich 1 gesetzt, so beträgt die Anziehung auf dem Monde 0,16; auf dem Jupiter 2,45; auf dem Mars 0,50; auf dem Merkur 1,15; auf der Venus 0,92, d.i. fast ebenso viel als auf der Erde; auf der Sonne 28; auf letzterer würde 1 irdisches Kilogramm also 28 Kilo schwer sein!

– Ferner, bemerkte Lieutenant Prokop dazu, würde ein Mensch mit einem dem unsrigen entsprechenden Körperbaue sich nach einem Falle nur schwer wieder aufrichten können, und eine Kanonenkugel könnte nur einige Dutzend Meter weit fliegen.

– Da wär' ja für feige Memmen ein herrliches Schlachtfeld, sagte Ben-Zouf.

– O nein, versetzte Kapitän Servadac, denn sie wären dort zu schwer, um ausreißen zu können.[334]

– Ei, plauderte Ben-Zouf weiter, da wir noch stärker wären und noch höher springen könnten so bedauere ich nur, daß die Gallia einst nicht noch etwas kleiner ausfiel, als sie es wirklich ist. Freilich hätte das seine Schwierigkeiten gehabt!«

Dieser Wunsch mußte nothwendig die Eigenliebe Palmyrin Rosette's, des Eigenthümers besagter Gallia, kränken und ihn zu einer tadelnden Gegenbemerkung herausfordern.

»Da hören Sie nur, rief er, ist der Kopf dieses Ignoranten nicht so schon leicht genug? Er mag sich nur in Acht nehmen, daß er ihm nicht einmal durch einen Windstoß entführt wird.

– Schon gut, schon gut, erwiderte Ben-Zouf, dann halte ich ihn eben mit beiden Händen fest.«

Palmyrin Rosette sah wohl ein, daß er dem zungenfertigen Ben-Zouf gegenüber doch nicht das letzte Wort behalten werde und wollte sich schon entfernen, als ihn Kapitän Servadac durch eine Handbewegung zurückhielt.

»Verzeihung, lieber Professor, sagte er, noch eine Frage. Ist Ihnen nicht bekannt, aus welcher Substanz unsere Gallia eigentlich besteht?

– Vielleicht doch, antwortete Palmyrin Rosette. Die Natur dieser Substanz ... ihre Dichtigkeit von 10... ich möchte fast behaupten ... Ah, das wäre etwas, den Ben-Zouf gründlich zu beschämen. Er wag' es nur noch einmal, seinen Maulwurfshaufen mit meinem Kometen vergleichen zu wollen!

– Was würden Sie zu behaupten wagen? fragte Kapitän Servadac.


Diese Substanz ist nichts Anderes als eine Verbindung von Tellur und Gold. (S. 335.)
Diese Substanz ist nichts Anderes als eine Verbindung von Tellur und Gold. (S. 335.)

– Daß diese Substanz nichts Anderes ist, fuhr der Professor unter scharfer Betonung jeder Silbe fort, als eine Verbindung von Tellur ...

– Puh, von Tellur ... rief Ben-Zouf.

– Von Tellur und Gold, ein Körper, der sich (z.B. im Schrifterz) auf der Erde nicht allzu selten findet, und da in dieser Verbindung siebzig Procent Tellur enthalten sind, so schätze ich ihren Goldgehalt auf dreißig Procent.

– Dreißig Procent! wiederholte Hector Servadac verwundert.

– Es ergäbe das, wenn man die specifischen Gewichte beider Körper, welche im Mittel zusammen dann Zehn ausmachen, in Anschlag bringt, genau die Zahl, welche die Dichtigkeit der Gallia repräsentirt.

– Ein Komet von Gold! rief Kapitän Servadac.[335]

– Der berühmte Maupertuis hielt das für leicht möglich, und die Gallia bestätigt seine Annahme.

– Wenn die Gallia aber, mischte sich Graf Timascheff in das Gespräch, einst auf die Erde zurückfällt, so wird sie alle bestehenden Münzverhältnisse plötzlich umstoßen, indem thatsächlich nur neunundzwanzig Milliarden und vierhundert Millionen (Francs) Gold in Umlauf sind.[336]

– Gewiß, antwortete Palmyrin Rosette, und da der Block von Tellurgold, welcher uns trägt, nach irdischem Gewichte 211 Quintillionen 433 Quatrillionen 460 Trillionen Kilogramm wiegt, so bringt er etwa 72 Quintillionen Kilogramm Gold nach der Erde. Da ferner ein Kilogramm Gold dreitausendfünfhundert Francs ergiebt, so entspricht das Ganze einer Summe von 246 Sextillionen Francs – eine Zahl von vierundzwanzig Ziffern.


Wie schön waren diese Gallia-Nächte! (S. 339.)
Wie schön waren diese Gallia-Nächte! (S. 339.)

[337] – Sobald das aber eintritt, setzte Hector Servadac hinzu, wird der Preis des Goldes auf Null sinken, und es wird jenes mehr als jemals die Bezeichnung eines ›nutzlosen Metalles‹ verdienen.«

Die letzten Worte hatte der Professor nicht mehr gehört. Majestätisch verließ er nach seiner letzten Antwort den Wohnraum und begab sich nach seinem Observatorium.

»Zu was in aller Welt aber, fragte Ben-Zouf, nützen nur solche Berechnungen, die der gelehrte Bärenbeißer wie Taschenspieler-Kunststückchen zum Besten giebt?

– Häufig zu gar nichts, antwortete Kapitän Servadac, aber gerade das verleiht ihnen einen besonderen Reiz.«

Fußnoten

1 Gewichte der verschiedenen Münzen Frankreichs:

Gold: 100 Frcs. wiegen 32,25 Gr.; 50 Frcs. = 16,12 Gr.; 20 Frcs. = 6,45 Gr.; 10 Frcs. = 3,22 Gr.; 5 Frcs. = 1,61 Gr.

Silber: 5 Frcs. wiegen 25 Gr.; 2 Frcs. = 10 Gr.; 1 Frc. = 5 Gr.; 50 Cent. = 2,5 Gr.

Kupfer: 0,10 Frc. wiegt 10 Gr.; 0,05 Frcs. = 5 Gr.: 0,02 Frcs. = 2 Gr.; 0,01 Frc. = 1 Gr.


2 Hierzu folgendes Erlebniß, welches der berühmte Astronom gern erzählte.

Eines Tages trat in einen Salon, gerade als er von dieser seiner Gewohnheit gesprochen hatte, ein junger Mann ein, den er nicht kannte, der ihn aber doch recht bemerkbar begrüßte.

»Mit wem habe ich die Ehre zu sprechen? fragte er.

– O, Herr Arago, Sie sollten mich wohl kennen, da ich Ihre Vorträge sehr fleißig besuche und Sie mich dabei ununterbrochen anzusehen belieben!«


3 Bis Ende des Jahres 1876 zählt man vom Anfang unserer Zeitrechnung an genau 986,679,360 Minuten; es fehlen demnach noch circa 13 1/3 Millionen Minuten, d.h. die erste Milliarde wird erst bald nach Anfang des nächsten Jahrhunderts erfüllt werden.

Quelle:
Jules Verne: Reise durch die Sonnenwelt. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXV–XXVI, Wien, Pest, Leipzig 1878, S. 338.
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