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[9] Ithuriel, Faust, Vorige.
Faust ruht auf dem Arm des Ithuriels. Er ist schwermüthig.
FAUST. Man laß uns allein.
WAGNER. Gehn sie nicht auf die Jagd?
FAUST. Nein.
Faust wirft sich auf das Soffa. Wagner und die Jäger gehn ab.
FAUST. Lächeln, und Freude kehrt mit der Sonne auf die Erde zurücke. Nur mich allein flieht die Ruhe. In dieses Herz schleicht kein Stral von Vergnügen mehr. Ithuriel, mein Freund, seitdem du bey mir bist, grüß ich dieses Morgenroth. Sonst sah ich die Sonne nie über die Berge heraufglänzen. Nur der blasse Mond war Zeuge meiner Thorheiten.
ITHURIEL. Freund, du traurest stäts, seitdem ich bey dir bin. Heißt das mich bewillkommen?
FAUST. Sieh her Ithuriel, der ermüdete Sklave der Lüste keucht nach Ruhe, und findet sie nicht. Ich habe alle Laster durchgeschwelget. Bon Schandthat zu Schandthat bin ich getaumelt; aber seit du bey mir bist, ändert sich meine Natur. Umsonst lokt mich der Ehrgeiz, ich erkenne seinen Dunst, um sonst[9] funkelt der Reichthum vor meinen Augen, ich verachte ein Peru; umsonst winkt mir der purpurne Saft der Weintraube, umsonst die kostbarste Tafel, mein Gaumen ist unfühlbar; umsonst lächelt mich die Schönheit an, ich bleibe unempfindlich und träge im Besitze aller Wollüste wie Cäsar; ist dieß alles? – Sprich Freund, warum seufzt der Mensch bey allem irdischen Glücke?
ITHURIEL. Weil er zur grössern Wonne eingeladen ist. Der Mensch ist zu groß zu erhaben gebohren, als daß ein irdisches Nichts ihn ersättigen sollte. Der Mensch ist zu wollüstig, als daß vergängliche Lüste ihn begnügen könnten, er sehnt sich nach unsterblichem Vergnügen.
FAUST. Aber vielleicht ist die Unsterblichkeit dem Menschen versagt.
ITHURIEL. So ist der Mensch nichts mehr als ein elender Wurm. Sieh Freund, wie du klügelst. Du entfliehst stäts der Wahrheit. Du fürchtest dich deinem Gewissen zu begegnen. Du machest es wie schöne Weiber, die von einer Unpäßlichkeit sich erholen. Sie fürchten nichts mehr als den Spiegel, der ihnen den Verlust ihrer Reitze sagen könnte. Du liebst Schmäuchler.
FAUST. Keine Vorwürfe! Freund, tröste mich lieber. Ich bin genug gequält. Ich höre die strengen Verweise meines Gewissens. – Unsterblich! – Unsterblich – Unsterblich, doch zur Quaal! – Gedanke –[10]
ITHURIEL. Du hast schon einiges Licht von Wahrheit. Vernachlässige es nicht. Spur weiter, und du eilst zum hellesten Mittag.
FAUST. Unsterblich! – Ithuriel, sprich warum hat der Mensch bey so viel Schwäche auch die Macht, sich selbst unglücklich zu machen?
ITHURIEL. Der Mensch ist frey, und muß es seyn, denn Gott liebt keine willenlose Maschinen, der Himmel will die Wohlfahrt des Menschen. Sein Verderben läßt er zu. Er läst ihn, aber zwingt ihn nicht. Er beut ihm die Glückseeligkeit an, er überredet. Der Mensch wählt. Von dieser Wahl hangt sein Schicksal ab.
FAUST. Aber wenn diese Wahl geschehen ist, darf ich nicht mehr ändern?
ITHURIEL. So lange du lebst. Der letzte Hauch kann erst deinen Willen bestimmen. Schon der Wille ist deinem Gott genug. Ein guter Gedanke ist im Stande seinen Zorn zu besänftigen.
FAUST. Noch etwas. Ithuriel, du siehst, daß ich dich liebe. Noch eines erklär mir. Woher kömmt dieser Streit in mir? Ich möchte gut seyn; aber das Böse zieht mich wieder.
ITHURIEL. Die Wollust giebt dem Menschen einen Schlaftrunk. In dieser Sinnloßigkeit schläft sein Gewissen. Das Laster scheint ihm von ferne kleiner. Er umarmt es vertraut. Umsonft sucht er zuletzt die eisernen Fässel der Gewohnheit zu zerbrechen. Sie schleppet ihn fort wieder seinen Willen. Trink fort dieß giftige Honig; aber die Heffen sind Galle![11]
FAUST. Ich fühl es! – Ach! Verzweiflung; macht mein Elend unerträglich.
ITHURIEL. Verzweisiung? Freund, entreissest du mir den Preiß meiner Sorgen? Weist du, warum ich dich besuche? – Dich zu retten!
FAUST. Das kannst du nicht! – Fort, flieh, du arbeitest umsonst. Ich bin verloren!
ITHURIEL. Wie huldreich schikt der Himmel dir seine Einladung, und du verschmähest seine Bitte. Du verweigerst zu kommen? – Ja, du bist schon bey deinen Thorheiten versprochen. Leb wohl – Ich gehe.
FAUST. Freund, auch du verlässest mich?
ITHURIEL. Die Tugend reicht dir den Faden aus diesem Labyrinth zukommen, und du bist blind. Sieh mich zu deinen Füssen. Ich liebe dich, als Freund. Hör mich, folg mir, verlasse diesen Ort, wo du nur Verderben findest. Belohne meine Bitte mit einem frohen Ja – Du zauderst – Leb wohl –
FAUST. Reich mir die Hand. Ich folge. Freund wer kömmt? – O Helena –
Ausgewählte Ausgaben von
Johann Faust
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