Fünfter Auftritt

[251] AEGISTH alleine.

Ich zittre! – Ach! was heißt der innre Krieg? –

Es wallt mein Blut, mein ganzes Herz empört

Sich wider ihn, den die Natur mir doch

Zum Vater gab? – Kaum konnt' ich ihn so nennen.

Ein Ungeheur! ... Oh! was hab' ich gesagt? –

Legt mir ein Gott den Fluch in kühnen Mund? –

Und seine Huld bestimmt mir einen Thron? –

Ein groß Geschenk! wer wird nicht gern Monarch

Von Argos und Mykene sein? ... Allein

Thyest? – unglücklicher Thyest! ich fühl's,

Mein Herz schwimmt tief in Leid, es steigen

Mir Tränen in das Aug', auch wider Willen! –

Sein zitternd Haupt! sein silberfarbnes Haar,

Sein Elend, sein Gebet, sein Flehn! – er nannte

Mich Sohn! – Warum schien mir in seinem Munde

Der Name doch so süß? warum ließ ich

Ihn auf sein Bitten nicht entfliehn? – Barbar,

Ja unbarmherziger Barbar! – ich, ich! ...

Doch sollt' ich treulos sein? der Götterspruch –[251]

Mein Vater! – Ach! er ist sehr grausam! ... wie?

Hat er mir nicht gesagt, daß auch Thyest

Es vormals war? ihm Weib und Thron geraubt? –

Ein Labyrinth! mein Vater – ja, die Pflicht

Für ihn lehrt mich Gehorsam: fort, Natur!

Dein weibisch Mitleid ... oh! ihr Götter, laßt

Mich euern Willen tun! so tu' ich recht!

Quelle:
Das Drama des Gegeneinander in den sechziger Jahren, Trauerspiele von Christian Felix Weiße. Leipzig 1938, S. 251-252.
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