Siebenter Auftritt.

[29] Sorgenvoll, Klienten, Vorige.


MEPHISTOPHELES. Hier nähert sich uns Graf Sorgenvoll. Er saß einst ruhig auf seinen verschuldeten Gütern, und besorgte seine Wirthschaft. Du zahltest seine Schulden, du machtest ihn durch meine Macht am Hofe bekannt. Er spielte mit Kunst die Rolle des Schmäuchlers. Er gewann das Herz seines Königs. Sieh zu wie er diese Wohlthaten genützt hat. Du sollst itzt in seinen Augen die Miene seines vertrauten Freundes haben.


Sorgenvoll tritt stolz ein. Einige Männer reichen ihm Bittschriften, er nimmt sie verächtlich, und steckt sie zu sich. Dann wirft er sich in einen Stuhl.


SORGENVOLL. Ha, sieh da, mein Freund! O wie gut ist es, daß ich dich finde. O laß mich in[29] deinen Busen meine Sorgen ausschütten. Graf Ehrenreich will mich verdrängen. Er ist geschäftig im Vorzimmer. Er häuft seine Parthey. Er schmäuchelt dem Monarchen Aber zittre. Ich hasse dich von ganzen Herzen! Ach mein Freund, beklage mich, die Last der Geschäfte betäubt mich.

FAUST. Aber warum übernehmen sie mehr, als ihre Schultern zu tragen vermögen?

SORGENVOLL. Arbeite ich nicht alles; so hab ich Mitarbeiter, und folglich lauter Nebenbuhler. O mein Freund, du kennst noch nicht die gleitende Würde eines Günstlings. Nichts als Neider sind um mich. Ich muß jeden Augenblick zittern, daß mich der König verabschiedet, und seine Gunst einem andern schenkt. Bedenke diese traurige Lage, in die ich fallen könnte. Was ist verächlicher am Hofe als ein gefallener Liebling. Itzt bin ich die Triebfeder, die alles in Bewegung setzt. Mein Wink belebt alles; Aber Ach, wie unbeteutend würde ich werden! Siehst du die Quelle meiner rastlosen Sorgen, die mich wie ein Schatten verfolgen. Verfluche sey der Wohlthäter, der mich aus meiner Ruhe gezogen, und mich in dieß Elend gestürzt hat. Wie zufrieden schlug diese Brust, eh noch dieß Band, und dieser Orden meine Last war. Ich verwache die Nächte auf Räncke zu sinnen, wie ich meine Nebenbuhler untergraben, und alles um mich herum erniedern kann. Meine Tage fliessen in folternder[30] Ungewißheit hin. Ich umarme oft jene die mich hassen. Ich küsse jene, die mich verfluchen, und ich beneide Geschöpfe, die ich im Herzen verachte.

FAUST. Gehn sie, vergiften sie nicht nochmehr mein Herz. Ich bin zugequält. Schleppen sie den Schwarm ihrer Sorgen mit sich.

SORGENVOLL. Ich eile nach Hof. Meine Feinde könnten sich meiner Abwesenheit bedienen. Sie sollen stürzen die Verräther! Geht ab.

FAUST. O wie elend ist seine Lage!


Quelle:
Weidmann, Paul: Johann Faust. Ein allegorisches Drama von fünf Aufzügen, Prag 1775, S. 29-31.
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Johann Faust. Ein allegorisches Drama in fünf Aufzügen