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[44] Ithuriel, Theodor, Elisabeth, Vorige.
FAUST. Was seh ich, – Meine Eltern!
ALLE. Seine Eltern!
MEPHISTOPHELES. Was wollt ihr?
THEODOR. Die Brosamen des Reichen einsammeln!
Mephistopheles giebt ein Zeichen, die Gäste folgen ihm. Helena entfernet sich mit ihrem Sohne. Faust springt von der Tafel auf.
THEODOR. Du bebst, du schämst dich unser? – Ich sehe wohl deinen Pracht. Gold schmückt deinen Leib. Dein Stolz ist ohne Schranken, so wie es dein Reichthum zu seyn scheinet. Niemals ward die beräucherte Luft von deinem Aechzen gestört, niemals der glänzende Boden von deiner Thräne benetzt. Du schläfst und du erwachst unter den Tönen entzückender Saiten. Dein Herz schwimmet in Weichlichkeit, sind dieß die Vorrechte, welche dich meines Standes schämen machen? – Geh, ich schäme mich mit mehr[44] Recht deiner! – In meiner Schaudhütte wohnt Tugend; hier wohnt das Laster! – Dieser Rüttel deckt ein redliches Herz! dein verächtliches Gold verhüllt einen giftigen Busen!
ELISABETH. Undankbarer Sohn, sind dieß die Grüße mit denen du uns bewillkommest? du verschliessest uns die Thüre; du erröthest bey unserer Ankunft; du solllest mit kindlicher Zärtlichkeit uns entgegen eilen, und uns mit deinen Küssen und Umarmungen belohnen. Geh, du bist nicht mein Sohn!
THEODOR. Glaubst du etwa, ich solle dich glücklich preisen? Nein mich blendest du nicht. Du bist es nicht. Du bist der Elendeste! – Rasender, bist du am Ende deiner Laster; ist dein Witz nun gänzlich erschöpft? Du warst sinnreich wie Satan, und nun gähnst du vor Langweile. Auf, ist keine Unschuld zu schänden übrig; lebt keine Tugend mehr, um sie zu würgen? Verschlafe nicht so kostbare Augenblicke; Kröne vollends dein Leben; – Noch leb ich, dein Vater – Die Brust ist noch nicht durchbohrt – Barbar schau her, sie ist tausendmal durchbohrt, durch jede deiner Schandthaten zerfleischet!
FAUST. Mein Vater! Meine Mutter!
THEODOR. Ich bin nicht mehr dein Vater. Ich bin nur gekommen, dir meinen Fluch zugeben!
FAUST. Seht mich zu euren Füssen – Ich bin ein Ungeheuer, ich gesteh es; aber ich bin euer Sohn – Habt. Mitleid![45]
ELISABETH. Er rührt mich. Mein Herz spricht noch für ihn. Ich kann nicht hart seyn. Vater laß dich bewegen. Vielleicht bessert er sich. Mein Sohn, wir haben viel Böses von dir gehört. Du führst einen abscheulichen Lebenswandel. Du hast das Vermögen deines Onkels verschwelget. Wie du diese Reichthümer bekommen das, das weis Gott. Man schreye dich für einen Zauberer aus. Komm lieber mit uns. Wir wollen unsere Armuth mit dir theilen. Arm und ehrlich seyn, ist das beste auf der Welt. Wirst du mit uns gehn? Ich werde deinen Vater schon besänftigen. Sag mir nur, wie bist du denn in dieß Leben gerathen?
FAUST. Hört meine lieben Eltern. Ich bezahle die Thorheuen meiner Jugend sehr theuer. Ein Fehltritt war die Folge von Tausenden. Ich verschwendete mein kleines Vermögen, und war verlassen. Ich fand überall nur Unmenschen, die mir alle Hilfe versagten. Mein Unglück hatte mein Herz verhärtet. Die Menschen waren in meinen Augen Ungeheuer, und Diebe, die mit meine Glückseeligkeit raubten. Mein stolzer Menschenhaß führte mich allmählich zu Handlungen, die ich ewig bereuen werde. Last mich einen Schleyer auf die Folge meines Lebens decken. Genug es ist eine Reihe von Verbrechen. Ich bin zu tief gesunken, die Wellen reissen mich fort. Ich ringe umsonst wider den mächtigen Strom der Gewohnheit Geht theure Eltern, seyd glücklich,[46] vergesset euren unwürdigen Sohn, er kann nicht mehr Anspruch auf die Glückseeligkeit machen.
ELISABETH. Du pressest mir mütterliche Thränen aus. Mein Sohn, du willst uns das letzte Kleinod entreissen. Du warst stäts unsere Hofnung, unser Trost, unser Stolz, unser Ehrgeiz. Mein zärtliches Herz dankte bisher täglich dem Himmel um diese Gabe, die er mir geschenkt. Und du raubst uns dieß Vergnügen! Soll ich die Stunde verwünschen in der ich dich gebohren habe; soll ich die Brüste vor Reue schlagen, die dich gesäugt haben? Nein, hör meine Thränen, schenk dich meiner Zärtlichkeit, schenk dich meiner Liebe! – Vater, gieb ihm deine Gnade wieder; nimm ihn auf in deine väterliche Huld. Er ist unser Sohn.
THEODOR. Wohlan, ich verzeih ihm mit der Bedingniß, daß er uns diesen Augenblick folgt, und alles verläst, was ihn uns wieder entreissen könnte. Laß zurück deine Thorheiten; laß zurück deine Metzen, dein Gold, dein Silber, nimm nichts mit dir als ein gelehriges Herz! In meiner Schaubhütte will ich dich dem Himmel zuführen. Sein Seegen wird auf dich, und uns herabregnen, und er wird mir endlich meinen würdigen Sohn wieder schenken. Komm.
ELISABETH. Reich mir die Hand!
FAUST. Ich folge.[47]
Ausgewählte Ausgaben von
Johann Faust
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