Hertzog Heinrichs vō Braunschweigs klage Liedt

[682] 1.

Ich stundt an einem Morgen

heimlich an einem ort,

Da hett ich mich verborgen,

ich hort Klegliche wort

Von einem Wolff, der klagt sich sehr,

wie jm sein Nest verstöret,

sein Balck zurrissen wer:


2.

O weh mir armen Gwelffen,

wie ist mein nodt so gross!

Will mir kein freundt jtzt helffen?

wie steh ich hie so bloss:

Auff die ich mich vorlassen han

sein all von mir abtretten,

sind nicht ein trewen Man.


3.

Ich hett mich hoch vermessen

vnd war gar viel zu kün,

Docht mein Ross solt han gfressen

den Rauten Krantz so grün,

Den bundten Hundt zerrissen gar,

Lewen vnd Bern verschlungen

alsambt mit haut vnd har.


4.

Drumb liss ich mich fast sehen

mit Ritterlicher that,

Mit schenden vnd mit schmehen,

mit list vnd falschem Rath,

Mit lügen vnd vorreterey,

stifft bey mein Bundgenossen

viel heimlich Meuterey.


5.

Man sagt, ich hab mit Brennen

vnd Mord viel schaden than,

Mit rauben, vberrennen

beschedigt manigen man:

Das klagt beid Gosslar vnd Braunschweig,

zu Pless der Eseltreiber,

zu Eimbeck Heinrich Deick.


6.

Zum Berlyn Simon Fincken

vber mich gsungen hat,

Zu Schening liss vorsincken

wol in den Wall, vorstath,

Doctor Delingshausen gnant,

der ist jtzt auffgegraben

vnd warhefftig erkant.


7.

Zwey schwerter sahe ich glüen

in einem Feur gar heiss:

Der Rauten Krantz wolt blüen,

gar bald brach mir der schweiss,

Der Lew zog neben jm daher:

ich erwischt das Hasen Baner,

meins bleibens war nicht mehr.


8.

Ein Vater het erkoren

dort oben an der Elb,

Hat mir ein Eid geschworen,

er wolt mir helffen selb:

Baldt ward er nicht gesehen mehr,

jck wolt, das Gott im Himel

für jn gestorben wehr.
[682]

9.

Ich bath mein langen Bruder,

ders Wasser tretten kan,

Das er zuricht sein Ruder

vnd brecht sein Segel an,

Vnd fürd sein Schifflein in den Sund:

da wars im hwy versuncken

am Schagen in den grundt.


10.

Bald thet ein Briefflein schreiben

auff einen Roten hudt,

Er wölt sein Redlein treiben,

das meine sach würd gut:

Da bleib ich aller hülffen loss,

denn er must selbst entrinnen

von seinem schwarzen Schloss.


11.

Scharlach kan mich nicht decken,

breit hüt fürm heissen schein:

Ich weiss gut frische Wecken,

da will ich beissen ein,

Das ich meins hungers werd ergetzt,

jhr Pferd hau sie gesattelt,

jhr Spies vnd schwerd gewetzt.


12.

Die liessen mich auch in sorgen,

vmb Gleid den Adler badt:

Da must ich frü am Morgen

gar heimlich aus der Stadt:

Ich fand kein trost gantz vberal,

all welt hett mich verlassen,

doch tröst mich Belial.


13.

Er sprach ›lass dich nicht dempfen,

du trewer Diener mein:

Wöllest Ritterlich kempfen,

ich will stets bey dir sein:

Der Bapst hat noch viel gelt vnd Gut,

den will ich dahin treiben,

das er dir helffen thut.‹


14.

Da nam ich Harnisch, Waffen,

mein Schwerdt vmb mich gegürdt,

Sprach ›lass ein wenig offen,

Pluto, mein lieber Wirdt:

Gar bald ich wider zu dir kum,

der Bapst hat aus geschrieben

ein new Concilium.‹


15.

Doch hab ich mich keins guten

zum Bapst vnd meinem Gott

Hinfürbas zu vermuten,

weil jtzt all Welt jr spot

Mit jnen treibt vnd gar verflucht,

scheltens für grosse Narren

wehr hülff bey jnen sucht.


16.

Ach, das jtzt noch wolt gelten

wie vormals in der Welt

Des Bapsts Fluch, Bann vnd schelten,

vnd Brieff die man obs Gelt

Verkaufft, so wolt ich mich noch wern,

die Luttherischen Buben

vnd Letzer mores lern.


17.

Mann sagt mir einst ein possen,

beym menschen wehr kein heil,

Solt mich nicht drauff verlossen,

die schlügen alle feil

Vnd wehr kein glaub auff Erden mehr:

jtzt werd ichs selber jnnen,

empfinds auch all zu sehr.


18.

Ich traut auff Wolffenbüttel,

mein starck vnd festes Schloss:

Itzt hilffts mich nicht ein Tüttel,

dazu mein weisses Ross,

Dahinder ich zu Fuss mus ghan:

die schwerter hants zerhawen,

die Katz frist jtzt danon.


19.

Cain, du Fürst der Welte,

dich ruff ich jtzund an.

Pharao, du starcker Helte,

auch Saul, du theurer man,

Achitophel, du trewer Rath,

Absolon vnd Semei,

ewer gleich man jtzt nicht hat.


20.

Nero, Domiciane,

euch folg ich willig nach.

Caligula, Juliane,

jr strebt allzeit nach Rach:

Bey euch ich Ewig bleiben muss,

helfft, das ich müg erlangen

am end des Judas buss.


21.

Dabey lass ichs jtzt bleiben,

weil ich nicht weiter kan:

Was sie reden vnd schreiben

muss ich geschehen lan:

Damit beschlies ich das gedicht,

kan ich mich aber rechen,

so lass ichs warlich nicht.

Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Band 3, Leipzig 1874.
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