Fünfter Auftritt.

[25] Schönheitlieb, Diener, Vorige.


MEPHISTOPHELES. Hier kömmt die Gräfinn Schönheitlieb. Sie war eine tugendhafte Dame, das Glück ihres Mannes, und die Zierde des Adels, so lang[25] ihre Gestalt mittelmässig war. Du hast ihr durch meine Kunst seltne Reize gegeben. Laß sehen, wozu hat sie deine Gabe angewandt. Ich gebe dir die Gestalt ihrer vertrauten Dienerin Lisette.


Zwey Diener tragen ihr den Schlender. Einer trägt ihr den Spiegel vor. Sie lächelt hinein, gebärdet sich thöricht, und wirft sich in einen Sessel.


SCHÖNHEITLIEB. Ach, welch eine ermüdende Rolle ich spiele! – Zu Faust. He Lisette, hör mich, wie reich glaubst du, daß itzt meine Hofstaat ist? – Ich habe dreyßig Anbeter.

FAUST. diese werden sie stark beschäftigen.

SCHÖNHEITLIEB. Es kostet Mühe, diese Sklaven alle in meinen Fässeln zu erhalten. Ich studire die ganze Nacht, und überdenke die krotische Rolle, die ich beym Tag spielen werde. Ich vertheile mit Borsicht meine Stunden, damit sich die Nebenbuhler nicht begegnen. Der Morgen, und der Vormittag ist verwandt, meine Reize schimmernd zu machen. Ach Lisette, ich erliege fast unter der Last so vieler Geschäfte. Hier hab ich wieder hundert süsse Brieschen auf meinem Putztische, ich muß sie alle beantworten. Wie viel Thränen, wie viel Seufzer werde ich darinn finden! das ist ermüdend. Derjenige, ich sag es dir im Vertrauen, sey verflucht, der mich in diesen Stand gesetzt hat. Ich war glücklich, von meinem Gemahl angebetet, von meinen Freunden[26] geschätzt; aber Ach, seitdem die rasende Eroberungssucht mein Herz eingenommen hat, hab ich alle Ruhe verloren. Ich bin wie Alexander da er die ganze Welt erobert hatte, seufzte er, daß er keine mehr erobern könnte.

FAUST. Welch eine Närrinn! – Madame! belieben sie meine Wohnung eilends zu verlassen.

SCHÖNHEITLIEB. Es ist Zeit. Meine Anbeter erwarten mich. Sie schmachten wie die Blumen, wenn die Sonne abwesend ist. Ich will diese Geschöpfchen durch mein Lächeln wieder beleben. Geht ab.

MEPHISTOPHELES. Bist du nicht vollends überzeugt? – Aber nur Geduld.


Quelle:
Weidmann, Paul: Johann Faust. Ein allegorisches Drama von fünf Aufzügen, Prag 1775, S. 25-27.
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