Erster Auftritt

[1] RÖSCHEN vor ihrer Hütte; es steht ein Schemel mit einem Spinnrocken auf der einem Seite. Sie hat eine Garnwinde in der Hand, und sieht sich schüchtern um. Ha, die Mutter ist nicht da? geschwind will ich indessen einen Strauß für meinen Töffelpflücken. – Sie legt die Weife auf die Erde, und läuft an einen Rosenstrauch, der auf der Seite blüht. Mein Vater mag sagen, was[1] er will: Töffel ist nicht reich; aber unter allen Reichen ist auch kein Töffel.


Mein Töffel ist ein Mann für mich.

Er ist so flink, und rasch als ich,

Wie eine junge Birke, schlank,

Hat Arbeit lieb und liebt Gesang.

Sein Angesicht ist voll und rund,

Die Wange glüht, es glüht der Mund,

Er hat ein großes Augenpaar,

Braun ist er selbst, schwarz ist sein Haar.

Ich kann ihm traun, er ist mir treu,

Von guter Laun' ist er dabey:

Er steht mir an: ich steh' ihm an:

Mein Töffel ist für mich ein Mann!

MARTHE die sie beschleicht. Ah, gleich von der Arbeit weg! die Mutter darf kaum den Rücken gewandt haben, so wird hier ein Röschen, und da ein Veilchen, und hier ein bischen Krausemünze, und[2] dort ein Rosemaristengel gepflückt, und alles für Töffeln; nicht wahr, für Töffeln?

RÖSCHEN. Je, für wen sonst, als für Töffeln? freylich wohl. Ihr seyd ihm ja selber nicht feind, und ließt Euchs gefallen, wenn mich der Vater ihm geben wollte.

MARTHE. Aber, weil Er nun nicht will, so sollst Du auch nicht wollen! Du weißt, seit Dein armer Bruder Christel seine Braut verloren, will er von Deiner Heyrath nichts sehen und nichts hören: und da mußt Du auch nichts von ihm sehen und hören wollen, wenn Du ein gutes Mädchen bist.

RÖSCHEN. Ja, es hat sich wohl! ihn nicht hören und nicht sehen, wenn man sich nicht die Augen verbindet, und die Ohren verstopft. Und[3] gewiß und wahrhaftig, wenn ich auch das thun wollte: so würde mir mein Herz doch immer sagen: »He: Röse, Töffel ist da! Toffel ist dir gar zu hübsch! Toffel ist dir gut, und du bist Töffeln gut!«

MARTHE. Aber, sage mir nur, wie bist Du dem Kerl so gut geworden? Ich glaube gar, er hat Dirs gethan?

RÖSCHEN. Ach, geht doch, Mutter! was gethan? so hab' ichs ihm auch gethan: denn es geht ihm nicht besser. Er sagt mirs, so oft er mich sieht Ich bin ihm immer gut gewesen: aber seit voriger Krumterndte sind wir vollends beständig einander nachgelaufen.


Da sah ich Töffeln an den Hecken;

Er fällte Holz und pfiff dazu;[4]

Halt dacht' ich, loser Vogel du,

Du stehst mir recht, dich muß ich necken.

Gleich hatt' ich Aepfel in den Ficken:

Husch! zog ich einen Apfel vor:

Puff! hatt' er einen an das Ohr,

Puff! wieder einen auf den Rücken.

Er sah mich nicht denn ich versteckte

Mich hinterm Busch, so oft er schrie:

Bis ich zuletzt, hi hi hi hi,

So lachte, daß er mich entdeckte.

Ha! rief er, wart! ich will dirs geben!

Und haschte mich und küßre mich;

Ich schimpft' und schmälre jämmerlich:

Im Herzen hatt' ich ihm vergeben.

MARTHE. Ja, ja! das kömmt aus dem Genecke? Laß es nur dem Vater merken; Du wiests schon kriegen. – Ah! da kömmt er eben her! –[5]


Quelle:
Johann Adam Hiller: Die Jagd. Leipzig 1770, S. 1-6.
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