Eroberung

[449] Ach, sie strampelt mit den Füßen,

Ach, sie läßt es nicht geschehn,

Ach, noch kann ich ihren süßen

Körper nur zur Hälfte sehn;

Um die Hüfte weht der Schleier,

Um den Schleier irrt mein Blick,

Immer wilder loht mein Feuer,

Ach, sie drängt mich scheu zurück!


Mädchen, ich will nichts erzwingen;

Mädchen, gib mir einen Kuß;

Sieh, dich tragen eigne Schwingen

Durch Begierde zum Genuß.

Ach, da schmiegt sie sich und lächelt:

Deine Küsse sind ein Graus;

Und mit beiden Händen fächelt

Sie der Kerze Schimmer aus.[449]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 449-450.
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