Sechster Auftritt.

[48] Mephistopheles, Helena, Eduard, Vorige.


HELENA. Wo eilst du hin?

FAUST. Leb wohl!

HELENA. Du willst mich verlassen? Grausamer bleib! dieß Herz hat auf dich Ansprüche. Meine Liebe wird dich verfolgen. Umsonst entreissest du dich meinen Armen. Mein Freund, sieh mich zu deinen Füssen. Wenn du mich jemals geliebt; wenn meine zärtliche Liebe mir dein Herz erworben; so hör mich, hör meine Bitte; sieh meine Thränen mit Erbarmungen an. Du hast mich den Armen meiner Familie entrissen, itzt willst du mich der Welt zum Spott preiß geben! Bleib hier, schenk dich mir wieder, schenk dich meinem Herzen! Du sweigst, du erröthest, du wankest! Meine Stimme dringt nicht mehr in deinen Busen. – Ungeheuer geh! verlaß mich; aber zittre, meine Flüche werden dich verfolgen! – Du hörst die Liebe nicht mehr; so hör die Natur! Sieh deinen Sohn, er fleht dich an um Mitleid, er streckt seine kleinen Hände nach dir aus. Willst du ihn grausam verlassen? Hat er dich beleidiget? – Du zitterst – Sie zieht den Dolch auf Eduard. Entschließ dich! – Geh, flieh; aber nimm dieß unschuldige Blut, und meine Verwünschungen mit dir![48]

FAUST. Halt ein! Helena! Mein Sohn!

HELENA. Nähere dich nicht; oder Eduard ist des Todes!

FAUST. Was soll ich thun? Sprich Vater!

HELENA. Du bleib hier, und ihr entweicht!

FAUST. Vater, Mutter, was soll ich wählen?

THEODOR. Folg mir, hör diese Verführerinn nicht!

ELISABETH. Das arme Kind dauert mich. Man muß den Knaben retten.

ITHURIEL. Geht, folget mir, last den Unwürdigen seinem Elend über.

THEODOR. Nimm meinen Fluch!

ELISABETH. Und meine Thränen!

FAUST. Mein Vater – Halt ein! Verweile!

HELENA. Bleib, oder der Tod deines Sohns ist gewiß!

FAUST. Seht mich zu euren Füssen! – Ich wanke – Ich zittere – Meine Seele ist erschüttert!

THEODOR. Verlassen wir ihn, er soll verderben!

HELENA. Zum letztenmal frag ich, was wählest du?

FAUST. Vater verzeih – Ich liebe dich; aber die Natur siegt über mich. Lebt wohl – Helena, ich bin dein!


Ithuriel, Theodor, Elisabeth entweichen.


MEPHISTOPHELES. Ha, welch ein Sieg! – Faust diese Wahl macht mir Ehre!

FAUST. Aber sie ist meinem Herzen theuer.[49]

HELENA. Mein Freund, schenk dich mir. Ich will dich ewig lieben. Ja mein Herz fühlt diese Probe. Ich danke dir für deine Freundschaft und Liebe. Ich werde jede Minute anwenden, dich glücklich zu machen.

FAUST. Helena, ich liebe dich, und küße dich mein lieber Sohn – Nur mein Herz mischet immer in meine Freude eine gewisse Unruhe –

MEPHISTOPHELES. Die will ich zerstreuen. Ich bin dein Freund. Ich will mich bestreben dich ganz aufzuheitern. Folg mir, schenk dich der Liebe, schenk dich der Freundschaft, schenk dich der Freude. Kommt, ich will euch ein neues Vergnügen verschaffen.

Ende des Dritten Aufzugs.


Quelle:
Weidmann, Paul: Johann Faust. Ein allegorisches Drama von fünf Aufzügen, Prag 1775, S. 48-50.
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