[62] Es kommt ein kleines Männchen.
MÄNNCHEN wispernd.
Mich schickt mein Herr, der große Imperator,
Selbstherrscher und zugleich der Völker Liberator.
Mein Auftrag heißt – ich bitte aufzupassen –:
Du sollst von mir im Bart dich zupfen lassen!
Er zupft ihn am Bart, Faust gibt ihm eine Ohrfeige.
Herr, dieser Schlag ist ein verlorner Sieg,
Erbleiche du, die Antwort ist der Krieg!
FAUST.
Nur zu! Nur zu! Er lass' es immer krachen!
Noch alte Rechnung gibt es abzumachen.
MÄNNCHEN.
Bereuen sollst du deinen Hohn!
Sie naht, die große Nation!
Ab.
Man hört vom Hintergrunde dumpfes Brüllen und starkes Krachen.
VALENTIN.
's ist keine Kleinigkeit, das ist schon wahr.
FAUST.
Des Feindes Macht ist nicht zu unterschätzen,[62]
Gewalt'ge Schläge wird es diesmal setzen,
Vorhanden ist die brennende Gefahr,
Wovon die Stimme sprach: wird allzu stark der Feind,
So stampft und urgewalt'ge Hilf erscheint!
Beide stampfen. Aus dem Boden taucht auf ein großer Bauer mit einer Sense.
BAUER.
Blitz Donner auch, so mitten aus der Heuet
Wer zwingt mich her? Das Öhmd liegt just verstreuet!
Könnt ihr nicht warten, bis es unter Dach?
Den Teufel auch, was ist denn los?
Es brüllt und kracht abermals.
VALENTIN.
Du hörest ja das drohende Gekrach,
Der Krieg ist los, es nahet der Franzos,
Der alte Störenfried, der freche, jähe,
Auf den schlag los, da haue du und mähe!
BAUER.
So der? Das ist was andres, gut, es sei!
Mein Öhmd mag faulen; auf! ich bin dabei!
Er soll mich spüren, mich, den deutschen Michel,
In meiner Faust die starke, lange Sichel.
Man hört ein Getrappel.
FAUST.
Es kommt; nun laß von diesem da dich führen,
Der ist Soldat und weiß zu kommandieren.
VALENTIN.
Jawohl, ich hab's gelernt im Türkenkrieg,
Mein Hauptmann fiel beim Sturm auf eine Schanze,
Das Fähnlein führt' ich vorwärts, und den Sieg
Errangen wir im blutig wilden Tanze.
BAUER.
Gut, gut, ich bin dabei, sagt nur, wohin zu hauen!
Wer uns bedroht, soll seine Wunder schauen,
Ich will ihn zausen,
Ich will ihm lausen,[63]
Die Sense soll sausen,
Und wenn es ihm gruselt, wenn es ihm graust,
So wird er sie kennen, die deutsche Faust.
VALENTIN.
Ein Prachtskerl! Was er Arme hat und Schenkel!
FAUST.
Und Fäuste! Des Cheruskers wahrer Enkel!
Er gleicht ja fast den alten deutschen Riesen,
Die Kraft der Goten, Sachsen, Friesen,
Der Hessen, Franken, Bayern, Alemannen
Scheint sich in ihm zu einen und zu spannen.
Er strotzet von der Erde Mark,
Wem der hilft, der ist felsenstark.
VALENTIN.
Ein bißchen ungeschlacht; schad't nicht!
Mir sagt sein Blick, sein klares Augenlicht:
Er ist vernünftig, seine derbe Wucht
Fügt in die Ordnung sich und Manneszucht.
Das Brüllen und Trappen kommt näher.
FAUST.
Sie werden sichtbar, es sind ihrer drei,
Ein Mensch, ein starker Stier, ein wilder Leu.
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