Phaethon an Theodor

[91] Bruder, ich bin glücklich, überschwänglich glücklich! Rettung, Rettung! ruft der Gott in meinem Innern.

O, die Worte fließen mir zusammen, die ich schreibe, vor meinen nassen Augen. Was ist all mein Leiden gegen dieses Glück?

Ich ging heut Abend hinüber. Es war, als triebe mich eine Ahnung dessen, was mir begegnen werde. Meine Seele war voll Licht, und das letzte schmerzliche Gefühl entschwebte wie die Wolke über die sonnige Wiese.

Katon lag auf einem alten grauen Stein vor seinem Mausoleum und spielte mit einem frischgebrochnen Zweig in seinen Händen. Lange bemerkt' er mich nicht. Da bückt' ich mich über ihn hinein und sagte: Guten Abend!

Bist Du's? rief er heiter und zog mich auf den Marmor.

Und wie wir so eine Zeitlang gegeneinander saßen, da faßt' er mich ins Gesicht und sagte: Phaethon, ziehe zu uns herüber![92]

Katon! stammelt' ich betroffen.

Du hast noch Platz im Hause der Gräfin! fuhr er fort. Wir richten Dir ein Zimmer ein, dem Dorfe gegenüber, und Du vollendest hier Deine Polyxena.

Ich konnte nichts hervorbringen. Schweigend drückt' ich ihm die Hand.

Cäcilie wünscht, versetzt' er, daß Du für sie Deine Polyxena bildest und Atalanta ...

Ich bebte.

Und Atalantas Züge seh' ich ja doch in Deiner Phrygerin. Du möchtest wohl, daß sie Dir stehe?

Katon! Katon! rief ich schluchzend und lag ihm weinend an der Brust.

Er aber sah mich an mit ernster Miene und sprach: Nicht diese Leidenschaft, wilder Jüngling! Dein inneres Treiben ist mir nicht verborgen. Auch ich war einst jung; aber ich ward gebrochen in meiner Jugend wie der Zweig in meinen Händen. Möchtest Du glücklicher sein!

Und hier seufzt' er, als ob die Brust ihm hätte zerspringen wollen. Auch er, dacht' ich, auch er, der starke feste Mann? Freund, sahst Du schon Felsen zittern, die, in die Erde tief gewurzelt, das kühne Riesenhaupt zum Himmel strecken?

Und willst Du? fragt' er endlich. O Gott, ich will! Ich will! war das Einzige, was ich sagen konnte. So wollen wir zu Cäcilie gehen! sagt' er freundlich. Wir gingen. Mein Herz klopfte. Ich wagte kein Wort zu sprechen. Katon rief: Er will! Er zieht zu uns![93]

O Himmel! Und wie nun die Mutter mich bat, gleich in den nächsten Tagen zu kommen, und Katon sagte: Atalanta, Du mußt ihm die Züge leihen zu seiner Polyxena! und die Holde verschämt zur Erde blickte und schwieg!

Mein Glück ist vollendet. Ich habe mein Ziel gefunden und wandle unter Gestalten, wie kaum ein kühner Traum sie mir gezeigt. Gott! Gott! Den ganzen Abend jauchz' ich.

Dein Freund ist glücklich, wie die Götter es sind! Wie geflügelt ist meine Seele! Und ich glaube, der Sonnengott sei mein Vater, und ich tauche selig meine Finger in sein Morgenrot.

Quelle:
Wilhelm Waiblinger: Phaeton. Teil 1 und 2. Dresden 1920, S. 91-94.
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