An die Muse

[153] Hier nimm die sanfte Leyer wieder,

O Muse, die du mir geliehn:

Nun sing ich weiter keine Lieder,

Die von der Jugend Freuden glühn.


Verzeih, wenn ich zu schwach gespielet:

Die Liebe fodert unser Herz:

Das wenigste hab ich gefühlet;

Das meiste sang ich blos aus Scherz.


Von Waffen und vom Haß umgeben,

Sang ich von Zärtlichkeit und Ruh:

Ich sang vom süßen Saft der Reben,

Und Wasser trank ich oft darzu.


Kömmt einst der goldne Friede wieder,

Fühl ich einst gar der Liebe Glück:

Vielleicht wag ich dann schönre Lieder:

Dann, Muse, gieb mir sie zurück!

Quelle:
Christian Felix Weiße: Scherzhafte Lieder, Leipzig 1758.
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