[25] Alle.
Alles Volk der Griechen hebe
Hand und Herz zu Gott empor!
Grieche räche, Türke bebe!
Kühne Stärke, brich hervor!
Geist der Freiheit! steige nieder,
Du der alles wirkt und schafft!
In die Herzen kehre wieder,
Alte, stolze Riesenkraft!
[26] Chor der Jünglinge.
Wie die junge Terebinthe
Hoch auf grünem Hügel blüht,
Schreiten wir durch Wies' und Gründe,
Weil in uns die Stärke glüht:
Ohne Schwanken, ohne Bleiben
Eilen wir durch's Leben hin:
Ueberall ein reges Treiben!
Ueberall ein starker Sinn!
Chor der Mädchen.
Wie die reine zarte Quelle
Durch die Blumenufer wankt,
Wiegt uns sanft die Lebenswelle:
Keine weinet, keine krankt!
Und des Jünglings Stirne kröne
Uns're Hand in Liebeslust!
Und du liegest, holde Schöne,
Lächelnd an der Stärke Brust!
Chor der Männer.
Schwimmt die schöne heit're Jugend
Wie die Wolk' im Morgengold,
Uebt der Mann die Kraft und Tugend,
Regelt, was die Liebe zollt![27]
Stark und thätig, nichts versäumend,
Lenkt er ernst und schützt und schirmt,
Wenn im Sturm auch, donnernd, bäumend,
Sich auf Woge Woge thürmt.
Chor der Weiber.
Und am keuschen Busen nähren
Liebend wir das holde Kind:
Mag der Mann dem Sturme wehren,
Wirken, daß er viel gewint:
Weich, wie Kuß und Blume, leiten
Wir den Stürmenden zur Ruh':
Aus den Fernen, aus den Weiten
Führen wir den Schranken zu.
Chor der Greise.
Und wie über'm jungen Thale
Alte weiße Bergeshöh'n
In der Sonne heiter'm Strahle
Ruhig – mild zum Himmel seh'n,
Heben die verklärten Augen
Ahnend wir ins Aetherblau,
Die wir nicht zur Erde taugen,
Gottes ausgequoll'ner Thau!
[28] Alle.
Alles Volk der Griechen hebe
Hand und Herz zu Gott empor!
Grieche räche, Türke bebe!
Kühne Stärke brich hervor!
Geist der Freyheit! steige nieder,
Du der alles wirkt und schafft!
In die Herzen kehre wieder,
Alte stolze Riesenkraft!
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