Phaethon an Theodor

[83] Was sind das für wunderbare Menschen! Unbegreiflicher werden sie mir jeden Tag. Ich komme mir so klein vor unter diesen dreien. Und doch ist Katon der Rätselhafteste. Er schweigt schon lange von seinem Griechenland und nannte nicht einmal den Namen. O, es ist eine Wonne, zu stehen vor dieser erhabenen Gestalt! Diese dunkeln verglühenden Augen und der verbissene Schmerz darin, diese ernsten Falten in der gewölbten umlockten Stirne, dieser finstere Bart, aus dem die schönen Lippen lächeln wie der Mond durch ein krauses Wölkchen, dieser stolze Hals auf den breiten Mannesschultern! Und sein seltsam unerklärbares Betragen gegen Atalanta! Ich sah's schon, wie er vor ihr stand, und die Schöne, Liebliche an ihm hinaufblickte. Da glühte sein Auge und drehte sich schmerzlich in den großen umbuschten Bögen. Dann legt' er seine Hand auf die Stirn und kehrte sich um.

Schon etlichemal wollt' ich spät abends noch zu ihm und fand ihn nicht. Cäcilie schüttelte geheimnisvoll das Haupt, wie ich sie fragte, wo ich ihn finden[84] könne. Ich weiß nicht, was das ist. Aber gewiß ist's: diese Männerbrust trägt einen fürchterlichen Schmerz.

Und warum hab' ich ihn nicht schon gebeten, mir alles, was er trage, zu gestehen? Ach, Theodor, ein einziger Blick des Hohen weist mich zurück.

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Wilhelm Waiblinger: Phaeton. Teil 1 und 2. Dresden 1920, S. 83-85.
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