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[88] Ich habe die Sakontala mit ihr gelesen. Theodor, zu sehen, wie die Tochter Kauschikas und der himmlischen Nymphe Menaka gleich einem jungen Blatte, das noch keine Hand berührte, gleich einem Diamanten, der ungefeilt in seinem Urlicht schimmert, die Liebliche, unter ihren Blumen wandelt, den zarten Schwestern ihrer Jugend, und unter den Gespielen, mit ihr zu Lieb und Blumenpflege verbunden, wann der blasse Mond noch über den weißen duftigen Bergen schwebt, die Morgenwolken wie junge Mädchenlippen im Osten dämmern, die Blumen der Nacht sich schließen und der Pfau ins Tal herunterflattert von den dunkeln felsenhohen Gesträuchen; wie der Nachkomme Purus, der feurige Duschmanka, das Mädchen mit dem Gazellenauge schaut und glüht in Lieb' und Verlangen, und auch sie, die Zarte, dem schönen Drang des Herzens folgt; zu sehen, wie die holde Kranke, den balsamischen Ustra auf dem Busen und das Band von den Fasern der Wasserlilienstengel an den Armen, den Schwestern schüchtern ihr Gefühl gesteht, und die Liebenden zusammenfließen in einer Umarmung, und die Hand des Mädchens[89] wieder blüht wie ein junger Kamalatasprosse; wie die Schwangere nun da steht mit ihrer Morgengabe, und um sie die glückwünschende Schar der heiligen Frauen mit Körben geweihten Kornes, und sie unter Kannas Segen zum Palast des Bräutigams wandelt; ach, wie nun so plötzlich der Baum ihrer Hoffnung bricht, weil sie den Ring verlor im Teich, und der Fluch Durwasas waltet über dem Königshaus, und ihr Herr sich nimmer erinnert der jugendlichen Geliebten; wie's ihm nun klar wird zumal, seine Seele sich füllt mit Verzweiflung, und auf die Mauerhöhe, wo kaum blauhalsige Tauben flattern, der Führer tritt von Indras Wagen, und der König über regenschwere Wolken fährt, und helle Tropfen umher der Umkreis stiebt der Räder; wie auf dem Gebirge der Knabe den Löwen schleppt, seine Mähne zerzausend, und Duschmanka den unbändigen Knaben liebt; ach, und wie die trauernde Sakontala naht und wieder findet, die Junge, den Sohn ihres Herrn, der sie noch liebt, und das verbundene Paar sich umarmt vor dem Throne Kasyapas und Aditis! Tausendmal stockte mir die Stimme, wie ich's las. Ich blickte Atalanten an, drückt' ihre Hand ...
Ihr Auge voll Geist und Seele weinte wie die liebende Sakontala, die zarte Blume des Ostens.
O, so ganz ein Gluthauch der Liebe, dieses Lied! Eine Anmut, ein Lächeln und Weinen wie in einem Auge, so selig und traurig, so voll von Gottheit, so ganz ein Kuß ist dieses Lied!
Zart ist die Seele des Mädchens und tief wie die Seele ihrer Blumen! Ach, und es scheint, als ob[90] sie ihre Keime nur zur farbigen Blüt' entfalte, um zu duften und zu – sterben unter den Schauern der Winde.
Du holde weiche Seele, Du Busenkind Deiner Natur, Du stirbst ja nur, um zu leben, und aus dem Tode quillt Dir ein edler Dasein wie aus der Blüte die Fülle reifer Früchte!
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Phaeton
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