An das Leben

[521] Wenn mir dereinst von dieser Seuche

Genesung wird im kühlen Grab,

Dann sei, daß jung und alt entfleuche,

Mein Denkmal eine Vogelscheuche:

Mein Hut auf meinem Wanderstab.


Der Hut war schwarz und breitgerändert,

Im Herbst von dunklem Grün umlaubt.

Wie hat der Winter ihn verändert!

Jetzt deckt er schmutzig, schlapp, entbändert

Mein müdes frühgebeugtes Haupt.


Den Stecken hielt ich friedlich nieder,

Bis ich der Unschuld heil'gen Schlaf

Gefährdet sah von gift'ger Hyder.

Ich schlug, daß ich die eignen Glieder

Mit grauenvollstem Fluche traf.


Zur Seuche, dran ich elend sieche

Ward mir des Ungeheuers Gift:

Der gräßlichste der Erdenflüche.

Ich taumle hin, ich wanke, krieche,

Bis mich im Tod Erlösung trifft.[521]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 521-522.
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