Sechster Auftritt.

[63] Faust, Helena.


HELENA. Ich liege an deinen Busen. Ich wasche dich mit meinen Thränen. Freund, schenkst du dich mir wieder. Komm laß mich in deinen Armen meine letzten Thränen verweinen. Aber welche Todesbläße sitzt auf deinen Lippen! Du bebst, bester, theuerster, öfne mir dein Herz –

FAUST. Du, die mit mir durch die Tage der flüchtigen Freuden gewandelt ist, du, der ich meine Liebe geweiht, hör mich, und zittre!

HELENA. Ach![63]

FAUST. Ich bin hintergangen, durch schwatze Berräther hintergangen!

HELENA. Wer sind sie?

FAUST. Ich, Ich, Ich selbst! – Mein Gewissen erwacht; aber zu spät. Für mich ist keine Rettung mehr. Die Stunden der Hofnung sind vorüber, und die Augenblicke der Verzweiflung nahe.

HELENA. Du erschrelft mich. Wie wild deine Blicke sind! – Schwarze Wolken hängen auf deiner Stirne – Ach Freund, hör mich; heitre deine Blicke auf; lächle mich an –

FAUST. O was foderst du von mir? Sturm ist mein Herz, und mein Geist ist von rasenden Wogen hin und her getrieben. Kein Stral von Hofnung schleicht mehr in meinen Busen. Geh, verlaß mich. Ich will mich meinem Jammer ganz ergeben.

HELENA. Ich habe alle deine Freuden mit dir getheilt, laß mich auch Theil an deinen Schmerzen nehmen.

FAUST. Ich bin verloten!

HELENA. So will ich es auch seyn!

FAUST. Ich muß sterben!

HELENA. So sterbe ich mit dir! Helena wird jedes Schicksal mit dir theilen.

FAUST. Bestes Weib, ich erkenne deinen Werth; aber du sollst nicht in mein Unglück verwickelt seyn. Geh, nimm deinen Sohn, raffe mein Vermögen zusammen, entflieh aus diesen Mauern.[64] Eil entzieh dich dem Hohngelächter der spottenden Welt; entzieh dich der Wuth meiner Feinde. Du bist frey, du bist durch keinen Eid an die Hölle gefässelt. Vergiß mich, leb wohl, leb ewig wohl!

HELENA. Ich eile dich zu retten.

FAUST. Du mich retten? bestes Weib, das kannst du nicht.

HELENA. Vertrau auf meine Hilfe!

FAUST. Du sprichst Räthsel – Eröfne mir –

HELENA. Hof auf meinen Beystand! – Ich eile, ich verrichte mehr, als du von einem schwachen Weibe erwarten kanst. Sey ruhig indessen. Bald umarme ich dich wieder! Geht ab.

FAUST. Welch einen Plan kann sie haben? – Ich begreife nichts – Arme Helena, du enttrirfst zu spät meine Rettung – Alles verläst mich in diesen Stunden des Kampfes – Mein Vater, meine Mutter, wo seyd ihr, entflieht ihr meinen Armen? – Ithuriel, tröstest du mich nicht mehr? Richtest du meinen gefallenen Geist nicht mehr empor? – Hier harre ich auf der Folter der Erwartung – Ich blicke mit Angst meinem traurigen Ende entgegen – O schreckbare Stunden! –[65]


Quelle:
Weidmann, Paul: Johann Faust. Ein allegorisches Drama von fünf Aufzügen, Prag 1775, S. 63-66.
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