Scena secunda.

[218] Luciper oder der Sathan aus der schlange. Eva.


LUCIPER.

Als ich von Gott geschaffen wart,

Der hüpschte Engel zu der vart,

Und mir möcht werden niemandt gleich

Im Himel noch auff dem Ertreich,

Do thet ich mich des erheben,

Noch höcherem stände streben

Und wolt gleich sein dem höchsten Gott,

Do kam ich balt inn ewig not

Und wart gestossen zu der stund

Vom himel inn der hellen grund.

Ich mus der freudt beraubet sein,

Davor behalten ewig pein.


Aber weil Gott geschaffen hat

Den menschen, der an meiner stat

Besitzen sol die ewig freud,

So ist mirs doch im hertzen leit,

Derhalb ich mus zu dieser frist

Bedencken dück und arge list,

Das ich ein solches alzeit wehr,

Darumb ich mein gestalt vorker,

In ein schlang wil ich mich schmigen,

Das ich den menschen mag bedriegen,

Und wil mich auch bald fügen dar

Hin zu dem weib, der Even, zwar

Sie der natur am schwegsten ist,

Ab ich sie möcht mit meiner list

Dohin bereden und bringen,

Das sie vorlies vor allen dingen

Gottes gebot und seine wort,[219]

Schlugs inn wint und vorachts auch nort,

So wird sie bald das gbot brechen,

Möcht mich also an ihr rechen,

Und könt geschen zu dieser stet,

Das sie den Adam uberredt,

Das er gleich ihr ehs von dem baum,

Gelestert würd so Gottes nam,

So kemen sie inn grosse not,

Inn mein Reich, den ewigen todt.

Sich, es schickt sich auch eben recht,

Allein beim Baum stet Eva schlecht,

Darum ich wil itzt zu yhr gan.


Eua, wie sichstu fleissig an

Den Baum und darzu auch die frucht!

EVA.

Den halten wir inn furcht und zucht,

Wie uns Gott auch hat geboten.

Adam mir trewlich hat groten,

Das ich den baum gantz sol meiden,

Auff das ich nicht kom inn leiden

Und thu also gantz vortarben

Und des ewigen todts sterben.

Sunst essen wir gantz inn gemein

Von alln früchten, von den allein

Sollen wir auch stracks nicht essen

Und des alzeit nicht vorgessen,

Gots gebot allzeit bedencken

Und des, was er uns thut schencken,

Ihm auch dancken vor sein gaben.

LUCIPER DIE SCHLANGE.

Ja wol, solt Gott gesaget haben:

Ihr solt nicht essen allerley

Frucht im garten? ich sage dir frey:[220]

Ihr werd des todes allzeit nicht

Sterben, des sey von mir bericht,

Dann Gott der weis zu aller zeit,

Wenn ihr von diesem Baum bereit

Esset sein frucht lieblich und zart,

So werdet ihr auch auff der fart

Werden so gantz wacker und feyn

Und Gotte allezeit gleich sein,

Erkennen bald das bös und gut,

Das glaub du mir aus freyem mut.

Meinstu, das Gott so nerrisch ist,

Das er euch solt zu dieser frist

Von diesem baum der frucht weren?

Ihr kompt dadurch zu großen ehren

Und uberkommet all zuhand

Gleich Gott weisheit und recht vorstandt.

Darum so gleub zu keiner stundt,

Das euch Gott das stetz nicht entgundt,

So hessig und so neidisch sey,

Sonder glaube das alzeit frey,

Das ihr der viel mehr essen solt,

Auff das yr bleibt inn seiner huldt.


Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 218-221.
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