Die Jahreszeiten

Genieße, was die Jahreszeit mit sich bringt:

Radieschen, Erdbeeren, grüne Erbsen und Pflaumen!

Was der Verändrung in Sonne und Luft entspringt,

Ist stets das Beste für deinen gebildeten Gaumen.


Radieschen knackt man, wenn man noch jung und keusch

Und sich noch die ersten Zähne nicht ausgebissen;

Die prallen Bäckchen zerbersten mit lautem Gekreisch,

Die Zunge schwelgt in unsäglichen Bitternissen.


Erdbeeren aus Wald und Garten, wie duften sie fein,

Die großen voll Saft, die kleinen sind mir noch lieber.

Ich mache sie trunken zuvor mit gezückertem Wein,

Pechvögel nur erkranken am Nesselfieber.


Die grünen Erbsen brauch ich schon gar gekocht;

Die tolle Jugend allein frißt sie aus den Schoten.

Ich habe sie stets nur gepfeffert zu kosten vermocht,

Und neuerdings auch hat sie der Arzt mir verboten.


Die üppigen Pflaumen des Herbstes genieß ich fast nur

Als Mittel zum Zweck bei unbehaglicher Stauung

Im Unterleib statt Karlsbader Brunnenkur.

Es grölen die Därme im Chor den Gesang der Verdauung. –


Noch manches wäre notwendig hier beigedruckt,

Wie Mammut-Trüffeln, die aus Thessalien stammen;

Doch hab ich den ganzen Hymnus schon vollgespuckt,

So läuft mir dabei das Wasser im Munde zusammen.[381]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 381-382.
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Die vier Jahreszeiten
Die vier Jahreszeiten: Gedichte (insel taschenbuch)