Fünfte Szene

[78] SOPHIE hereinstürmend. Franz! Geliebter! Ich bin außer mir vor Freude! Mein Bruder ist eben gekommen!


Oberleutnant Dirckens und Dr. Hofmiller treten ein.


DRICKENS zu Sophie. Darf ich bitten, mich vorzustellen.

SOPHIE. Mein Bruder, Oberleutnant Dirckens – mein Mann.

DIRCKENS ohne Franziska zu grüßen, zu Veit Kunz. Hatte schon einmal die Ehre.

VEIT KUNZ sehr höflich. Lohnt sich nicht der Erwähnung.

DIRCKENS. Ich muß dich bitten, liebe Sophie, uns einen Augenblick allein zu lassen.

SOPHIE. So? – Liebe Sophie? – Was ist denn los?

VEIT KUNZ. Gnädige Frau gestatten mir, Sie zu begleiten. Er geleitet Sophie hinaus.[78]

DIRCKENS zu Dr. Hofmiller. Sie kennen die Person von früher her?

FRANZISKA zu Dr. Hofmiller. Jetzt sehe ich allerdings ein, daß ich mich weggeworfen habe!

DR. HOFMILLER. Deine Mutter, Franziska, verfiel in unheilbare Schwermut, als sie die Nachricht von deiner Verheiratung erhielt.

FRANZISKA. Meine Mutter?! Sie ruft. Veit! Wir müssen sofort verreisen! Sie rennt hinaus. In der Tür begegnet ihr Sophie.

SOPHIE. Aber Franz! Franz! Hast du den Verstand verloren?! Näherkommend, zu Dirckens. Was geht denn hier eigentlich vor? – Was bringst du für ein Entsetzen in unser Haus?

DIRCKENS. Liebe Sophie! Ich habe von diesem Augenblick an keine ruhige Minute mehr vor mir. Jeden Schurken, der mir sagt: Deine Schwester hat ein Weib zum Manne genommen, muß ich auf Pistolen fordern. Und weiß dabei jetzt auch noch aus eigenem Augenschein am besten, daß er recht hat.[79]

SOPHIE. Ich verstehe kein Wort. Wer hat ein Weib geheiratet? Wer denn? – doch nicht etwa ich?!

DIRCKENS. Beruhige dich, Sophie!

SOPHIE schreit. Franz! Mein Franz!


Sie eilt hinaus. Auf dem Vorplatz fällt ein Schuß. Dirckens und Tr. Hofmiller eilen ihr nach, bringen die Sterbende herein und betten sie auf den Diwan.


DR. HOFMILLER da Sophie kein Lebenszeichen mehr gibt, zu Dirckens. Lassen Sie mich rasch die Waffe sehen.

DIRCKENS. Unsinn!

DR. HOFMILLER. Gut. Ich weiß, was ich zu tun habe.

DIRCKENS. Sie haben gar nichts zu tun. – Gehe die Sache, wie sie gehen will, ich muß meinen Abschied nehmen.[80]

Quelle:
Wedekind, Frank: Franziska. Ein modernes Mysterium in fünf Akten, München 1912, S. 78-81.
Lizenz:
Kategorien: