Stille Befürchtung

[482] Seit ich dir mein ganzes Herz entladen,

Peinigt mich geheimnisvolles Weh:

Morgens drängt's mich seltsam, mich zu baden;

Abends treibt's mich mächtig ins Café;


Nachts umgaukeln mich verrückte Träume

Daß die Seele bang um Hilfe schreit;

Eng bedrücken mich des Himmels Räume,

Die Gewänder werden mir zu weit;


Vor den Augen schwirrt ein schwarzer Falter –

Sprich, o sprich, wie soll ich das verstehn!

's ist ein heimlich zartes Knospenalter;

Doch nicht Liebe scheint mir aufzugehn.[482]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 482-483.
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