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[12] Helena, Eduard, Vorige.
HELENA. Mein theurer Freund, ich grüße dich mit dem lieblichsten Gruß der Liebe.
ITHURIEL. Ich lasse dich.[12]
FAUST. Nur ein Wort will ich noch mit Helena sprechen. Das letzte Wort, und dann folg ich dir, wohin du willst.
ITHURIEL. Du dauerst mich. Bergieß nicht auf dich selbst. Geht ab.
HELENA. Wie finster, wie kalt, wie unfreundlich erwiederst du meine Umarmung! – Sprich, liebst du mich nicht mehr? – Du schweigst? – Was seh ich, Thränen auf deinen Augen! – Ach, ich bin verschmäht! Ha nun versteh ich meinen Traum, der mich heut früh erschröckte.
FAUST. Ein Traum – Verachte ihn, Helena!
HELENA. Es war ein schreckbarer Morgentraum. Hör: ich saß in einem blumenreichen Felde. Die Sonne lächelte so lieblich herab. Die Bögel sangen mir reizend zu. Die Zephyre hauchten rings um mich. Ich war in einer angenehmen Bezauberung. Jäh schleicht sich eine schön gefleckte Schlange zu mir. Sie windet sich schmäuchelhaft. Sie spielt mit dem Taft meiner Kleider. Ich liebkose dem schönen Thierchen; aber jäh umringt es meinen Leib; sie häftet ihre spitzige Zunge auf meine Brust, und ihr Gift eilt durch meinen Körper; Sie verläst mich. Ich fühle die Annäherung des Todes. Ich schreye, ich krümme mich vor Schmerzen. Unter diesen Krämpfungen erwachte ich endlich. Sprich, welche Deutung soll ich diesem Traume geben?
FAUST. Keine. Sey ruhig. Erwarte dein Schicksal.[13]
HELENA. Wo eilst du hin? – Mit dieser Antwort verlässest du mich? Grausamer hab ich dieß um dich verdient?
FAUST. Wisse, dieß ist ein fürchterlicher Tag! Für mich fürchterlich! Aber du kannst ruhig seyn. – Wir müssen uns trennen.
HELENA. Trennen! – Ich verstehe dich. Du liebst mich nicht mehr. Geh Treuloser!
FAUST. Du irrest dich. Ich liebe dich zärtlich; aber ich muß dich verlassen, um dich nicht vielleicht mit mir unglücklich zu machen. Fang an, mich zu vergessen, mich zu hassen, das ist das erste, was du für dich selbst thun must.
HELENA. Ich dich hassen? – Du verdientest zwar meinen Haß; aber mein gutes Herz spricht noch für dich, Undankbarer, so mishandelst du mich! – Um dich hab ich Eltern, Freunde, Anverwandte verlassen. Dir hab ich mein Glück, meine Tugend, meine Ehre aufgeopfert. Dir hab ich mein Herz, meine Liebe geweiht, und du willst mich verlassen? – Geh, eil, flieg, wirf dich in die Arme meiner Nebenbuhlerinn aber Zittre! – Fürchte ein beleidigtes Weih! Ich werde Himmel und Erde und Hölle wieder dich waffnen, und mich rächen!
FAUST. O Helena verbittre mir nicht durch deine Vorwürfe diese Stunden der Angst. O wustest du – Aber ich kann, ich darf dirs nicht entdecken – Ach![14]
HELENA. Du hast Geheimniße vor mir – Freund, ich liebe dich, und du verräthst mich! – Gieb mir deine Zärtlichkeit wieder. Oefne mir dein verschlossenes Herz!
FAUST. Ich sehe den Mephistopheles kommen. Ich muß ihn sprechen. Geh, sey ruhig. Erwarte mich im Garten. Gleich bin ich wieder bey dir.
HELENA. Wohl, ich will dich dort erwarten.
Ausgewählte Ausgaben von
Johann Faust
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