Phaethon an Theodor

[203] Schon seit einigen Tagen bin ich in der Stadt. Die Fürstin ist mir gestern gesessen. Es ist eine Frau von vieler Bildung aber wenig Innigkeit und warmem Gefühl.

Man zieht mich in vielfache Zerstreuungen. Aber es ist doch umsonst. Die Welle schlägt an den starren kalten Felsen, aber sie wogt ihn nicht dahin; ihr Andrang macht nur ein grausig Getöse.

Viele Menschen sind um mich, aber wenige, denen ich mich nähern mag. Da ist niemand, der mich verstünde, meinem Herzen in seinem Erguß entgegenkäme, von dem es wieder zurückklänge in mein Inneres.

Und doch hätt' ich so nötig, mir Trost zu saugen von eines Freundes Lippen! O, ich hätt' es so nötig!

Es erkrankt so nach und nach mein Herz und schwindet dahin in seiner eigenen Fülle.

Quelle:
Wilhelm Waiblinger: Phaeton. Teil 1 und 2. Dresden 1920, S. 203-204.
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